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# taz.de -- Grandmaster Flash über gutaussehende Tracks: "iPods machen mich ne…
> Grandmaster Flash hat als DJ einst Hiphop miterfunden. Im Gespräch
> erzählt der Mann aus der Bronx über Gemeinsinn, Drogen und digitales
> Arbeiten.
Bild: Großmeister Flash und seine Mannen.
taz: Herr Flash, setzen Sie sich immer noch in ihr Auto, um zu testen, wie
neue Tracks auf dem Auto-CD-Player klingen?
Grandmaster Flash: Klar. Man verbringt so viel Zeit im Auto. Da muss man
doch wissen, ob der Mix dort gut klingt. Aber natürlich habe ich auch ein
Frequenzmessgerät im Studio: Auf dem kann ich ziemlich genau ablesen, ob
ein Track klingt, wie er klingen soll. Ich muss einen Track heutzutage
nicht mehr unbedingt hören, ich kann ihn sehen.
Wie sahen die Tracks ihres neuen Albums "The Bridge" aus?
Gut sahen die aus. Was denken Sie denn?
Passiert es manchmal, dass ein Track als Frequenzspektrum prima aussieht,
aber leider beschissen klingt?
Nein, so was passiert nicht. Was beschissen aussieht, das klingt auch
beschissen.
"The Bridge" ist Ihr erstes Album mit eigenen Tracks seit 1988?
Wenn Sies sagen. Das dürfte hinkommen, ja.
Warum haben Sie so lange gebraucht?
Weil ich nicht den richtigen Plattendeal gefunden habe. Ich hatte immer
wieder Angebote, aber ich wollte kein Album machen, das so klingt wie das,
was gerade im Radio läuft. Da klingt doch alles gleich. Aber wenn ich
auflege, dann spiele ich ein Funk-Break, danach vielleicht ein Pop-Break
und dann ein Jazz-, Techno-, Disco- oder Rock-Break. Denn das alles ist
Hiphop für mich. Und diese Vielfalt wollte ich auch auf meiner Platte, denn
ich bin in erster Linie ein DJ. Deshalb klingen meine Songs, als wären zehn
verschiedene Leute für die Musik verantwortlich gewesen. Und so sieht es
auch in meinem Plattenkoffer aus, wenn ich auflege. Meine Herangehensweise
ist, auch als Produzent, immer die eines DJs gewesen und wird es immer
sein. Ich frage mich: Kann ein DJ diesen Track auflegen? Wie wirken die
Tracks hintereinander auf dem Album? Könnte man es auf einer Party
durchlaufen lassen? Ist der Mix abwechslungsreich genug?
Das, was wir heute als die Kunst des DJings kennen, das Mixen und Cutten
von verschiedenen Songs, haben Sie vor drei Jahrzehnten miterfunden. Lag
das damals in der Luft? Wenn Sie nicht da gewesen wären …
… wäre dann jemand anders auf den Dreh gekommen?
Ja.
Vielleicht. Wir werden alle mit verschiedenen Talenten geboren. Manche
sollen Pfarrer werden, andere Automechaniker, wieder andere Programmierer.
Mir wurde nun mal das DJen und das Produzieren mitgegeben. Ich mache
einfach das, wofür ich geboren wurde. Es gab dafür keinen Plan, es ist
einfach so passiert. Ich wollte auch nicht berühmt werden. Ich habe einfach
die Musik geliebt.
Hätten Sie damals gedacht, dass Hiphop einmal so groß werden würde, dass
diese Kultur den ganzen Erdball erobern würde?
Natürlich nicht, niemand konnte das wissen. Aber retrospektiv würde ich
sagen: Es wundert mich nicht. Wir haben schon damals gespürt, als das alles
noch auf die Bronx beschränkt war, dass wir da etwas Großartiges entdeckt
hatten. Etwas, das von so vielen und so vielen verschiedenen Menschen
geliebt wurde, das musste einfach groß werden. Schwarze, Weiße, Latinos:
Jeder, der einen DJ dabei sah, wie er sein Ding machte, und der einen MC
rappen hörte oder einen Graffitikünstler beim Sprühen sah, der war sofort
süchtig.
Sie haben damals Geschichte geschrieben.
Ja, auch wenn ich das damals noch nicht wusste. Aber ich will etwas
hinterlassen - wie jeder andere Mensch auch. Reich und berühmt zu sein, das
ist ganz in Ordnung. Aber ich will Teil der Geschichte sein. Später, auch
noch in Jahrzehnten, sollen die Leute einmal sagen: Ja, Grandmaster Flash,
der hatte es drauf. Das ist mir wichtig.
Grandmaster Flash & the Furious Five sind doch längst Geschichte: Sie sind
2007 in die Rockn Roll Hall of Fame aufgenommen worden.
In der Hall of Fame zu sein, das ist ganz nett. Aber wichtiger ist mir, den
ganz normalen Typen in Erinnerung zu bleiben als jemand, der den Menschen
gedient hat. Denn das ist meine Aufgabe als DJ, die Menschen zum Tanzen
bringen, sie zu unterhalten. Ich diene, das ist meine Aufgabe.
Im vergangenen Jahr haben Sie Ihre Autobiografie "The Adventures of
Grandmaster Flash" herausgebracht. Warum so spät?
Noch vor fünf Jahren war ich nicht so weit, ich hatte zu viele Leichen im
Keller. Aber jetzt stelle ich fest, dass ich dieses Buch machen musste, um
die ganze Wut rauszulassen und meine Verletzungen zu überwinden. Nach dem
Buch war ich plötzlich wie befreit. Und ich war bereit, diese Platte zu
machen oder einen Computerspiel-Soundtrack zu machen oder eben wieder auf
Tour zu gehen. "Die Abenteuer von Grandmaster Flash" sind nicht mehr meine
Geschichte, sondern Hiphop-Historie.
Welche Verletzungen meinen Sie?
Vor allem all die Geschichten, wo ich übers Ohr gehauen wurde. Es gibt eine
Menge Songs, die ich produziert habe, auf denen aber nicht mein Name steht
und für die ich nie einen Cent bekommen habe. Viele Jahre lang hatte ich
Angst, wieder verarscht zu werden, und habe deshalb lieber gar nicht
produziert. Mittlerweile habe ich diese Angst, auch dank des Buches,
überwunden.
Als Sie das DJing erfunden haben, waren die MCs und ihre Raps eher
schmückendes Beiwerk. Mittlerweile sind die Rapper die Stars. Gilt denn
noch "Flashs Universal DJ Rule Number Two: DJs Got The Power"?
Natürlich hat es da offensichtlich eine Machtverschiebung gegeben. Aber ein
DJ hat immer noch großen Einfluss. Die Plattenfirmen schicken immer noch
uns zuerst ihre Platten, weil wir sie auflegen müssen, damit sie bekannt
werden. Ein Hit wird immer noch zuerst im Club gemacht oder im Radio: Und
wer entscheidet, was dort läuft? Ein DJ.
Die Kunst des DJings, die sie entscheidend mitbegründet haben, hat sich
allerdings in den letzten Jahren grundlegend verwandelt. Wie haben Sie
reagiert als sie zum ersten Mal einen DJ ohne Plattenkoffer trafen?
Ich war perplex. Das war vor drei oder vier Jahren. Ich hatte gerade meinen
Soundcheck hinter mir, als der nächste DJ dran kam. Ich fragte ihn: Sohn,
wo sind Deine Schallplatten? Er sagte: Grandmaster, meine Platten stecken
in meinem Laptop, in dieser kleinen Kiste. Ich dachte, der hält mich für
blöde. Also hab ich ihn noch mal gefragt. Aber er blieb dabei, baute seinen
Laptop auf und zeigte mir seine Dateien. Das sind MP3s, sagte er. Das hat
mich zwar an meinen Sohn erinnert, der schon seit Monaten rumjammerte, ich
solle ihm einen MP3-Player kaufen. Aber ich kam mir vor wie ein
Zurückgelassener. Ein blödes Gefühl, als wäre man ein Auslaufmodell.
Wie konnte das passieren? Sie galten immer als Technik-Freak, der selbst an
seinen Plattenspielern herumschraubte.
Ich glaube, der Walkman ist schuld. Erinnern Sie sich noch? Ich habe die
Dinger gehasst, weil sie die Menschen isolierten. Plötzlich brachte Musik
die Leute nicht mehr zusammen, sondern trennte sie. Seitdem habe ich alle
Geräte ignoriert, mit denen man sich die Ohren zustöpselt. Seit einem Jahr
hab ich zwar jetzt auch einen iPod, aber ich benutze den nicht draußen.
Macht mich nervös, wenn ich nicht mitkriege, was um mich herum abgeht.
Mittlerweile haben Sie aufgeholt und benutzen selbst einen Laptop und ein
digitales DJ-System.
Ja, ich mache sogar Werbung dafür. Aber ich benutze zusätzlich auch immer
noch mein Vinyl. Allerdings schleppe ich nicht mehr meine ganze Sammlung
mit mir rum.
Stirbt die Kunst des DJings aus, wenn die Tracks aus dem Laptop kommen?
Warum? Ich mixe ja weiter live wie früher, nur dass die Plattenspieler nun
nicht mehr direkt das Vinyl abtasten, sondern eine Datei auf der Festplatte
ansteuern. Das ist wie beim Autofahren: Wenn ich meinen alten Ford nicht
fahren kann, dann kann ich auch mit einem BMW nicht umgehen.
In Ihrem Buch sprechen Sie sehr offen über ihre Drogenabhängigkeit. Was
auffällt: Offensichtlich werden auch im Hiphop viele Drogen konsumiert und
Rapper preisen in ihren Reimen zwar den Beruf des Dealers, aber
Drogenerfahrungen werden in Rap-Texten - im Gegensatz zum Rock zum Beispiel
- so gut wie nie verarbeitet. Warum?
Das ist mir noch gar nicht aufgefallen. Aber es stimmt: Im Hiphop geht es
immer um das Geschäft mit Drogen, aber nicht um den Konsum. Warum das so
ist? Vielleicht weil der Dealer ein Held war im Ghetto. Der hatte das
schicke Auto, der hatte was zu sagen. Aber das ist eine gute Frage. Ich
werde mal rumfragen, wenn ich wieder zu Hause bin.
Was haben die Drogen Ihnen angetan?
Ich habe sechs Kinder und vier davon sind bereits erwachsen. Ich war nicht
dabei, als sie aufwuchsen. Das bereue ich wirklich. Schuld daran waren die
Drogen und dass ich ständig auf Tour war. Ich habe teilweise an 250 Tagen
im Jahr aufgelegt. Wegen meiner beiden kleinen Söhne, die acht und neun
Jahre alt sind, gehe ich heute nicht mehr so viel auf Tour, obwohl ich es
liebe.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Drogen heute?
Ich habe keines mehr und das bleibt hoffentlich auch so. Die Drogen hätten
mich beinahe das Leben gekostet und das nicht nur einmal, sondern zweimal.
Stattdessen lieber grüner Tee?
Ich liebe das Zeug. Ich muss heute mindestens zehn verdammte Tassen
getrunken haben.
20 Feb 2009
## AUTOREN
Thomas Winkler
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