# taz.de -- 40 Jahre Modehaus Sonia Rykiel: Was bist du schön! | |
> Beispielhaft für die sanfte und stilbewusste Emanzipation der Frau: In | |
> Paris gibt es eine umfangreiche Ausstellung über das richtungsweisende | |
> Modehaus Sonia Rykiel. | |
Bild: Am liebsten nackt: Sonia Rykiel (vorne rechts) und Nathalie Rykiel beim F… | |
"Rykiel erkennt man an ihren roten Haaren und ihrer schwarzen Silhouette, | |
so wie man Jean Paul Gaultier an seinen blonden Haaren und seinem | |
Marinepulli oder Karl Lagerfeld an seinem Pferdeschwanz erkennen würde", | |
meint Olivier Saillard, Kurator der Ausstellung "Sonia Rykiel, Exhibition", | |
der Retrospektive anlässlich des 40. Geburtstags des Modehauses im Pariser | |
Musée des Arts Décoratifs. | |
Tatsächlich steht die Marke Sonia Rykiel noch heute in symbiotischer | |
Verbindung mit der Frau Sonia Rykiel. Sie ist darin symptomatisch für eine | |
Generation von jungen Couturiers, die sich als Modedesigner, als "créateurs | |
de mode" von der elitären Haute Couture emanzipierten, um Mode nach eigenem | |
Geschmack zu schaffen. | |
Aber die äußerlich zarte, doch innerlich starke Frau mit ihrem feuerroten | |
Haarschopf und ihrer filigranen schwarzen Silhouette war darüberhinaus auch | |
beispielhaft für eine sanfte und stilbewusste Emanzipation der Frau. Dabei | |
hat die Geschichte ihres Imperiums mit ganz bescheidenen, manche würden | |
vielleicht sogar sagen, wenig emanzipierten Wünschen begonnen. Sonia, die | |
die Einengung der Kleidung schon als Mädchen hasste, hätte ihr Leben am | |
liebsten ausschließlich nackt verbracht und träumte im Grunde nur davon, | |
Mutter und Hausfrau zu werden. | |
Als sie 1962 schwanger wird, erfüllt sich ihr Traum. Rykiel fühlt sich | |
wunderschön, liebt den voluminösen Bauch, den sie vor sich herträgt, und | |
will ihn der Welt präsentieren, statt ihre Rundungen in Umstandsmode zu | |
verstecken. Sie entwirft einen knappen, weichen Pullover aus feinem Strick, | |
den sie über "Laura", den Laden ihres Mannes, produzieren lässt. Es ist die | |
Geburt des "poor-boy sweater", der durch einen glücklichen Zufall auf dem | |
Cover der Zeitschrift Elle gezeigt wird. Er macht die junge Frau über Nacht | |
bekannt und den Hausfrauentraum für immer vergessen. | |
Aus diesem Grund beginnt Saillard seinen Rundgang durch das Rykiel-Märchen | |
auch mit dem Sweater für arme Jungs. Von da aus führt der Weg weiter zu | |
wallenden Kleidern mit lebhaften floralen Mustern, zu pastellfarbenen | |
Kostümen aus Ton in Ton gehaltenem Jersey, zu den bekannten bunten | |
Streifenpullovern, zu visionär-dekonstruktiven Entwürfen mit schon 1976 | |
nach außen verlegten Nähten und schließlich zu den frechen | |
Trompe-loeil-Kreationen wie einem kleinen Schwarzen, dem Sonia Rykiel | |
hautfarbene Handapplikation auf dem Po verpasste. Die Fülle der thematisch | |
angeordneten Ausstellungsstücke macht deutlich, wie subtil, humorvoll und | |
dennoch für jede Frau akzeptabel Sonia Rykiels modische Sprache ist. Mit | |
dem Ziel höchsten Kleiderkomforts entwirft sie manchmal kokette, manchmal | |
rockige und manchmal auch einfach schlichte, aber immer gewinnende Teile. | |
Wie passend sie für jede Trägerin sind und doch eng an ihre Person | |
gebunden, zeigen die wundervollen Modeaufnahmen von Dominique Issermann. In | |
langjähriger Zusammenarbeit bildete die Fotografin die Designerin oft | |
selbst als Model für die Marke ab und machte damit zugleich einige der | |
markantesten Aufnahmen von ihr. | |
Rykiel, die 1968, kurz nach ihrer Scheidung, ihre erste eigene Boutique | |
eröffnet und von da an zur unbestrittenen "Königin des Stricks" aufsteigt, | |
kreiert Kleidung in der sich alle Frauen wohl- und schön fühlen sollten: | |
"Ein gelungenes Kleidungsstück ist, wenn man einer Frau sagt: ,Was bist du | |
schön', und nicht: ,Was hast du Schönes an.' " Die "Femme Rykiel" ist nicht | |
Accessoire ihres Kleids. Sie ist verführerisch und frei. Mit ihrer | |
Strickmode wies Sonia Rykiel einen femininen Weg zu Emanzipation und | |
Freimut, der nicht zwingend die Aufgabe des BHs verlangte - zumal er für | |
sie in ihrer Liebe zur Nacktheit eh kein Thema war. | |
Schade, dass Olivier Saillard in "Sonia Rykiel, Exhibition" auf diesen | |
Aspekt kaum hinweist. Aber vielleicht ist diese Nachlässigkeit ganz im | |
Sinne der Schöpferin. Denn Rykiel, die neben ihrer Designtätigkeit auch | |
zwölf Romane veröffentlichte, sah sich eher als Intellektuelle von der Rive | |
gauche denn als Feministin. | |
Als diese sinnlich-schöpferische Intellektuelle hat sie nicht nur Andy | |
Warhol fasziniert, wie sein Filmporträt von 1985 zeigt, sondern auch eine | |
Reihe illustrer Kollegen inspiriert. Sie machen ihr - unterstützt von ihrer | |
Tochter Nathalie - zum Abschluss der Ausstellung denn auch ein ganz | |
besonderes Geschenk: Als Hommage an Rykiel und das von ihr in 40 Jahren | |
geschaffene Werk entwarfen Jean Paul Gaultier, Christian Lacroix, Martin | |
Margiela, Karl Lagerfeld und Jean-Charles de Castelbajac jeweils ein | |
Kleidungsstück und entfalten damit ein brillantes Stück zeitgenössische | |
Modegeschichte. Sie alle wären sich sicher einig: Gab Coco Chanel der Frau | |
Bewegungsfreiheit und hatte sie bei Yves Saint Laurent endlich die Hosen | |
an, so sorgte Sonia Rykiel bei ihrer vestimentären Emanzipation endlich für | |
den nötigen Komfort. | |
Bis 9. April, Musées des Arts Décoratifs, Paris | |
20 Feb 2009 | |
## AUTOREN | |
Annabelle Hirsch | |
## TAGS | |
Karl Lagerfeld | |
Mode | |
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