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# taz.de -- Radiosender ist online wieder da: Multicult 2.0 auf großer Fahrt
> Der Internet-Nachfolger von Radio Multikulti geht ab heute online.
> Ehemalige Redakteure des rbb-Senders wollen nun täglich das
> multikulturelle Leben in den Kiezen wieder zum Hören bringen
Der Nachfolger von Radio Multikulti wird auf einem Hausboot produziert.
Rund 20 Multikulti-Redakteure haben auf dem Schiff "MS Heiterkeit" Asyl
gefunden, um ihr Projekt zu verwirklichen: das neue Internetradio Multicult
2.0, das heute an den Sendestart gehen soll.
Nach Heiterkeit war den Machern aber lange nicht zu Mute: Am 30. Dezember
vergangenen Jahres wurde der Sender Radio Multikulti vom Radio
Berlin-Brandenburg (rbb) eingestellt. "Das Abschalten von Radio Multikulti
hat in der Radiolandschaft der Hauptstadtregion ein Loch hinterlassen",
sagt Brigitta Gabrin, die Initiatorin und Leiterin des Internetradios. Sie
arbeitete lange Zeit bei Multikulti und moderierte das Mittagsmagazin
"Metro".
Das neue Webradio will über multikulturelle Themen berichten - ähnlich wie
Multikulti also. Die Aufgabe von Radio Multikulti soll beim rbb der Sender
"Funkhaus Europa" übernehmen. Doch das sei ja vor allem für die Hörer in
Nordrhein-Westfalen gedacht, sagt Gabrin, "da kommen die Berliner Kieze
zwangsläufig zu kurz." Multicult 2.0 berichtet nicht nur über das Leben in
Kiezen, sondern bietet auch multilinguale Sendungen an, so gibt es zum
Beispiel ein Vietnamesisches Sonntagsmagazin. In Kürze könnten die Hörer
auf Grund einer neuen Audiosoftware in multilingualen Sendungen sogar
zwischen verschiedenen Sprachen umschalten, verspricht Gabrin.
Ihren neuen Arbeitsplatz, das Schiff, muss Gabrin oftmals schon am Morgen
betreten: "Es gibt so viel zu tun, dass ich bisher noch nicht einmal Zeit
hatte, meinen Antrag auf Arbeitslosengeld zu stellen", sagt die gebürtige
Rumänin. In der Vorbereitungs- und Testphase mussten Redaktions- und
Senderäume gefunden und vor allem ein Team aus Redakteuren, Moderatoren und
Technikern zusammengestellt werden.
Mit dem Schiff hatten die Radiomacher immerhin einige Probleme gelöst: Der
Besitzer Toshi Rößner, der beim rbb als Toningenieur arbeitet und als
Techniker bei Multicult 2.0, hat im Unterdeck seines Schiffs ein
Musikstudio mit Mischpult und Senderechner - ideal um Sendungen zu
produzieren, zu schneiden oder Aufnahmen zu machen. "Zum Hauptsendeort soll
das Schiff aber nicht werden", sagt Rößner.
Die Sendungen produzieren Rößners Kollegen auch in privaten Studios oder zu
Hause. Gesendet wird über das Clubradio vom Haus der Kulturen. Doch das
erstmal nur vorübergehend, neue Studio- und Redaktionsräume werden gesucht.
"Die Miete dafür soll aus Spenden finanziert werden", sagt Gabrin. Bis zu
3.000 Euro pro Monat seien bisher durch Spenden von bundesweiten
Multiculti-Hörern zusammengekommen. Damit könnten laufende Kosten wie für
das Streaming gedeckt werden, sagt Gabrin. Neben den Geldbeträgen erhält
das Webradio auch technische Geräte wie Computer oder Lizenzen für
Schnittsysteme.
Das Webradio gründet außerdem gerade eine gemeinnützige GmbH. Tragende
Säulen sind die Radiomacher, die eine Genossenschaft gebildet haben, die
Berliner Kreativ- und Musikwirtschaft und vielleicht noch eine
Stiftungsinitiative. Insgesamt will Multicult 2.0 damit 25.000 Euro
einnehmen. "Davon werden wir die dringendste technische Ausstattung
kaufen", sagt Gabrin. Bis zu 100.000 Euro würde eine komplette
Studioausstattung kosten, schätzt Gabrin.
Für ein einfaches Webradio wäre das allerdings nicht nötig. "Mit
Free-Ware-Programmen im Internet können ganze Sendungen produziert werden",
sagt Wolfgang König, der ebenfalls bei Multikulti war und nun beim Webradio
ist. Multicult 2.0 will aber qualitativ hochwertige Sendungen produzieren.
Der Anspruch ist nicht verwunderlich, schließlich kommen die ehemaligen
Multikulti-Redakteure von einem terrestrischen Radiosender. Das neue
Webradio soll eines Tagesauch über UKW zu empfangen sein.
Das Multicult 2.0-Team ist mittlerweile auf rund 80 Personen angewachsen.
Alle arbeiten hier unentgeltlich. "Wir wollen aber später öffentliche
Gelder beantragen, um die Mitarbeiter finanziell entlohnen zu können", so
die Initiatorin Gabrin.
Vor allem von den ehemaligen Multikulti-Machern haben nicht alle einen
neuen Job. So auch König nicht. Die viele Freizeit könne er in das Projekt
investieren, weil seine Frau genug verdiene. Der Weltmusikspezialist, der
seine Hörer auf musikalische Entdeckungsreisen schicken will, ist trotzdem
gerne hier. "Es erinnert mich momentan an die Anfangszeit von Radio
Multikulti. Wir hatten damals zwar alle noch viel weniger Erfahrung, aber
man konnte experimentieren." Er schätzt den neu gewonnen Freiraum: "Jetzt
spiele ich gerne mal wieder einen Song, der länger als fünf Minuten geht",
sagt König, der vier Sendungen produziert. Ihm gefällt auch die größere
Nähe zum Hörer: während der Sendung kann nun gechattet werden. "Ich weiß
aber nicht, ob und wie lange ich es durchhalte, acht Stunden pro Woche zu
senden", sagt König. "Und zum Nulltarif oder zur Selbstausbeutung geht das
nicht auf Dauer."
22 Feb 2009
## AUTOREN
Franziska Böhl
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