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# taz.de -- Kottbusser Tor: Kampf um Bleiberecht für Junkies
> Rund 80 Anwohner demonstrieren für ein drogenfreies Kottbusser Tor. Doch
> Kiez-Aktivisten halten dagegen - sie wollen keine Verdrängung.
Bild: Die Anwohner am Kottbusser Tor hätten gerne mehr Gemüsehändler und wen…
Das Wetter am Kottbusser Tor ist frostig, die Stimmung erhitzt. Einige
halten Fotos von herumliegenden blutigen Spritzen in der Hand, andere
skandieren "Dealer raus!". Ein kleiner Mann erhebt sich aufs Podest und
klagt über die Verhältnisse am Kottbusser Tor: über die Spritzen im
Sandkasten, Dealer, die Kinder auf dem Schulweg ansprechen, aber auch die
Ignoranz der Stadtpolitiker: "In Kreuzberg leben viele Migranten, die nicht
wählen dürfen, und deswegen interessieren sie die Politiker nicht." Dabei
hätte die Politik am Bahnhof Zoo bewiesen, dass sie gegen die Drogenszene
etwas tun könne.
So wie einst der Bahnhof Zoo hat sich der "Kotti" über die Jahre hinweg zu
einem sozialen Brennpunkt entwickelt. Der Drogenhandel hat hier in den
90er-Jahren seine Wurzeln geschlagen, und die Präsenz von Dealern und
Junkies hat sich seitdem in das Kiezbild eingeprägt. Am Samstag gingen
deswegen rund 80 Anwohner auf die Straße und forderten auf ihrer Demo ein
drogenfreies Kottbusser Tor.
Der Sprecher der Initiative beendet seinen emotionalen Auftritt mit der
Forderung: "Reinigen Sie das Kottbusser Tor!" In dem Augenblick macht eine
kleine Gruppe ihre Unzufriedenheit über den Redner bemerkbar. "Junkies
bleiben, Yuppis vertreiben" steht auf einem ihrer Plakate. "Schlipsträger
nach Mitte", lautet ein anderer Slogan.
Die Aktivisten sind Anhänger der Kampagne "Wir bleiben alle", die gegen die
wirtschaftliche "Aufwertung" von Berliner Wohngegenden protestiert. Damit
gehe eine Verdrängung von sozial schwachen und Otto Normalmietern aus ihren
vertrauten Vierteln einher, so die Aktivisten. Auf ihrem Flyer beschreiben
sie den Zusammenhang zwischen dem Drogenproblem und der Verdrängung: Die
Aufwertung anderer Gegenden habe zur Verdichtung der Drogenszene am
Kottbusser Tor geführt. Sollte diese Tendenz sich fortsetzen, würde das
steigende Mietpreise zur Folge haben - die jetzigen Anwohner müssten
abwandern. "Die Eltern, die heute noch über Spritzen im Sandkasten klagen,
finden diese bald wieder am Rand von Berlin, wenn sie aus ihrer Wohnung
ausziehen mussten", heißt es im Text.
Die Atmosphäre zwischen den beiden Meinungsgruppen ist angespannt. Es wird
lautstark diskutiert, eine Einigung scheint kaum möglich. Auch unter den
protestierenden Anliegern herrscht kein Konsens über die Lösung des
Drogenproblems. Die Anwohnerinitiative "Mütter ohne Grenzen" ruft nach
polizeilicher Repression. "Junkies und Dealer vor den Reichstag" heißt ihre
Antwort auf die Frage, wohin mit der Szene. Andere halten die Verdrängung
der Drogenabhängigen auf lange Sicht hin für unrealistisch und sprechen
sich für eine Lösung des Problems vor Ort aus.
Klaus Buchelt, Mitglied des hiesigen Quartiersrats, plädiert für das
letztere Lösungskonzept: "Wenn man die Junkies vertreibt, kommen sie wieder
zurück. Wir müssen ein Hilfsangebot für Süchtige vor Ort schaffen, und zwar
rund um die Uhr." Der bald geschlossene Druckraum in der Dresdner Straße,
wo die Junkies saubere Spritzen und Suchtberatung erhalten konnten, habe
seinen Zweck nicht erfüllt, weil das Angebot mager ausgefallen sei: Nur
vier Stunden am Tag konnten sich die Fixer dort aufhalten.
Ob Buchelts Empfehlungen Erfolgschancen haben, ist noch ungewiss. Der
jüngste Vorschlag, eine Infrastruktur für Süchtige auf der Verkehrsinsel
unter der Hochbahn aufzubauen, wurde vom Bezirk abgelehnt.
ADÉLA JURECKOVÁ
23 Feb 2009
## AUTOREN
Adéla Jureèková
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