# taz.de -- Oscar-Verleihung in Los Angeles: Weltweite Unterhaltung | |
> Komödien und Blockbuster haben schlechte Chancen, ein Nazi-Drama und die | |
> globalisierte Ästhetik von "Slumdog Millionär" dagegen sind preiswürdig - | |
> so war die Oscar-Verleihung. | |
Bild: Bedankte sich für ihren Oscar aufgesetzt emotional: Kate Winslet. | |
Penélope Cruz hat in der Nacht auf Montag eine der Fragen gestellt, die | |
sich zu den "Oscars" jährlich wieder aufdrängen, aber nie für wichtig | |
befunden werden: "Ist eigentlich schon einmal jemand auf offener Bühne | |
ohnmächtig geworden?" Die Antwort ist: Nicht dass wir wüssten, aber wir | |
können uns da gar nicht so sicher sein, denn die Übertragung im Fernsehen | |
ist zwar "live", erfolgt allerdings mit einer kleinen Verzögerung. Der | |
"delay" ist so bemessen, dass ein kleiner Schwindelanfall, eine Prise | |
Riechsalz durchaus drin wären. Aber auch dieses Jahr hat sich wieder | |
erwiesen, dass, wer es zu einer Nominierung für einen Award der American | |
Academy bringt, dann in der Regel auch eine vertretbare "acceptance speech" | |
zusammenbringt, wenn es heißt: "And the Oscar goes to …" Penélope Cruz, als | |
beste Nebendarstellerin für ihre Rolle in Woody Allens "Vicky Cristina | |
Barcelona" ausgezeichnet, sprach anlässlich der Zeremonie von einem "Moment | |
der Einigkeit für diese Welt". | |
Das ist sicher optimistisch gedacht, zumal in diesem Jahr mit dem achtfach | |
ausgezeichneten "Slumdog Millionär" von Danny Boyle ein Film abräumte, der | |
sich durch eine durchaus kontroverse Form von global vereinheitlichter | |
Ästhetik auszeichnet. Aber natürlich schauen doch noch immer viele Menschen | |
hin und zu, in aller Welt und auch in Zeiten einer weltweiten Rezession, | |
die auch die jährliche Feier der American Academy prägte. Alles sollte in | |
diesem Jahr einfacher sein, tatsächlich aber gab es eine prunkvolle Feier | |
der neuen Bescheidenheit zu sehen. Hugh Jackman, der australische | |
Moderator, machte den besten Witz gleich zu Beginn, als er ankündigte, sein | |
nächster Film nach dem Schinken "Australia" würde das Epos "New Zealand" | |
werden - derzeit soll eben alles ein paar Nummern kleiner sein. Auch die | |
Erwartungen an den Abend waren heruntergeschraubt. | |
Keiner der nominierten Filme gilt als wegweisend für die Filmindustrie, | |
dagegen gab es zwei deutliche Hinweise darauf, dass Kernkompetenzen der | |
Hollywood-Industrie (der Blockbuster und die Komödie) bei den Oscars | |
vernachlässigt werden, während man mit einem Holocaust-Thema immer gute | |
Chancen hat, wie Kate Winslet früher einmal schnippisch bemerkt hat. Sie | |
wurde für ihre Rolle in "Der Vorleser" favorisiert und bekam den Preis auch | |
tatsächlich zugesprochen. Ihre Rede war aufgesetzt emotional, wie überhaupt | |
in den letzten Jahren die weiblichen Stars bei ihren Dankesreden sehr ins | |
Tränenfach tendieren. | |
Bei den Hauptdarstellern gab es eine der wenigen substantiellen | |
Überraschungen des Abends: Sean Penn ("Milk") erhielt gegenüber Mickey | |
Rourke ("The Wrestler") den Vorzug und nützte die Gelegenheit für ein | |
deutliches Statement zugunsten von "equal rights", was in diesem Fall | |
konkret heißt: das Recht auf Homosexuellenehe, um das in den USA - am | |
Sonntagabend bis vor die Türen des Kodak Theatres am Hollywood Boulevard - | |
ein Kulturkampf geführt wird. Schon zuvor hatte Dustin Lance Black, der für | |
"Milk" einen Oscar für das beste Originaldrehbuch bekam, in deutlichen | |
Worten in die gleiche Kerbe geschlagen. | |
Das liberale Hollywood-Establishment ist in diesem Jahr der Nation nicht | |
mehr so entfremdet wie in den letzten acht Jahren. Stattdessen scheint | |
Barack Obama mit der Ernsthaftigkeit, die er seit seiner "acceptance | |
speech" im vergangenen November an den Tag legt, die Academy doch deutlich | |
inspiriert zu haben. So setzte sich der japanische Beitrag "Departure" von | |
Yojiro Takita in der Kategorie bester fremdsprachiger Film gegen den | |
favorisierten "Waltz with Bashir" aus Israel, gegen Laurent Cantets "Die | |
Klasse", gegen den österreichischen Film "Revanche" und gegen "Der Baader | |
Meinhof Komplex" durch. Deutschland kam in einer der Nebendisziplinen doch | |
noch zum Zug: Jochen Alexander Freydank gewann mit "Spielzeugland" (eine | |
Variation zu Roberto Benignis "Das Leben ist schön") einen Oscar für den | |
besten Kurzfilm. Seine Dankesrede war kurz und pragmatisch - er wünschte | |
sich von dem Erfolg positive Nachwirkungen für seine "künftige Karriere". | |
Die Szene, auf die viele Zuschauer besonders gespannt gewartet hatten, | |
erwies sich dann als würdiges Andenken: Heath Ledger bekam postum einen | |
Oscar für seinen Auftritt als Joker in "The Dark Knight" zugesprochen. Sein | |
Vater, seine Mutter und seine Schwester nahmen die Trophäe entgegen. Es war | |
ein Moment der "Einigkeit", der einem Verlust geschuldet war, der wohl | |
weltweit als solcher empfunden wird. | |
24 Feb 2009 | |
## AUTOREN | |
Bert Rebhandl | |
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