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# taz.de -- Berliner Ökoporno-Aktivisten: Ficken für Wald in Ecuador
> Mit ihrer Porno-Wir-AG will ein skandinavisches Paar von Berlin aus den
> Regenwald retten. Nur: Von "Fuck For Forest" will sich mancher ungern
> helfen lassen.
Bild: Erotischer Umweltschutz? So präsentieren sich die Ökoporno-Aktivisten i…
Sie leben höhlenähnlich in einer Zweizimmerwohnung im "schicken"
Friedrichshain. In einem Stadtteil Berlins, wo die Dichte an Kinderwagen
extrem hoch ist. Es ist dunkel, die Menschen in der Wohnung sind nur als
Schatten durch Kerzenschein zu erkennen. Überall stehen Sachen herum,
überall Stolperquellen. In der Luft liegt ein süßlich-herber Geruch. So
lebt das Ökokollektiv von "Fuck for Forest", zu Deutsch "Ficken für den
Wald".
Die Skandinavier Leona Johansson und Tommy Hol Ellingsen gründeten ihr
Projekt 2004. Zu der Zeit erhielten sie dafür finanzielle Unterstützung von
der norwegischen Regierung. Sie strich die Gelder, nachdem sie herausfand,
womit es die Umweltschützer verdienen, nämlich mit Sex vor der Kamera. Vor
vier Jahren kamen sie dann ins Berliner Exil. Sie wurden in ihrer Heimat
wegen Sex in der Öffentlichkeit zu einer Strafe von 1.000 Euro verurteilt
und mussten fliehen. In Norwegen, wo das Paar lebte, sind deren Pornofilme
verboten.
Johansson und Ellingsen betreiben mit [1][fuckforforest.com] eine etwas
andere Porno-Internetseite. Bis zu 1.000 Mitglieder zahlen monatlich für
die Ökopornografie mit Botschaft. Das Geld, das sie damit verdienen, ist
für die Rettung des Regenwaldes bestimmt. 15 Dollar kostet der monatliche
Zugang zur Seite, davon sollen höchsten 3 Dollar für Verwaltungskosten
anfallen.
Schon seit Anbeginn des Internets gehen die virtuelle Welt und die
Pornografie Hand in Hand. Menschen mit sexuellen Einstellungen, Präferenzen
oder Identitäten, die nicht dem gesellschaftlichem Mainstream folgen,
finden im Internet ihre Plattform. Das Netz bietet somit die ideale
Möglichkeit zur Selbstdarstellung. Vor allem kostenlose
Amateur-Sex-Internetportale erfreuen sich dabei großer Beliebtheit. Fuck
For Forest will sich aber nicht als normale Pornoseite verstehen. Die
Botschaft sei das Wichtige.
Eine Botschaft, die nicht neu ist. "Lust, Sex und Politik gehören
zusammen", so ein altes Motto der 68er-Bewegung. Auch sie kämpfte mit
Nacktheit für eine bessere Welt. John Lennon und Yoko Ono, Vorbilder für
Johansson und Ellingsen, sorgten 1968 mit einem Plattencover für Furore:
Auf "Two Virgins" posierten sie nackt. In ihren legendären Happenings, den
Bed-ins, protestierten sie im Bett - allerdings im Pyjama - gegen den
Vietnamkrieg.
Auch heute noch werden Nacktheit und Sex politisch benutzt. Es gibt Körper
gegen Kriege, Babes against Bush, Breast not Bombs, Ständer im Widerstand
und Titten gegen Rassismus.
Fuck For Forest platziert sich genau hier - knallharter Sex mit politischer
Botschaft. "Natur und Sexualität werden ständig unterdrückt", sagt die
26-jährige Johansson. Dagegen wollen sie angehen. Das Ziel: Rette die Welt
und zeige die Schönheit der Sexualität! Deswegen sind die Bilder und Videos
auf [2][fuckforforest.com] amateurhaft, aber authentisch. Penetration mit
Möhren und Gurken, Gruppensex, homosexueller Sex - all das findet man auf
der Seite. Ständig wird der harte Sexualakt, ob im Freien, in Clubs oder in
der eigenen Wohnung, unterbrochen, um die politische Botschaft mit ernster
Miene zu verkünden: "Sex ist so gar nicht ökonomisch. Handelt! Rettet den
Regenwald", lautet eine, oder "Universelle Liebe sollte bedingungslos
sein", eine andere.
Es ist keine Hochglanzpornografie, und das soll es auch nicht sein. Aber
auch Fuck for Forest ist den gängigen Gepflogenheiten der Pornografie
unterworfen. Die Frauen haben alle rasierte Schamhaare, die Männer
ejakulieren auf den Gesichtern der Frauen. Doch es sind keine schönen
Aufnahmen mit Schauspielern, die wie Hollywoodstars aussehen. "Es sind
überwiegend unsere Freunde, die sich vor der Kamera ausziehen und Sex
haben", sagt die Schwedin, "wir bekommen aber auch E-Mails mit Bildern, die
dann auf unserer Seite landen." Es sind die freiwilligen Helfer, die Fuck
for Forest mit Bildmaterial beliefern. Keiner wird dafür bezahlt. Es sind
Menschen, die diesen Idealismus teilen oder einfach nur gerne Sex vor der
Kamera haben. Johansson und Ellingsen finden sie auf Partys, in der U-Bahn
oder bei ihren Performances.
Dass [3][fuckforforest.com] auch von Nutzern besucht wird, die sich nur
aufgeilen wollen, darüber ist sich Johansson im Klaren. "Natürlich schauen
sich Leute die Seite an und masturbieren dabei. Der andere Teil unterstützt
aber unsere Idee." Jede Woche präsentiert sich das Kollektiv in einer
Live-Webcam-Show. In der wird dann zum Beispiel mal vegetarisch gekocht.
"Wir wollen Menschen zeigen, wie sie richtig und gesund kochen, und das in
einer witzigen Art und Weise", sagt Johansson. Witzig bedeutet, es mit Sex
zu verbinden. Dabei penetrieren sie sich oft mit Gemüse. Mit organischem,
wie sie betont. An dieser Stelle sieht sich das Kollektiv in der
Verantwortung. Sie wollen Menschen zur gesunden Ernährung erziehen. Wenn es
um das Thema Sex ohne Kondom (auch "barebacking" genannt) geht, hört der
erzieherische Tatendrang auf. "Tommy und ich treiben es ohne Gummi. Wenn
wir aber mit anderen Partnern Sex haben, benutzen wir schon welche", sagt
Leona Johansson.
Sie würde aber bei Orgien nicht den Leuten verbieten, ohne Kondom Sex zu
haben - das müsse jeder selbst entscheiden. Die Videos und Bilder davon
dann auf ihre Seite zu stellen, damit habe sie keine Probleme. Auf ihrer
Seite wird nämlich Pornografie richtig verwendet.
Wie Sex falsch eingesetzt wird, sieht die 26-Jährige vor allem, wenn es um
die Vermarktung von Produkten gehe. Johansson ärgert sich darüber. Dem
Vorwurf, sie würden mit Fuck for Forest aber auch absichtlich provozieren
und Sex als Marketingwaffe benutzen, widerspricht sie gewaltig: "Es ist ein
Spiel. Wir wollen Spaß haben und zeigen, dass Sex schön ist. Unser Ansatz
ist authentisch." Zur Echtheit gehört dann auch, ohne Unterhose durch
Berlin zu laufen, in der U-Bahn ihre Brüste zu entblößen, in der
Öffentlichkeit zu vögeln und auf Spielplätzen ohne Unterwäsche die Rutsche
runterzugleiten.
Doch nicht jeder freut sich über den Ökoaktivismus, sie stoßen oft auch auf
Widerstand. Feministinnen werfen ihnen vor, wie der Hochglanzpornografie
übrigens auch, die Frauen zu unterdrücken und als Sexobjekte zu
missbrauchen. Sie werden häufig beschimpft. Meist glaubt man ihren
Rette-die-Welt-Aktionismus nicht und hält sie für ganz normale
Exhibitionisten, die es gerne vor der Kamera treiben und die Welt daran
teilhaben lässt. Auch ihr "hart erarbeitetes" Geld will keine Organisation
annehmen. Die norwegische Regenwaldstiftung lehnte die Spende ab, nachdem
Johansson und Ellingsen im Sommer 2004 mit vollem Körpereinsatz auf der
Bühne eines Rockfestivals für ihr Projekt warben und daraufhin festgenommen
wurden. Auch der niederländische und norwegische World Wilde Fund For
Nature (WWF) schlug das Geld aus. In dem Schreiben - das auf der Seite
nachzulesen ist - hieß es dazu: "Wegen unserem Grundsatz können wir unseren
Markenname und Logo nicht mit manchen Organisationen koppeln." Den
Regenwald durch den Verkauf von Bierkästen zu retten, scheint dem deutschem
WWF allerdings nicht zu stören. Dass der Akt des Ökoporno-Aktivismus nicht
jedem gefalle, würde noch mehr für unsere unterdrückte Gesellschaft
sprechen, sagt Johansson. Doch wohin mit dem Geld? Laut eigenen Angaben
fließen die Einnahmen jetzt in ein Wiederaufforstungsprojekt in Ecuador.
Auf der Internetseite des SeedsDream Reforestation Project wird Fuck For
Forest als Beitragszahler aufgelistet. In Costa Rica hat das Paar sogar
Land gekauft und will dort tatkräftig werden. Jetzt gerade sei eine Gruppe
ihrer Porno-Umweltschützer in Brasilien, um nach neuen Projekten Ausschau
zu halten. Die Mitglieder der Internetseite werden in Onlinetagebüchern und
durch Fotos über die Entwicklungen laufend informiert. Wirklich überprüfbar
ist das allerdings nicht.
Wie die Pornos entstehen? "Wir planen nicht. Es passiert alles spontan",
sagt Johansson. Ein wenig naiv und weltfremd ist das schon. Die Aktivisten
lassen sich komplett von der Lust leiten. Fakt ist: Mit ihren Ökopornos
sorgen sie für Aufsehen. Ob das reicht, um den ganzen Regenwald zu retten?
Wohl kaum. Um den eigenen Exhibitionismus zu befriedigen, aber allemal.
25 Feb 2009
## LINKS
[1] http://fuckforforest.com/
[2] http://fuckforforest.com/
[3] http://fuckforforest.com/
## AUTOREN
Enrico Ippolito
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