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# taz.de -- Rechte Katholiken hetzen im Internet: Kreuzritter der Dummheit
> Auf der Webseite kreuz.net hetzen katholische Rechte gegen Juden und
> erklären Homosexualität für heilbar. Die Autoren bleiben anonym, die
> katholische Kirche ist machtlos.
Bild: Hass, Homophobie und Holocaustleugnung: kreuz.net propagiert einen mittel…
BERLIN taz Der ehemalige Piusbruder Richard Williamson hat noch Freunde.
Die outen sich freilich nicht öffentlich. Williamsons Freunde klicken und
kommentieren sich durch das Web 2.0. Sie sind der braune Bodensatz der
katholischen Traditionalisten. Die Anonymität des Internets bietet ihnen
Schutz. Eine ihrer bevorzugten Seiten ist www.kreuz.net, eine
deutschsprachige Website für "katholische Nachrichten". Hier gilt
Williamson als Held, jeder Kritiker ein "Kirchenhasser" oder "Judas".
Im Fall Williamson wetterte kreuz.net gegen die "Kirchenhasser im
Vollrausch". Gemeint sind die deutschen Medien, die "verleumden, schänden,
vertreiben und verfolgen". Williamson habe nichts verbrochen, sondern
lediglich "kritische und sachliche Anfragen an die angeblichen Gaskammern"
gestellt, behaupten sie.
Unter dem Pseudonym "Leon Degrelle" kommentiert ein Leser, Williamson
verdiene jede Unterstützung: "Kampf bis zum Ende. Gott mit uns! Gott will
es!" Ein anderer Artikel ist überschrieben mit "Lange lebe der ,Antisemit'
".
Obwohl die meisten Beiträge von Unbekannten verfasst werden, publizieren
doch einige wenige regelmäßig unter Klarnamen. Es sind wohl jene, die
nichts mehr zu verlieren haben. Einer von ihnen ist Johannes Lerle - der
verurteilt wurde, weil er den Holocaust geleugnet hat. Auf kreuz.net darf
er ungehindert gegen die "Nachkommen der Pharisäer" hetzen, gemeint sind
"die Juden", die "nach der Weltherrschaft streben". Das ist Antisemitismus
pur. Der Autor Leo G. Schüchter setzt noch einen drauf: Der "sogenannte
Holocaust" sei zu einer "modernen Zivilreligion" geworden, einer "Erfindung
jüdischer Kreise in den USA". Diese üble Weltsicht veröffentlichen? Auf
kreuz.net kein Problem!
Es wird gelogen, verleumdet und gehetzt gegen alles, was nach Meinung der
Macher und Autoren nicht ihrer ganz persönlichen pervertierten Form des
Katholizismus entspricht: Juden, Liberalität und Homosexualität. Trotzdem
oder gerade deswegen hat die Seite eine gewisse Bekanntheit auch über das
katholische Traditionalistenlager hinaus. Und die Userzahlen steigen: Nach
Angaben des Internet-Statistikdienstes Alexa Internet ist die Anzahl von
Nutzern, die kreuz.net besuchen, in den letzten drei Monaten um 61 Prozent
gestiegen. 69 Prozent der Besucher kommen aus Deutschland. Die Hetzseite
ist kein Nischenportal.
Die Amtskirche ist machtlos, kann sich nur distanzieren. Matthias Koop,
Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz: "Was kreuz.net
veröffentlicht, ist schlimm und entbehrt jeder Grundlage." Der Begriff
"katholische Kirche" werde missbraucht. "Kreuz.net gehört nicht zu uns."
Selbst Würdenträger der katholischen Kirche sind vor Anfeindungen nicht
gefeit. Der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky übte Kritik am Papst und
wurde auf der Website zum "Judas von Berlin" erklärt. Pfarrer, die sich um
die Belange Homosexueller kümmern, diffamiert kreuz.net gerne als
"Homopfarrer". So geschehen im Fall von Christoph Simonsen,
Hochschulpfarrer in Aachen. Er ist vom Bischof von Aachen beauftragt,
homosexuelle Menschen und ihre Angehörigen seelsorgerisch zu begleiten. Das
schließt die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und das
regelmäßige Feiern sogenannter Queer-Gottesdienste ein. Für die
fortschrittsresistenten Internet-Kreuzritter ist das ein Skandal. Sie
schimpfen über "homoideologisch verbrämte Gottesdienste". Homosexualität
sei "eine Entwicklungsstörung", zurückzuführen auf Probleme in der Familie
und "heilbar".
Die Beschimpfungen gehen über die Artikel hinaus: "Leute schreiben mir
E-Mails, die unter die Gürtellinie gehen", berichtet Simonsen. Ihm sei
einmal vorgeworfen worden, er würde perversen Menschen die Heilige
Kommunion in die Hand geben, mit der sie zuvor in Form von "Analfisten"
unwürdige Körperstellen berührt hätten. "Das ist unterhalb jeden Niveaus.
Die werden von mir ignoriert." Interessant sei allerdings, wundert sich der
52-Jährige, dass die Absender diese Praktiken offensichtlich kennen würden.
Auswirkungen auf seine Arbeit haben die Beschimpfungen aber nicht: "Ich
weiß, dass bei uns im Bistum diese Seite völlig ignoriert wird. Mein
Dienstvorgesetzter wird auf Informationen, die über kreuz.net gehen, nicht
reagieren", stellt Simonsen klar. Es sei einfach eine "kleine Gruppe von
ewig Gestrigen voller Frust". Er sei gerne bereit, sich mit ihnen zu
unterhalten, aber: "Dann müssen sie sich mir von Angesicht zu Angesicht
zeigen."
Doch hier liegt das Problem. Nicht nur die Autoren und Kommentatoren
bleiben in den meisten Fällen anonym, auch die Betreiber der Website sind
unbekannt. Laut Impressum ist kreuz.net "die Initiative einer
internationalen privaten Gruppe von Katholiken in Europa und Übersee, die
hauptberuflich im kirchlichen Dienst tätig sind". Eine Adresse ist im
Impressum auch angegeben: im kalifornischen El Segundo. Hier steht auch der
Server der Hetzseite.
Die Leugnung der Vernichtung der Juden steht dort in den USA nicht unter
Strafe. So können die rechten Traditionalisten außerhalb des deutschen
Rechtsraums ihr Unwesen treiben. Auf Anfrage der taz, wer für die Seite
verantwortlich zeichnet, antwortet kreuz.net lapidar: "Grüß Gott. Kreuz.net
gibt leider keine Interviews."
So vereitelt die Anonymität die mögliche strafrechtliche Verfolgung. Ist
der Website-Administrator unbekannt, kann auch die Identität der Autoren
nicht ermittelt werden. Beide entgehen der Anklage. Liegt der Server in den
USA, kann die Seite nicht einfach von deutschen Behörden abgeschaltet
werden.
Warum das so ist erklärt Professor Thomas Hoeren, Leiter des Instituts für
Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Uni Münster: "Man
könnte ein deutsches Gericht dazu bringen, ein Verfahren einzuleiten und
ein Urteil zu sprechen." Die Homepage von kreuz.net sei schließlich auf den
deutschen Bereich ausgerichtet. Das Problem sei aber, die amerikanischen
Behörden dazu zu bringen, das Urteil zu vollstrecken: "Die werden jedwede
Zusammenarbeit ablehnen", so Hoeren. "Die USA schützen die Meinungsfreiheit
als absolutes Rechtsgut. Holocaustleugnungen sind dort straffrei."
David Berger beschäftigt sich mit kreuz.net, seit die Website im Internet
steht. Der Gymnasiallehrer und Herausgeber der Zeitschrift Theologisches
meint zu wissen, wer dahintersteckt: "Ich habe den Eindruck, dass die Seite
aus dem Umkreis der Pius-Bruderschaft gemacht wird." Bevor kreuz.net
auftauchte, habe es eine vergleichbare Website der Pius-Bruderschaft
gegeben. Die habe die gleichen Thesen vertreten und sei von einem ihrer
Brüder betreut worden. Da sie der Pius-Bruderschaft zu heiß geworden sei,
wurde sie eingestellt, berichtet der 41-Jährige. Kurz danach sei kreuz.net
aufgetaucht. Berger: "Ich vermute, dass der harte Kern dort weitergemacht
hat."
Die so Beschuldigten streiten die Vorwürfe gegenüber der taz ab: "Mit der
Internetseite haben wir nichts zu tun", erklärt Pater Gaudron, Beauftragter
der Pius-Bruderschaft für theologischen Disput. So steht Aussage gegen
Aussage, beweisen lässt sich keine. Fest steht allerdings, dass sich die
auf kreuz.net verbreiteten Positionen mit denen der Pius-Bruderschaft immer
wieder decken. Beispielsweise die Vorliebe für klassische Liturgie oder die
Ablehnung Homosexueller.
Fest steht auch: Würde es gelingen, die Macher von kreuz.net zu entlarven,
könnte die Seite ein Fall für die Justiz werden. In Deutschland steht es
schließlich unter Strafe, die Vernichtung der Juden zu leugnen. Mit
Meinungsfreiheit hat das nichts zu tun.
11 Mar 2009
## AUTOREN
Janusz Biene
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