# taz.de -- Zerreißprobe im Kongo: Parlament gegen Präsident | |
> Der Streit über den wachsenden Einfluss ausländischer Armeen im Kongo | |
> führt das Land an den Rand einer Staatskrise. | |
Bild: Autorität in Gefahr: Kongos Präsident Kabila fordert den Rücktritt sei… | |
KINSHASA taz Oberflächlich läuft alles bestens in der Demokratischen | |
Republik Kongo: der triumphale Einzug der Fußball-Nationalmannschaft in | |
Kinshasa nach ihrem Gewinn der Afrika-Meisterschaft CHAN bescherte der | |
Hauptstadt am Mittwochabend den größten Volksaufmarsch seit Jahren, und im | |
kriegsgeschüttelten Osten des Landes haben Regierung und Präsident diese | |
Woche demonstrativ Präsenz gezeigt, Symbol einer als gelungen dargestellten | |
Befriedung. Aber öffentlich wird die Befriedungspolitik der Regierung vor | |
allem als Ausweitung der Einflussnahme des Auslands kommentiert: Ruanda | |
durfte im Januar und Februar im Ostkongo einmarschieren, um Milizen zu | |
bekämpfen; Ugandas Truppen jagen im Nordosten ugandische Rebellen; und im | |
Westen Kongos haben Einheiten aus Angola mehrere Gemeinden besetzt. Das | |
schmälert den nationalistischen Fußballjubel erheblich. | |
Wenn ab Montag Kongos Parlament aus den Winterferien zurückkommt, werden | |
diese Probleme das Land in eine Staatskrise führen. Parlamentspräsident | |
Vital Kamerhe wehrt sich vehement gegen Rücktrittsforderungen aus dem Lager | |
des Präsidenten Joseph Kabila, und somit wird Kongos Politik ab jetzt | |
wieder von einem Machtkampf zwischen Staatschef und Legislative bestimmt, | |
wie er bereits in den 90er-Jahren in der Spätphase der Mobutu-Diktatur zum | |
blutigen Scheitern des ersten Versuchs einer Demokratisierung des damals | |
noch Zaire genannten Kongo geführt hatte. | |
Vital Kamerhe hatte sich im Januar lautstark darüber beschwert, dass Kongos | |
Militärvereinbarungen mit Ruanda am Parlament vorbei geführt wurden. 262 | |
der 500 Abgeordneten unterschrieben damals eine Forderung nach einer | |
Sondersitzung des Parlaments, obwohl Kabilas Regierungsbündnis AMP (Allianz | |
der Präsidialen Mehrheit) eine satte Mehrheit im Parlament hält. Weil | |
Kamerhe dazu ermutigte, obwohl er zur AMP gehört, sieht das | |
Präsidentenlager in ihm nun einen Verräter und fordert seinen Kopf. | |
Die meisten Kollegen Kamerhes in der Parlamentsleitung haben ihre Ämter | |
bereits niedergelegt und sogar ihre Dienstwagen zurückgegeben, aber Kamerhe | |
sowie ein Stellvertreter weigern sich und sagen, nur die Abgeordneten | |
selbst könnten die Parlamentsleitung absetzen. Kamerhe wird also demnächst | |
vor den versammelten Abgeordneten formell seinen Rücktritt erklären - und | |
zugleich eine Abstimmung darüber fordern, in der Hoffnung, dass das | |
Parlament seinen Verbleib im Amt beschließt. | |
Falls ihm das gelingt, hätte Kamerhe die Präsidentenallianz AMP gespalten | |
und sich selbst mit einer Parlamentsmehrheit im Rücken zum wichtigsten | |
Herausforderer des Staatschefs gemacht. Dann könnte Kabila gezwungen sein, | |
vorgezogene Neuwahlen auszurufen, um seine Autorität wiederherzustellen. | |
Falls Kamerhe scheitert und zurücktreten muss, wird er durch einen | |
handzahmen Politiker ersetzt. Dann will die parlamentarische Opposition vor | |
Gericht Verfassungsklage erheben. In beiden Fällen wird das | |
Regierungshandeln innerhalb der gewählten Institutionen blockiert sein und | |
das informelle, sehr mächtige Beraterkabinett des Präsidenten gewinnt noch | |
mehr Gewicht als jetzt. | |
Eigentlich sind Kabila und Kamerhe alte Freunde. Kamerhe kommt aus der | |
gleichen Region Ostkongos wie die Präsidentengattin Olive Lembe, und bei | |
den Wahlen 2006 war er der demagogische Aufputscher bei Kabilas Auftritten. | |
Aber in jüngster Zeit hat er den Eindruck erzeugt, er wolle Kabila beerben, | |
und er gilt als das letzte Schwergewicht aus Ostkongo, das sich gegen den | |
Präsidenten stellen kann. Das tut man im Kongo nicht ungestraft. | |
13 Mar 2009 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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