Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- ARD-Vierteiler "Kriegskinder": Mit Kinderaugen
> Der ARD-Vierteiler "Kriegskinder" (jew. Mo., 21.00 Uhr) beleuchtet nicht
> nur das Leid der vom NS-Staat Verführten, sondern auch der Opfer im
> Ausland.
Bild: Dem Trauma der NS-Opfer auf der Spur: Szene aus "Kriegskinder".
Als der gebürtige Dessauer Dieter Hallervorden noch in der elterlichen
Wohnung den Krieg mit seiner Kompanie von Wehrmachtssoldaten bloß spielte,
war der für Stephanie Santamaria schon grausame Realität. Als Dreijährige
musste sie im französischen Abbeville mit ansehen, wie die deutsche
Luftwaffe 1940 auch ihr Wohnhaus zerbombte.
Sie verlor bei dem Angriff Mutter und Schwester, der Vater blieb zunächst
verschwunden. Stephanie selbst überlebte schwer verletzt, im Krankenhaus
musste ihr allerdings ein Arm amputiert werden. Den Augenblick, als sie ihr
Vater im Hospital besuchte, wird sie nie vergessen: Ohne Arm fühlte sie
sich wie eine zerbrochene Puppe und befürchtete, dass ihr Vater sie nun
nicht mehr lieben würde.
Welche tiefen Wunden der Verlust der eigenen Familie hinterlässt, hat auch
Jan Kapinski traumatisch erfahren müssen. Als 12-Jähriger wurde er nach dem
Überfall auf Polen mit seinen Verwandten und jüdischen Leidensgenossen im
Krakauer Getto von den deutschen Besatzern zusammengepfercht. Als Einziger
seiner Familie konnte er unter glücklichen Umständen fliehen und den
Holocaust in Frankreich und später in den USA überleben - geblieben sind
bis heute die Erinnerungen an seine Kindheit und eine bittere Erkenntnis:
"Das Gefühl der Einsamkeit wird mich bis zum Tod nicht verlassen."
Es gehört fraglos zu den Vorzügen des Vierteilers "Kriegskinder", dass die
neue ARD-Reihe nicht nur das Leid der vom NS-Regime verführten
Heranwachsenden konturiert, sondern auch beleuchtet, wie Kinderaugen in
England, Frankreich, Polen oder der Sowjetunion die Barbarei und den Terror
deutscher Armeen sahen.
So stellt Martin Hübner in diesem Gemeinschaftsprojekt von MDR und SWR in
der Auftaktfolge "Vater muss jetzt an die Front" nicht von ungefähr die
Euphorie und den Schulalltag von Pimpfen und BDM-Mädels jenen Erfahrungen
gegenüber, die ihre Altersgenossen anderswo in Europa machten. Dieses
Konzept ist schon deshalb erhellend, weil die Zeitzeugen fast durchweg mit
Blick auf die Atmosphäre im Dritten Reich und die Militarisierung des
Denkens auskunftsfähig sind. Wenn etwa Helfried Israel in seinen alten
Schulheften blättert, finden sich dort in der etwas ungelenken Schönschrift
eines Erstklässlers Worte wie "Westwall", "Bunker" oder "Tod".
So sorgfältig Zeitzeugen und das ergänzende Archivmaterial zusammengestellt
werden, hinterlässt dieser Vierteiler unterm Strich allerdings einen
ambivalenten Gesamteindruck. Das liegt weniger daran, dass hier auf
historische Experten vor der Kamera verzichtet wurde. Negativ fällt eher
ins Gewicht, dass sich das Vertrauen der Autoren in die eigene Recherche
leider in Grenzen hält: So kann Hübner in der Auftaktfolge nicht auf
überflüssige Nachinszenierungen verzichten und neigt leider auch dazu, die
Kommentare seiner Protagonisten nochmal mit anderen Worten zu wiederholen
oder auf standardisierte Formulierungen ("Wir sehr dieser Tag das Leben
verändern wird, ahnt der Pimpf damals nicht") zurückzugreifen. Das ist
schon deshalb schade, weil seinem Beitrag dadurch ein Teil seiner
atmosphärischen Dichte genommen wird.
15 Mar 2009
## AUTOREN
Rainer Braun
## TAGS
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg
## ARTIKEL ZUM THEMA
Der Zweite Weltkrieg wirkt nach: Schatten der Vergangenheit
Wunden, die nicht heilen: Im Museumsquartier Osnabrück leitet Thorsten
Heese das „Forum Kriegskinder und Kriegsenkel“. Die NS-Zeit, zeigt es,
wirkt noch immer nach.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.