# taz.de -- US-Zeitungskrise: Zeitung zwangsgeräumt | |
> Der "Seattle Post-Intelligencer" erscheint seit gestern nur noch online - | |
> von 150 Redakteuren müssen 130 gehen. | |
Bild: Die größte Zeitung der USA gibt seine Druckausgabe auf. | |
Es ist die bislang größte Zeitung der USA, die künftig nur noch online | |
erscheinen soll: Der Seattle Post-Intelligencer, kurz P-I, gab am Dienstag | |
nach fast 150-jährigem Erscheinen seine Druckausgabe auf. Das Blatt | |
erreichte bislang sechsstellige Auflagenzahlen: 127.000 in der Woche, | |
sonntags 420.000. Der Besitzer des P-I, der angeschlagene Großverlag | |
Hearst, hatte zuvor versucht, das Blatt zu verkaufen - eine entsprechende | |
Deadline verstrich ergebnislos. | |
Von einer journalistischen Mannschaft mit 150 Personen bleiben nach dem | |
Kahlschlag auf seattlepi.com nur 20, von denen erwartet wird, dass sie | |
schreiben, redigieren, Fotos machen, Videos aufnehmen und | |
Multimedia-Features zusammenstellen, wie Michelle Nicolosi sagte, die | |
künftig als "Executive Producer" die Website leiten wird. Sie gehörte zuvor | |
zur P-I-Chefredaktion. | |
Nicolosi gab offen zu, was das Ziel des neuen Angebots ist: Hearst wolle in | |
Seattle experimentell prüfen, ob Onlinelokaljournalismus profitabel möglich | |
ist. Im letzten Jahr war der P-I mit insgesamt 14 Millionen Dollar in den | |
Miesen; schon allein die radikale Redaktionsverkleinerung und das Ende der | |
Druckkosten dürften enorme Einsparungen bringen. Bezahlinhalte sind | |
anfänglich wohl nicht geplant - zu Nicolosis ersten Amtshandlungen gehörte, | |
20 zusätzliche Vermarkter für den Onlinewerbeverkauf einzustellen. Damit | |
gibt es genauso viele Mediaberater wie Journalisten. | |
Inhaltlich können sich die Leser bereits auf eine Umstellung gefasst | |
machen. So sollen künftig Texte, die "von prominenten Bürgern aus Seattle | |
stammen", darunter Abgeordnete und ehemalige Gouverneure, als mindestens so | |
wichtig gelten wie Eigenmaterial. Übernahmen aus anderen Hearst-Blättern | |
sollen als Füllmaterial dienen, außerdem will man im Stil des erfolgreichen | |
Blog-Netzwerkes Huffington Post Geschichten anderer Medien verlinken. | |
Einige bekannte Redaktionsmitglieder wie Kolumnist Joel Connely oder | |
Cartoonist David Horsey sollen an Bord bleiben, andere Inhalte von | |
Exredakteuren regelmäßig zugeliefert werden. | |
In Seattle bleibt nach dem Print-Aus bei P-I immerhin noch die größere | |
Seattle Times übrig, die zu 49,5 Prozent der ebenfalls durch die Rezession | |
angeschlagenen Zeitungsgruppe McClatchy gehört. Die Times erschien seit den | |
Achtzigerjahren in Zusammenarbeit mit dem P-I und teilte sich mit dem | |
Hearst-Blatt Anzeigenabteilung, Produktion und Marketing, blieb | |
redaktionell aber unabhängig. | |
Die erste Stadt der USA, in der es keine ernsthafte Tageszeitung mehr gibt, | |
könnte unterdessen San Francisco werden. Dort steht der ebenfalls zur | |
Hearst-Gruppe gehörende Chronicle vor dem Aus. Den Gewerkschaften wurde mit | |
Schließung gedroht, sollten sie nicht deutliche Zugeständnisse machen. Das | |
Blatt soll im vorigen Jahr 50 Millionen Dollar Verlust gemacht haben. San | |
Francisco gilt als Tor zum Silicon Valley - nirgendwo in den USA wird das | |
Internet mehr genutzt als hier. Engagierte Bürger gründeten als Reaktion | |
auf das drohende Ende des Chronicle das spendenfinanzierte | |
Lokaljournalismusprojekt Public Press. Es erscheint zunächst nur online, | |
die Macher schließen aber auch eine Printfassung nicht aus. | |
BEN SCHWAN | |
18 Mar 2009 | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
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