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# taz.de -- Unterirdischer Zoo: Der Mull, ein Rüpel
> Der Zoo Osnabrück eröffnet heute seine unterirdische Abteilung. Sie zeigt
> Bodenbewohner in ihrer natürlichen Umgebung. Kritik kommt von
> Tierschützern, die sich um die Graumull-Population sorgen. Der Verwandte
> des noch hässlicheren Nacktmulls schüchtert seine Artgenossen gerne ein.
Bild: Nein, das ist kein Mull. Der ist viel hässlicher.
Durch eine Schiebetür geht es hinab ins Dunkel. Schließt sich die Tür,
sieht man erst einmal gar nichts, die Luft ist warm, fast ein bisschen
stickig. Einige Sekunden braucht es, bis sich die Augen ans Dämmerlicht
gewöhnen. Vor einem gabeln sich zwei Stollen, die in ein labyrinthartiges
Gängesystem führen, beleuchtet nur mit wenigen Grubenlampen. Stützbalken an
den Seiten, Baumwurzeln, die scheinbar aus der Decke herunterwachsen - ein
bisschen marode wirken die Gänge. "Das soll so sein", sagt Lisa Simon,
Sprecherin des Zoos Osnabrück. "Ist aber alles sicher."
Heute ist die offizielle Eröffnung von Deutschlands erstem unterirdischer
Zoo in Osnabrück. Es ist eine Erlebnisausstellung mit zwölf Tierarten auf
500 Quadratmetern, an den Wänden der Stollen ist das unterirdische
Tierreich quasi im Querschnitt zu sehen: Durch Gucklöcher lassen sich
exotische Nager wie Nacktmulle, Präriehunde und Coruros, aber auch
heimische wie Feldmäuse und -hamster direkt in ihren Gängen, Höhlen und
Nestern beobachten. Anders als in den meisten Zoos werden sie in Osnabrück
nicht in Terrarien gezeigt, sondern in Nachbauten ihres natürlichen
Lebensraums. BesucherInnen sehen nicht die kompletten Gehege, hinter den
Kulissen haben die Tiere Rückzugsflächen, in denen sie ungestört sind. "In
Terrarien sind die Tiere zwar immer zu sehen, aber sie verhalten sich nicht
wie in der Natur", erklärt Tierpfleger Christian Koopmann. Die drei Coruros
etwa, eher unbekannte Verwandte des Meerschweinchens aus Chile, hätten sich
nach ihrem Einzug nur langsam in die Gänge vorgewagt. So etwas kannten sie
nicht - Sie lebten zuvor in Essen, und dort wurden sie in Terrarien
gehalten.
Ursprünglich war in Osnabrück nur ein Verbindungstunnel zwischen dem Zoo
und dem benachbarten Naturkundemuseum geplant. Die physische Verbindung ist
auch zu einer thematischen geworden: Das Naturkundemuseum zeigt die
Dauerausstellung "Unterwelten", nebenan im unterirdischen Zoo lässt sich
beobachten, wer in den Unterwelten lebt. "Wir wollen hier für den Schutz
des Lebensraumes Boden sensibilisieren, indem wir ihn begehbar machen", so
Simon zum Konzept. Dazu wurden die Wände der Stollen immer entsprechend der
Bodenart gestaltet, in der das jeweils ausgestellte Tier auch in der Natur
lebt: Schwarzerde für den heimischen Feldhamster beispielsweise und
rötlicher Sandboden für die Nacktmulle, die aus Afrika stammt. Auch die
heimische Ratte lebt im unterirdischen Zoo in naturgetreuer Kulisse: Für
sie wurden die historische Abwasserkanäle Osnabrücks aus dem 12.
Jahrhunderts nachgebaut. 1,2 Millionen Euro hat der Bau gekostet, mit knapp
900.000 Euro förderten die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, die Allianz
Umweltstiftung und die Niedersächsische Lottostiftung die Ausstellung.
Die Zusammenarbeit zwischen Zoo und Museum zeigt sich auch bei der
Didaktik: Statt der für Zoos typischen Schautafeln werden Informationen zu
den einzelnen Tierarten multimedial mit Hörstationen und Computerterminals
vermittelt. Tierische Szenen, die im Zoo nicht zu sehen sind, zeigt das
Drei-Seiten-Kino aus unterschiedlichen Perspektiven auf drei Leinwänden.
Während etwa auf der einen Leinwand eine Maus scheinbar ungestört
herumwuselt, zeigen die beiden anderen eine Eule, die die Maus ins Visier
nimmt, zum Sturzflug ansetzt und sie schließlich mit einem großen Schluck
verspeist.
Auch der Maulwurf wird momentan nur medial in der so genannten
Maulwurfshöhle gezeigt. "Die Haltung und Nachzucht von Maulwürfen ist eine
echte Herausforderung", erklärt Zoodirektorin Susanne Klomburg. Da komme es
auf Futtermix, Temperatur, Bodenbedingungen und Feuchtigkeit an. "Wir
arbeiten uns da erst noch ein, wir wollen hier ja keine Tiere verheizen",
so Klomburg. Ende des Jahres werden die ersten Maulwürfe im Zoo erwartet,
bis dahin gibt es Attrappen und Filme zu sehen. Mit einer Simulation kann
man sich zudem ganz in den Maulwurf einfühlen: Während man ein Laufgerät
bedient, buddelt sich auf einem Bildschirm ein Maulwurf durchs Erdreich -
so schnell oder langsam, wie man selbst sich abstrampelt.
Kritik am unterirdischen Zoo gibt es vor allem wegen der Auswahl der
Tierarten. Man setze in Osnabrück eher auf den "Exotenbonus" als auf
Artenschutz, so der Sprecher des Deutschen Tierschutzbundes, Steffen Beuys.
Von den insgesamt zwölf gezeigten Tierarten stehe einzig der Feldhamster
unter Artenschutz.
Zoosprecherin Simon sagt dazu, dass der Artenschutz bei der Entwicklung des
unterirdischen Zoos nicht "vordergründig" gewesen sei, sondern eben das
Thema Bodenschutz. "Wir hoffen, dass durch die Tiere ein direkter Bezug
dazu entsteht."
Bei der Gestaltung der Tiergehege sei sehr großzügig kalkuliert worden,
erklärt Direktorin Klomburg. Besonders bei den Nacktmullen gäbe es "enormen
Raum hinter der Kulisse". Die fünf bis fünfzehn Zentimeter kleinen Nager
sind äußerst agil, gleichzeitig aber sehr lärmempfindlich und brauchen viel
Rückzugsfläche.
Schön anzusehen sind die Nacktmulle nur bedingt: Bis auf einzelne Borsten
ohne Fell, runzelige Haut, winzige Schlitzaugen und Ohren, dafür aber
überdimensional große Zähne, mit denen sie sich durch die Erde schaufeln.
Interessant macht sie vor allem ihr Sozialverhalten. Ähnlich wie viele
Insektenarten bilden sie Staaten mit einer Königin, die mit ihrem
Männerharem den Nachwuchs produziert. Der Rest der Kolonie besteht aus
Soldaten und Arbeitern. Der Umgang der Osnabrücker Nacktmulle untereinander
ist wenig zimperlich: Nicht selten ziehen sie sich am Schwanz durch die
Gänge. "Das ist nicht untypisch, die sind schmerzunempfindlich", sagt
Tierpfleger Koopmann. "Da holt sich dann ein Soldat einen Arbeiter zum
Buddeln."
In der Natur leben Nacktmulle in Kolonien von bis zu 300 Tieren, in
Osnabrück gibt es eine Achter-, eine Vierer- und eine Zweiergruppe.
Graumulle, etwas größere und behaarte Verwandte der Nacktmulle, gibt es in
Osnabrück nur drei. "Für eine Zuchtgruppe eine recht kleine Zahl", so
Tierschutzbund-Sprecher Beuys. Sollte ein Tier sterben, könne das für den
Bestand problematisch werden.
Zoodirektorin Klomburg sieht das anders. Fruchtbar seien immer nur die
Königin und ihr Harem. Ihre aggressive Dominanz wirke sich auf den
Hormonhaushalt und die Fruchtbarkeit der anderen Mulle aus. Stirbt die
Königin, werde ihre Nachfolge durch Kämpfe ausgehandelt. Die Siegerin werde
fruchtbar und sorge für den Fortbestand der Kolonie. "Da sieht man mal, was
die Psyche mit dem Körper machen kann."
25 Mar 2009
## AUTOREN
Teresa Havlicek
Teresa Havlicek
## TAGS
Schmerzen
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