# taz.de -- Digitalisiertes Wissen: Open Access oder "Open Enteignung"? | |
> Wie soll der Zugang zu digitalem Wissen aussehen? Nach einem taz-Text ist | |
> in den Blogs ein Streit um die Verfügbarmachung wissenschaftlicher | |
> Informationen entbrannt. | |
Bild: Google hat mit Bücherscans Fakten geschaffen. | |
BERLIN taz Es schepperte mächtig in der taz.de-Kommentarspalte, als | |
[1][Rudolf Walther] am vergangenen Freitag eine scharfe Kritik an Googles | |
Buchsuchmaschine und der kostenlosen Verfügbarmachung wissenschaftlicher | |
Texte im Internet veröffentlichte. Auch taz-intern ging die Debatte hoch | |
her, sahen die Onliner doch eher die Vorteile von "Open Access", während | |
altgediente Print-Vertreter wie Zeit-Herausgeber Michael Naumann und | |
taz-Chefredakteurin Bascha Mika sogar einen [2][Aufruf] deutscher Autoren | |
und Verleger unterzeichneten, der sich massiv gegen die von Walther als | |
"Open Enteignung" titulierte Bewegung wendet. | |
Worum geht es? Die akademische Landschaft ist derzeit massiv im Umbruch. | |
Wurden Fachartikel einst in entsprechenden Printjournalen veröffentlicht, | |
geht der Trend rasant ins Digitale. Dort treffen geschlossene und offene | |
Welten aufeinander. Auf der einen Seite stehen Wissenschaftsverlage, die | |
online mit dem gleichen Geschäftsmodell weitermachen wie offline und sich | |
gut bezahlen lassen. Auf der anderen Seite fordert die aufstrebende Open | |
Access-Bewegung, alle wissenschaftlichen Texte möglich kostenlos abrufbar | |
ins Netz zu stellen. | |
Hinter letzterer haben sich inzwischen zahlreiche Institutionen auch der | |
deutschen Forschungslandschaft versammelt: Wissenschaftsrat, Deutsche | |
Forschungsgemeinschaft oder Leibniz-Gesellschaft und Max-Planck-Institute. | |
Und dann gibt es da auch noch Google, dessen Groß-Digitalisierungsvorhaben | |
"Google Books" ebenfalls versucht, möglichst viel Wissen seitenweise | |
abrufbar ins Netz zu hieven und daneben dann Werbung zu schalten. | |
Auf Seiten der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler scheinen sich zwei | |
Fraktionen herauszukristallisieren: Die einen, die Open Access | |
grundsätzlich lobenswert finden, weil er ihnen erlaubt, jederzeit an | |
Material von Kollegen auf der ganzen Welt zu gelangen. Die anderen | |
fürchten, dass ihre Arbeit in einem Datenberg untergeht und gleichzeitig | |
auch noch ihre Rechte mit Füßen getreten werden, weil Universitäten sie zur | |
Online-Publikation zwingen, so dass eine Print-Version renommierter Verlage | |
eventuell nicht mehr zustande kommt. | |
Walther gehört zu den Kritikern der Open Access-Bewegung. "Angesichts der | |
ungelösten Probleme der Überprüfbarkeit und langfristigen Haltbarkeit von | |
Netz-Enzyklopädien kann es nur darum gehen, neben diesen Medien auch den | |
gedruckten wissenschaftlichen Lexika eine Überlebenschance zu sichern", | |
schreibt er. Und das könne nicht privater Willkür überlassen bleiben, | |
sondern sei "eine kulturpolitische Aufgabe ersten Ranges wie die Erhaltung | |
der Vielfalt der gedruckten Presse". Beides sei Aufgabe des Gesetzgebers, | |
da die Marktlogik hier nicht funktioniere. "Die Google-Piraterie und der | |
"Open Access"-Schwindel" seien wiederum "gefährlicher als die Piraterie | |
entlang der somalischen Küste". | |
In den fachspezifischen Blogs wurde Walthers Text heftig diskutiert - und | |
meist mit kritischem Blick. Markus Beckedahl von [3][Netzpolitik.org] sieht | |
in Walthers Beitrag eine fundamentale Kritik an der Digitalisierung von | |
Büchern und glaubt, dass hier jemand Open Access nicht verstanden habe. | |
Matthias Spielkamp, Experte für digitale Rechte, meldet sich auf | |
[4][Perlentaucher] zu Wort und schreibt, Google habe mit seiner | |
Buchdigitalisierung Fakten geschaffen, um anschließend unter dem Einsatz | |
von Millionen US-Dollar an Anwaltshonoraren mit den US-Verleger- und | |
Autorenverbänden eine Einigung zu erzielen. "Der müssen sich jetzt alle | |
Verleger und Autoren beugen, da es sich um eine so genannte, dem deutsche | |
Recht fremde "Class Action" handelt, die eine quasi-gesetzliche Wirkung für | |
alle Angehörige einer Klasse entfaltet." Im Fachblog [5][Archivalia] heißt | |
es unterdessen, Walther referiere Außenseiterpositionen: "Auch taz hetzt | |
jetzt gegen Open Access." | |
Die Wahrheit dürfte wie so häufig irgendwo in der Mitte liegen. "Nur eine | |
aberwitzige Ideologie kann glauben machen, kompetent organisiertes Wissen | |
sei dauerhaft zum Nulltarif zu haben", schreibt Walther. Aber hat das | |
irgendjemand behauptet? So finden sich im Internet neben der direkten | |
Bezahlung von Inhalten die unterschiedlichsten Geschäftsmodelle - | |
beispielsweise Reklame, wie sie schon seit Jahrzehnten im kostenlosen | |
Privatfernsehen funktioniert. | |
Das Problem liegt nur darin, dass wir uns gerade in einer massiven | |
Übergangsphase befinden und die Werbetreibenden noch vergleichsweise wenig | |
für die Aufmerksamkeit der vielen Nutzer zahlen, die sie auf | |
Medienangeboten im Netz inzwischen erreichen. | |
Open Access-Vertreter wiederum argumentieren, dass ja der Staat in einem | |
Land wie Deutschland Forscherinnen und Forscher alimentiert - und deren | |
gewonnene Erkenntnisse gefälligst der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt | |
werden sollten. Das macht Autoren, die sich ihrer Urheberrechte bewusst | |
sind, am Anfang sicher Angst. Doch auf Dauer ist nur Wissen nützlich, an | |
das man herankommt. Das weiß auch Walther, der fürchtet, dass digitale | |
Medien irgendwann unlesbar werden. Da helfen nur regelmäßige Backups - Open | |
Access ist eines davon. | |
26 Mar 2009 | |
## LINKS | |
[1] /1/leben/internet/artikel/1/%5Copen-enteignung%5C-dank-google/ | |
[2] http://www.textkritik.de/urheberrecht | |
[3] http://netzpolitik.org/2009/open-access-in-der-taz/ | |
[4] http://www.perlentaucher.de/artikel/5347.html | |
[5] http://archiv.twoday.net/stories/5593921/ | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
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