# taz.de -- die wahrheit: Sag mir, wo die Kübel sind | |
> Die friedliche Kur- und Gartenstadt Baden-Baden rüstet sich für den | |
> Nato-Gipfel | |
Bild: Schnell noch die Blumenbeete vor dem Kurhaus harken, bevor der hohe Staat… | |
In Friedenszeiten gilt im Kurpark der beschaulichen Stadt Baden-Baden die | |
freundliche Verkehrsregel: "Freie Fahrt für Droschken und Fahrräder". Seit | |
ein paar Tagen scheint allerdings eine Art Kriegsrecht zu herrschen, | |
jedenfalls sind überall im Ort seltsame Verbots- und Warnschilder | |
aufgestellt. "Achtung! Hunde an die Leine nehmen: Diensthund im Einsatz!" | |
Oder: "Zufahrt nur mit Weltbildparkplatz-Ausweis". Auch wenn bis vor kurzem | |
kein Baden-Badener wusste, dass es so etwas wie einen | |
Weltbildparkplatz-Ausweis überhaupt gibt, wüsste man doch zu gern, ob die | |
Gipfelteilnehmer einen solchen in ihren Fahrzeugen mit sich führen. | |
Ein wenig leid können einem die Staatsgäste aus aller Welt schon tun, denn | |
sie erleben eine Stadt, die es gar nicht gibt. Seitdem die Hubschrauber | |
über dem Oostal kreisen, hat man den Eindruck, in einer Metropole wie | |
Bombay oder Berlin zu leben. Der Park, das eigentliche Zentrum des | |
ansonsten so ruhigen Bäderortes, ist abgeriegelt, damit die Damen und | |
Herren Regierungschefs, die Militärs und Minister in allerschönster | |
Umgebung landen können. In gepanzerten Limousinen werden sie dann durch | |
eine menschenleere Kulturlandschaft chauffiert, die normalerweise von | |
Familien und Flaneuren, von Gartenfans und Blumenfetischisten bevölkert | |
wird. Ob die Uniformierten und Armeeführer in Zivil eine Vorstellung davon | |
haben, wie Baden-Baden ohne Absperrungen und zigtausend Polizisten | |
aussieht? Ob die Staatsgäste ahnen, wie die Bürger den Gipfel erleben? | |
Vermutlich nicht. | |
Wahrscheinlich werden all die Staatsbesucher, wenn sie durch den Kurpark | |
gefahren werden, die üppigen Krokusfelder und aufreizenden Narzissus-Armeen | |
bemerken. Sie werden sich vielleicht freuen, noch ein paar späte | |
Schneeglöckchen oder verstreute Märzbecher zu entdecken. Und sie werden | |
möglicherweise denken: So viele schöne Blumen! Eigentlich aber gibt es noch | |
viel mehr davon. In der Fußgängerzone würden, wenn nicht die Staats- und | |
Regierungschefs kämen, an jeder Ecke Blumenkübel stehen. Je nach Jahreszeit | |
gefüllt mit Erika oder Stiefmütterchen. Doch der Pflanzenschmuck musste | |
weichen, vor allem die Ufo-artigen Blumenschalen auf unseren Plätzen | |
schienen den Sicherheitsleuten nicht ganz geheuer zu sein. "Where have all | |
the flowers gone" - dieses Hippielied bekommt zum Nato-Gipfel, der | |
außerplanmäßig auch in Baden-Baden stattfindet, eine ganz andere Bedeutung. | |
Man kann ja nur froh sein, dass die Demonstranten in Kehl und Straßburg | |
bleiben sollen, jedenfalls nicht in die Kuranlagen gelassen werden. Das | |
würde keine Pflanze überleben! Sollten die Polizeikräfte anrücken und | |
Tränengas versprühen, sähe die kultivierte Natur bald so aus wie jene | |
Kriegsgebiete, in denen die Nato operiert. Sieht man mal von den Kosten für | |
die Renaturierung ab, gäbe es einen nicht zu kalkulierenden Imageschaden! | |
Gäste mit Geld und Geschmack kämen erst mal nicht in die Gartenstadt. Nur | |
die elenden Katastrophentouristen, die all die zerstörten Blümchen und | |
klaffenden Grasnarben begafften. | |
Da kann man sich als Bewohner der Sicherheitszone nur über die | |
Sicherheitsmaßnahmen der Sicherheitsleute wundern. Insbesondere über die | |
verklebten Gullideckel. Es wird zwar viel darüber berichtet, dass in | |
Baden-Baden diverse Untergrundorganisationen aus Italien und Russland aktiv | |
seien, aber das sollte doch nicht wörtlich verstanden werden. Kein | |
islamistischer Terrorist, kein Agent eines Nato-feindlichen Geheimdienstes | |
wird sich in die Tiefe der Baden-Badener Kanalisation begeben. Dort gibt es | |
so viele Rückstände von Blumendünger, das überlebt kein Mensch. | |
Vielleicht hätten sich die Sicherheitsleute rechtzeitig mit allen wachsamen | |
Bürgern unterhalten sollen. Sie hätten jedenfalls vor dubiosen Gestalten in | |
Nadelstreifen gewarnt, die auch in schicken Anzügen so aussehen, als hätten | |
sie ihr früheres Leben in einer fiesen Warschauer-Pakt-Truppe verbracht. | |
Diese Dunkelmänner sind längst in Baden-Baden aufgetaucht, bevor BKA und | |
BND hierherkamen, und haben rechtzeitig vor dem Gipfel ein Haus nach dem | |
anderen gekauft, das jetzt in der Sicherheitszone liegt. Ob die Staatsgäste | |
überhaupt wissen, wem das Hotel gehört, in dem sie übernachten? | |
Der Baden-Badener wird sich vornehm zurückhalten und seine Gäste nicht | |
auspfeifen, jedenfalls nicht, bevor sie ihr Programm bewältigt haben. Man | |
wird hoffen, dass die Staatsbesucher mehr zu bieten haben als ein | |
freundliches Lächeln, ein Winken und ein paar nette Worte zur Schönheit | |
eines Ortes, den sie leider nicht kennenlernen werden. Alle Baden-Badener | |
wünschen ihnen, aber vor allem den Sicherheitszonenbewohnern, eine | |
friedliche Gipfelei! Denn in Baden-Baden weiß man eins ganz genau: Wer | |
Blumenkübel wegräumt, ist auch zu wirklich Bösem fähig. | |
2 Apr 2009 | |
## AUTOREN | |
Carsten Otte | |
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