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# taz.de -- „Gebaren schroffster Herausforderung“: Wenn du nicht lieb bist,…
> Die Kunstschule kommt aus Weimar, doch sie wurde dort nur schwer ertragen
> und musste 1925 auf politischen Druck und wegen Streichung der Mittel
> nach Dessau übersiedeln. Ein Spaziergang
Bild: Siebdruckwerkstatt
Die Wände in der Bar des Traditionshotels „Elefant“ in Weimar strahlen in
tiefstem Blau, Rot, Gelb. Eine Referenz ans Bauhaus? „Ja“, sagt der Barmann
erfreut, „wir haben es extra für dieses Jahr geändert, aber bislang hat es
niemand bemerkt.“ Vor 90 Jahren gründete Walter Gropius das Bauhaus in
Weimar. Statt Wieland, Herder, Goethe, Schiller, Liszt und Wagner tafelten
im zentral gelegenen „Elefant“ nun Kandinsky, Moholy-Nagy, Itten, Schlemmer
und Klee. Eine Suite im „Elefant“ heißt heute Lyonel Feininger. Die
elegante Wendeltreppe des Hotels „Elefant“ ist im Bauhaus-Stil gebaut.
Weimar will mit dem Bekenntnis „Das Bauhaus kommt aus Weimar“ Besucher
locken. Das 90-jährige Jubiläum wird gleichzeitig an zwei weiteren
Standorten der Bauschule – Dessau und Berlin – mit Ausstellungen und
Veranstaltungen gewürdigt. Ein Gedenken mit weltweiter Strahlkraft. Dabei
wurde das Bauhaus in der Klassikerhochburg Weimar nur schwer ertragen.
1919 etablierte sich in Weimar eine neue Kunstschule, die lebensnah,
handwerklich, funktional und sozial sein wollte. „Daß nun jeder arbeitende
Mensch die Möglichkeit fände, für seine Familie eine gute und gesunde
Wohnung zu beschaffen“, schrieb der Gründer und Architekt Walter Gropius.
Er versammelte Designer, Architekten und Maler, die ihr Können dazu nutzen
sollten, bessere Lebensbedingungen für alle zu schaffen. Mit der Kritik am
Ornament propagierten die Bauhäusler eine funktionale Logik und
Sachlichkeit. Neue Produkte und eine neue Ästhetik schufen ein anderes
Design mit sozialem Anspruch. Ohne industrielle Serienproduktion im
Baukastensystem, wie es beispielsweise Ikea heute global umsetzt, wurden
die neuen Produkte allerdings selbst zum Luxusgut, zum Klassiker. Die echte
Wagenfeld-Schreibtischlampe, die in vielen Weimarer Schaufenstern und auf
Prospekten heute das Bauhaus-Jahr propagiert, hat ihren stolzen Preis.
Vor dem Deutschen Nationaltheater auf dem Weimarer Theaterplatz steht das
eigentliche Wahrzeichen der Stadt: Schiller und Goethe in würdiger
Eintracht, überlebensgroß. Hier im Theater tagte 1919 von Februar bis
August die Nationalversammlung und erarbeitete die Verfassung der ersten
deutschen Republik. Die Tafel am Theaterbau zur Erinnerung an die
Nationalversammlung entwarf Walter Gropius (1922). Die Moderne ist auch in
den gegenüberliegenden klassizistischen Bau eingezogen: Dort ist das
Bauhaus-Museum bisher untergebracht. Die großen Ausstellungen zum Jubeljahr
„Das Bauhaus kommt“ laufen nun seit Anfang April. Auf dem Weg von hier zur
Bauhaus-Universität liegt das Möbelhaus Kneisz in der Ackerwand 2, gleich
gegenüber der dazugehörige Bauhaus-Devotionalien Shop. Ein amerikanisches
Ehepaar lässt sich im Möbelhaus das blau-gelb-grün-rote Bauhaus-Bauspiel
einpacken. Der gelbe Gropius-Sessel F52, der Marcel-Breuer-Hocker und die
Thonet-Stühle wären sicherlich schwieriger für den Transport nach Übersee.
Am Eingang der heutigen Bauhaus-Universität wartet David Fritsch,
Architekturstudent in Weimar. Er führt den Bauhaus-Spaziergang. Das
ehemalige Kunstschulgebäude war 1919 Gründungsort des Staatlichen
Bauhauses, erbaut von Henry van de Velde. Er wurde 1902 vom Großherzog
Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar zum künstlerischen Berater für Industrie
und Handwerk berufen. Nicht immer zum gegenseitigen Wohlgefallen. Zwischen
1904 und 1911 baute van de Velde das Ensemble der Kunstschule und der
Kunstgewerbeschule, 1996 wurde dies in die Liste des Unesco-Weltkulturerbes
aufgenommen.
Auffällig am Universitätsbau sind die großen Atelierfenster der oberen
Geschosse und die aufwendige Wendeltreppe im Inneren. Wenn Studenten im
Eingangsbereich an der „Eva“-Statue von Auguste Rodin vorbeigehen und der
schönen Nackten über den Po streichen, dann gehört auch das zum geistigen
Erbe des Bauhauses: „Es soll schön machen“, sagt David Fritsch. Bauhaus-
Spuren finden sich in dem Gebäude heute wieder in Wandmalereien, Reliefs
und im nachgestalteten Gropius-Zimmer. Bis zur behutsamen Rekonstruktion
der Universität in den 90er-Jahren war es ein langer Weg, der von
Missverständnissen, Intrigen, Geldknappheit und Umbauten geprägt war. Zu
DDR-Zeiten waren sich die Funktionäre nie ganz schlüssig, ob man den
Funktionalismus und gesellschaftlichen Anspruch des Bauhauses preisen oder
seine libertäre Utopie geißeln musste. Wandgemälde von Herbert Bayer, einem
Schüler Kandinskys, wurden in den Fluren freigelegt. Gelbe Dreiecke, rote
Quadrate, blaue Kreise zieren die Wände und weisen den Weg zum Sekretariat.
Die Farbenlehre des Bauhauses, angelehnt an Goethes Farbenlehre, schreibt
den Farben auch gefühlsmäßige Eigenschaften zu. Die ersten Bauhäusler
scheuten sich nicht, auch kleinste Räume mit starken Farben zu bepinseln.
Restauriert wurde auch das „Haus am Horn“. Der Flachdach-Bau liegt nicht
weit von Goethes Gartenhaus auf der anderen Seite des Parks an der Ilm. Er
wurde 1923 als Versuchshaus für die große Bauhaus-Ausstellung errichtet.
Der Entwurf stammt von Georg Muche, dem jüngsten Meister am Bauhaus,
ausgeführt wurde er vom Baubüro Gropius. „Weil das Handwerk Basis allen
künstlerischen Schaffens sein sollte, wurden Werkstätten gegründet“,
erzählt David Fritsch. „Die Professoren nannten sich Meister, die Studenten
Lehrlinge und Gesellen.“ Der Hauptraum im Mittelpunkt des Hauses überragt
mit 4,14 Meter Höhe die um ihn herum angeordneten kleinen Räume. Er wird
durch Oberlicht mit Tageslicht versorgt. Nur ein Fenster in der
Arbeitsnische gibt den Blick auf den Garten frei. „Licht, Luft, Sonne und
Wohnruhe – in diesem zweckmäßigen Flachbau sind die Bauhaus-Prinzipien
verwirklicht“, schwärmt Fritsch. Der danebenliegende klassizistische Bau
wurde von den Nazis errichtet. „Sie wollten mit Giebeldach und Erkern
zeigen, wie deutsche Baukunst auszusehen hat“, erläutert Fritsch. Bauen als
soziale Aufgabe für bessere Lebensverhältnisse mit neuen Entwürfen, die von
der Tapete bis zum Geschirr reichten. Die Einbauküche im Haus am Horn aus
den Zwanzigerjahren mutet modern an. Bauen war zumindest für den Direktor
Gropius ein ästhetischer Vorgang. Der Superfunktionalismus der Platte, der
dem Bauhaus zugerechnet wird, hat sich davon verabschiedet.
Etwas oberhalb des Hauses am Horn hat man ein neues Viertel in guter, alter
Bauhaus-Tradition errichtet. Es wirkt ansprechend, mit hohen Fenstern,
bunten Farben, Gärten. Das „neue bauen am horn“ ist „eine Hommage an die
Bauhauskünstler“, sagt Fritsch. „Das Prinzip der kubischen Bauten:
sparsamer Umgang mit Energie, Material und Boden. Ein Projekt der Expo
2000.“
Der Weg zurück in die Stadt führt durch den Park, vorbei am
Tempelherrnhaus. Es ist seit der Bombardierung im Zweiten Weltkrieg eine
Ruine. In den Zwanzigerjahren wohnte dort der Bauhauskünstler Johannes
Itten. „Er war wie ein Mönch gekleidet, kahl geschoren und Anhänger der
Maznazdan-Sekte. Abends trafen sich Meister und Schüler zum Trommeln im
Park“, erzählt Fritsch. Nicht nur das Trommeln mag die beschauliche
Kleinbürgerwelt Weimars aufgeschreckt haben.
„Am Bauhaus sammelten sich unterschiedlichste intellektuelle und kulturelle
Strömungen. Das charakteristisch Moderne des Bauhauses liegt im Pendeln
zwischen Esoterik und Wissenschaft, Handwerksromantik und
Industriestandard, reiner Kunst und Funktionalismus“, schreibt der
Politologe Klaus von Beyme. Für die Weimarer Anfänge stimmt dies
sicherlich. Und es pendelt auch in Fragen der Emanzipation: Frauen waren im
Bauhaus zwar angekommen, aber sie wurden auf wenige Orte wie die Weberei
verwiesen.
1924, kurz bevor das Bauhaus Weimar verließ, schrieb die Weimar Zeitung
über ein „Gebaren schroffster Herausforderung“, wenn „Bauhausleute
beiderlei Geschlechts irgendwo in der Natur sich nackt tummelten“.
Unbedingt sei davor zu warnen, den Sohn, die Tochter „dieses Institut
beziehen zu lassen“. Und David Fritsch weiß: „Unfolgsamen Kindern wurde
gedroht: Wenn du nicht lieb bist, kommst du ins Bauhaus.“
Das könnte durchaus Spaß gemacht haben. Denn der Mythos Bauhaus lebt auch
von seinen Festen, begleitet von der eigenen Band mit Jazz, Stepp und
Maskenbällen. Die wilden 20er-Jahre eben. Man feierte im Ilmschlösschen,
das man auf einem halbstündigen Fußmarsch vom Stadtzentrum Richtung
Oberweimar entlang der Ilm erreicht. Hier im Ilmschlösschen gab das Bauhaus
seinen Abschied von Weimar. Der Festsaal scheint sich seither nicht viel
verändert zu haben, „außer dass der Vermieter zu DDR-Zeiten eine
Fußbodenausbaufirma führte und das Parkett mit irgendeinem Verbundstoff
überzog“, sagt Christine Klostermann, die das Ilmschlösschen, das seit 1914
von ihrer Familie geführt wird, vor 25 Jahren übernahm. Die Eintrittskarte
vom 28./29. März 1925, entworfen von Herbert Bayer, hängt im Restaurant.
Sie lud zur letzten Feierlichkeit. Der Eintritt kostete 5 Mark. Zu gewinnen
gab es Selbstentworfenes von Kandinsky und Klee. Das Bauhaus verließ im
April 1925 Weimar und zog nach Dessau, das bessere Bedingungen versprach.
Die Gründe des Wegzugs: politischer Druck der Rechtskoalition, die der
Schule die Hälfte der Mittel strich.
In der Gelsenkirchener-Barock-Gaststätte Ilmschlösschen gibt es Thüringer
Küche, dunkles Bier, frische Osterglocken, Blumenkissen. Zwei ältere Damen
beim Kaffee schäkern mit dem schlaksigen Kellner. Es würde nicht wundern,
wenn er schon Paul Klee die Knödel übel gelaunt serviert hätte. Nur zwei
Bildbände zum Bauhaus – auf einem Tischchen mit Zimmerlinde – verweisen
versteckt auf die fröhliche Avantgarde. Das Kapitel Bauhaus, inzwischen
Unesco-Weltkulturerbe und weltberühmt von Chicago bis Tel Aviv, hat die
ostdeutsche Provinz bis heute nur schwer für sich entdeckt.
15 Apr 2009
## AUTOREN
Edith Kresta
## TAGS
Reiseland Deutschland
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