# taz.de -- NPD-Kader Jürgen Rieger: Ein Verehrer Hitlers | |
> Die Partei verdankt ihm Nachwuchsarbeit und die Hilfe der Freien | |
> Kameradschaften. Doch der Hamburger NPD-Bundesvize Jürgen Rieger ist | |
> wegen seines Rassismus sogar in den eigenen Reihen umstritten. | |
Bild: Selbst in der NPD umstritten: Der NPD-Bundesvize Jürgen Rieger (hier im … | |
Fast unscheinbar kommt er daher. Hier am Altonaer Bahnhof fällt er nicht | |
auf. Viel Wert legt der Herr mit Bart nicht aufs Äußere. Die Kleidung weder | |
schick, noch auffällig. Keine Accessoires, die verraten, dass dieser über | |
60-Jährige mit Millionen Euro regelmäßig um Immobilien streitet. Ein wenig | |
ungepflegt wirkt der Wartende an jenem Hamburger Bahnhof gar. Und doch | |
schaut sich ein jüngerer Mann kurz um, schüttelt den Kopf. Er hat ihn | |
erkannt: Jürgen Rieger, Nazianwalt und NPD-Bundesvize. | |
Seit fast vierzig Jahren ist der Sohn einer Arztfamilie wegen seiner | |
Politik und Immobiliengeschäfte in den Medien. Ob der heutige Tag, der 20. | |
April, für Rieger ein besonderer Tag ist? Verläuft sein Arbeitstag in | |
seiner Kanzlei im feinen Blankenese am Geburtstag Adolf Hitlers anders? | |
Selbst in der NPD wird ihm eine "unreflektierte Hitler-Verehrung" | |
unterstellt. Rieger schwärmt von Hitler als dem "größten deutschen | |
Staatsmann" und dessen "charismatischer Persönlichkeit". | |
Kritik an seinen Vorstellungen, etwa von Parteifreunden, die sich um das | |
bemüht bürgerliche Image sorgen, vergisst er nicht. Rieger soll nachtragend | |
sein. Auf Parteitagen scheut er sich nicht, Kontrahenten anzugehen. Hält | |
ihnen anderenorts vor, sie hätten im Dritten Reich nicht mal Blockwart | |
werden können. | |
Seine Liebe zum Nationalsozialismus scheint weit zu gehen. Er sammelt | |
Wehrmachtsfahrzeuge und Uniformen. 1994 verhängte das Amtsgericht | |
Blankenese eine Geldstrafe, weil Rieger in einem Wehrmachtskampfanzug mit | |
einem VW-Militärkübelwagen mit SS-Abzeichen herumfuhr. 2009 stellte die | |
Polizei bei ihm ein Sturmgewehr sicher. Er will es als "Deko-Waffe" | |
ersteigert haben. Auf seiner "Heimatseite" scherzt Rieger, dass doch jeder | |
wisse, dass er sich mit einer Axt gegen die Antifa wehre: "Da ich ein | |
Faible für Wikinger habe, sagt mir das mehr zu", schreibt er. Diese | |
Rückbesinnung aufs Geschichtliche ist mehr als ein Spleen. | |
Über Jahrzehnte wirkte Rieger, der mehrere Kinder hat, führend bei der | |
"Artgemeinschaft - Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer | |
Lebensgestaltung e. V." mit. Ihn treibt die angebliche Entfremdung des | |
arischen Menschen von der ureigenen Religion um. "Die Wurzeln unserer | |
Kultur liegen nun mal im Germanentum, insbesondere in germanischen | |
Bräuchen", verkündet er. Andere Religionen möge man "gutheißen" können, | |
aber es würde immer "Abweichungen zu unseren Ausfassung geben, die nur mit | |
Gewalt mit unseren Gedanken in Einklang gebracht werden könnten". Der Grund | |
für ihn: "Weil sie von andersrassigen Menschen geschaffen wurden." | |
Die religiöse Orientierung geht bei Rieger mit dem politischen Engagement | |
einher. So denkt er, die Genmischung wäre auch die Ursache, dass "die | |
Türken" so "hochgradig aggressiv" seien. Er weiß denn auch: "Diese Türken | |
wollen die Herrschaft hier." "Von der christlichen Moral" will er zu einer | |
"biologisch begründeten Ethik". Und das auch ganz praktisch. | |
Im niedersächsischen Dörverden hofft er, auf dem Heisenhof | |
"Fruchtbarkeitsforschung" betreiben zu können. Er versicherte gegenüber | |
Medien, "dass blauäugige Frauen nur den Samen eines ebenfalls blauäugigen | |
Mannes" bekämen. Auf dem Landgut Sveneby in Schweden plante er mit | |
"Artgenossen" einen Ökobauernhof zu errichten, für den er sogar EU-Gelder | |
einstrich. Reiki- und Yoga-Seminare scheiterten jedoch, als die taz | |
berichtete und die Seminaranbieter zurückzogen. | |
Der Gerichtssaal ist der Ort, wo Rieger sich kompromisslos gibt. Er nutzt | |
ihn aber auch als Bühne, auch um wiederzugeben, dass das Warschauer Ghetto | |
eine "seuchenhygienische Maßnahme" war. Die Staatsanwaltschaft Mannheim | |
warf ihm vor, bei einer Verteidigung eines Holocaustleugners selbst den | |
Holocaust verharmlost zu haben. | |
In gewissen Kreisen gefällt dies. Ihm vertrauen Altnazis und vermachen ihm | |
ihr Erbe. "Erbschleicher", heißt es in der rechten Szene hinter | |
vorgehaltener Hand. Mit diesen Geldern erwarb er seine Immobilien. | |
Auch die "Freien Kameradschaften" (FK) stehen treu hinter ihm. Zuvor | |
initiierte er nur mit vertrauten Vereine und baute Schulungszentren auf. | |
Als er erst 2006 in die NPD eintrat und 2007 den Hamburger Landesvorsitz | |
übernahm, versicherten die Kameradschaften ihm erneut die Treue. Diese | |
Netzwerke sind nun für den intern durchaus Umstrittenen seine Hausmacht. | |
Anja Zysk, ehemalige Hamburger Landesvorsitzende der NPD, musste Rieger | |
2007 das Amt überlassen. Sie behauptet, dass Rieger ein rückwärts gewandtes | |
Frauenbild vertrete: "Frauen sollten lieber Kinder kriegen." Eine Liebelei | |
brachte Rieger, der sein Privatleben sorgsam unter Verschluss hält, im | |
vergangenen Jahr in die Schlagzeilen. Eine Gelegenheitsprostituierte | |
plauderte über ihre Affäre mit ihm, unterstellte Misshandlungen und | |
Impotenz. Manche Parteifreunde sorgt viel mehr, dass Rieger durch Darlehen | |
die Parteigeschicke verstärkt beeinflusse. Sein offen "obsessiver | |
Rassismus", so befürchten sie, könnte Wähler abschrecken. | |
19 Apr 2009 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
Andreas Speit | |
## TAGS | |
Anti-Rassismus | |
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