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# taz.de -- Zensur: Antifa-Muttertag ist gerettet
> Das Göttinger Tageblatt weigerte sich einen Muttertagsgruß zu drucken,
> mit dem indirekt zum Protest gegen Nazis aufgerufen wurde. Nachdem die
> taz recherchierte, soll die Anzeige nun doch in Druck gehen.
Bild: Eigentlich müssten alle froh sei, wenn jemand seiner Mutter am Muttertag…
Zum Muttertag bietet das Göttinger Tageblatt an, preiswerte Großanzeigen zu
schalten. Ein Ehepaar aus Göttingen wollte seine Muttergrüße mit einem
Protest gegen Nazis verbinden. "Liebe Mama", sollte dort stehen, "ich bin
stolz auf Dich, dass Du trotz Deiner 75 Jahre noch immer gegen Nazis auf
die Straße gehst". Und die Ankündigung: "Den Blumenstrauß gibts nachher in
Friedland! Deine Silke."
Denn in dem Ort, durch den Zigtausende Kriegsheimkehrer und Spätaussiedler
in die Bundesrepublik kamen, plante die NPD-nahe "Deutsch-Russische
Friedensbewegung europäischen Geistes" den Müttern am 9. Mai die Show zu
stehlen. Mit einem "Friedensmarsch" wollten die Rechten am
"Heimkehrerdenkmal" auf dem Friedländer Hagenberg Stellung beziehen.
Mit der Anzeigenaktion wollten Silke und Uwe Reinecke gegen die
"unerträgliche Nazi-Normalität" vorgehen, die ihrer Ansicht nach in
Deutschland herrscht. Die Anzeige wurde vom Göttinger Tageblatt bestätigt.
Doch drei Tage später erhält Uwe Reinecke einen Anruf vom Tageblatt. Der
Inhalt seiner Anzeige sei "verboten" und könne nicht veröffentlicht werden,
erinnert sich Reinecke an den Tenor des Gesprächs. Verboten sind laut
Vertrag lediglich Anzeigentexte die "gegen das Presserecht oder gegen die
Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoßen". Da das Presserecht
Muttertagsgrüße nicht verbietet, müsste der Grund des Verbotes in den
Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Göttinger Tageblatts zu finden
sein. Danach werden Anzeigen abgelehnt, die gegen geltende Gesetze
verstoßen. Oder aber Anzeigen, "deren Veröffentlichung für den Verlag
unzumutbar" wäre. Reinecke jedenfalls findet es "unfassbar, dass das
Göttinger Tageblatt sich weigert, die Anzeige gemäß Vertrag zu
veröffentlichen".
Ein erster Anruf der taz bei der Anzeigenabteilung löst Hektik aus: "Ich
kann dazu jetzt nichts sagen", versichert eine Mitarbeiterin. "Ich muss
erst Rücksprache halten, die Anzeigenleitung ruft gleich zurück." Das tat
sie nicht.
Denn im Hintergrund wurden die Uhren zurückgedreht: Reinecke erhielt direkt
im Anschluss einen Anruf des Göttinger Tageblatts, dass die Anzeige
vertragsgemäß gedruckt werde. "Schade eigentlich, meine Frau hatte schon
einen Anwalt eingeschaltet, um unserem Anliegen Nachdruck zu verleihen",
sagt Reinecke mit einer Mischung aus Triumph und Enttäuschung in der
Stimme. Eine Begründung für den Sinneswandel habe das Göttinger Tageblatt
ihm nicht genannt.
Nachdem die Situation bereinigt wurde war auch das Tageblatt bereit sich
gegenüber der taz zu äußern: "Verbot? Nein, die Anzeige wird doch
gedruckt", sagt die Leiterin der Anzeigenabteilung. "Die Prüfung einer
Anzeige kann einige Tage dauern, das ist normal." Zur zunächst erteilten
Absage könne sie keine Auskunft geben. "Das sind Interna zwischen dem
Tageblatt und dem Kunden, die ich nicht preisgeben darf." Aber auch dem
Kunden Reinecke wurde nicht erklärt, wie es zu dem "Missverständnis" kommen
konnte.
Gestern wurde der Aufmarsch der Rechtsextremen in Friedland vom Landkreis
Göttingen verboten. Friedland gelte mit seinem Grenzdurchgangslager als
"Tor zur Freiheit" und dürfe nicht durch Verbreitung rechten Gedankengutes
oder Gewalttätigkeiten entwürdigt werden, begründet Landrat Reinhard
Schermann (CDU) das Verbot. Damit ist der umkämpfte Protestaufruf nahezu
hinfällig.
23 Apr 2009
## AUTOREN
Joseph Varschen
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