# taz.de -- die wahrheit: Radmutter der Liebe | |
> Das geheime Tagebuch der Carla Bruni. Heute: Neptun taucht unter. | |
Bild: Ganz verschwitzt vor Aufregung ist der kleine Nici, doch dafür liebt ihn… | |
Mon cher journal intime … | |
Oh, oh! Mein kleiner Präsident ist außer Rand und Band. Mit seinem wilden | |
Zucken und seinem hektischen Geschrei macht er seinem Ruf, beim | |
Louis-de-Funes-Ähnlichkeitswettbewerb Preisanwärter zu sein, alle Ehre. Der | |
Grund: Im Radio wird jetzt seine Redezeit beschränkt. Jede Wortmeldung wird | |
erfasst und mit der Stoppuhr ausgewertet. Weil er sich ständig in die | |
Tagespolitik einmische, übersteige er die seiner Partei zustehende | |
Redezeit. Nici ist völlig außer sich ob der Schmach, die die Vermessung | |
eines Mannes seiner Statur bedeutet. Natürlich sinnt er schon auf Rache und | |
will alle Radiomitarbeiter rausschmeißen lassen. Als ich ihn fragte, wer | |
denn dann das Radioprogramm machen soll, sagte er: "Meine Freunde! Meine | |
Freunde!" | |
Nici und ich haben endlich etwas gefunden, das uns beiden Freude bereitet: | |
Nein, kein Sex, das Thema ist ja derzeit etwas mau. Wir twittern. | |
Zwitschern im Netz. Das hört sich zwar ähnlich an, wie was total Versautes, | |
das man mit vielen anderen zur gleichen Zeit macht, ist aber ganz harmlos | |
und total en vogue. Nici ist mein kleiner Zaunkönig und ich bin das | |
Rotkehlchen. Twittern ist ganz einfach: Das ganze unnütze Geplapper, das | |
man ständig ohne Sinn und Verstand absondert, stellt man ins Internet und | |
schaut, wie viele Menschen es lesen. Je mehr Leute einem "folgen", desto | |
toller ist man. Also eine Art Schwanzvergleich mit Hirn. Oder eben ohne | |
Hirn. Auf jeden Fall ist das super, um sich seiner Existenz zu versichern. | |
Also zu merken, dass man irgendeine Bedeutung hat. Das ist vor allem für | |
diejenigen wichtig, die sonst keine Bedeutung haben. | |
Nici twittert quasi ununterbrochen. Alles schreibt er rein: "Hallo, ich bin | |
da! Wenn ich Hunger habe, esse ich gern ein Blutwurstbrot, hab ich Durst, | |
trink ich Wasser, gern ohne Sprudel. Aber kalt." Oder: "Eben mit Obama | |
telefoniert, dabei aus dem Fenster geschaut. 13 Uhr Luc Besson treffen, | |
Kulturbegriff erörtern. Abends einfach ich sein." | |
Ich bin da etwas gefühlvoller und nutze die Plattform für meine Poesie: | |
"Himmel, Du bist die Hölle. Die Radmutter an der Vespa meines Lebens. Löst | |
Dich und lässt mich fallen. Bodenlos, unendlich." Oder mehr übergeordnet: | |
"Wo ist Jean-Paul Sartre? Seine Gedanken auf Papier, Beschränkung in mir. | |
Fliegen an der Wand, Liebe ohne Verstand. Wo ist Jean-Paul Sartre?" | |
Jedenfalls macht uns das eine Menge Spaß. Zumindest so lang, bis der kleine | |
Zaunkönig entdeckt hat, dass Ashton Kutcher mehr Follower hat als er. Jetzt | |
will er seine Inhalte ändern und mehr Sex reinschreiben. Er hat schon | |
angefangen: "Für alle Neider da draußen: Ich bumse Carla Bruni! | |
Ätschi-Bätsch! Und wenn Ihr Euch auf den Kopf stellt: alles meins! Euer | |
Speedy-Sarko!!!" | |
Morgen ist Tag des Baumes. Benny (Benjamin Biolay, Anm. der Red.) hat sich | |
gemeldet. Er und seine Hippiefreunde wollen morgen an den Stadtrand fahren, | |
zum Baumumarmen. Ob ich mitwolle. Ach, was für ein schöner Gedanke! Und wie | |
lieb von ihm, an mich zu denken. Ach, das wäre was Feines - mit netten | |
Leuten draußen sein und etwas Substanzielles tun. Wie sehr mir das gefallen | |
würde! Aber ich denke, das geht nicht. Wie sieht denn das aus, wenn die | |
Premiére Dame mit einer Kifferhorde am Stadtrand Bäume umarmt. Da seh ich | |
mich ja schon als Witzfigur in der Tageszeitung vorgeführt. Und im Herbst | |
heißt es dann: "Brunis Kuschelbirke blättert". Nö, nö, nö. Ich glaub, da | |
muss die Ulmen-Patenschaft erst einmal reichen. | |
Jean, unser Goldlöckchen, hat Ärger. Irgendwelche Linken, die sich "Rettet | |
die Reichen!" nennen, sind in den Rotary Club eingedrungen, haben das Essen | |
gestört und ihm ein "Papa-Söhnchen-Diplom" überreicht. Was soll man sagen? | |
Wo sie recht haben, haben sie recht, die Linken. | |
Samstag, 25. 4. 2009 | |
Es ist so heiß! Und das schon im April! Ich habe für die Kinder ein kleines | |
Planschbecken im Garten aufstellen lassen. Aurelién und Louis sollen heute | |
eintreffen. Hätte ich gewusst, wie sehr auch Nici sich freut, hätte ich | |
eines für drei Personen gekauft. Manchmal wunder ich mich doch, wie | |
unbedarft Nici ist. Er ist gar nicht auf die Idee gekommen, der kleine Pool | |
könnte nicht für ihn sein. Er hat flugs seine Badehose geholt und ist | |
fröhlich hineingesprungen. Das war sehr niedlich, zumal Neptun seinen | |
Schnorchel dabeihatte. Für einen Moment habe ich dann aber einen gehörigen | |
Schreck bekommen. Plötzlich war gar nichts mehr zu sehen: kein Köpfchen, | |
kein Schnorchel. Das Entsetzen dauerte aber nur ein paar Sekunden, dann | |
schoss mein kleiner Wassermann wie ein Pfeil hervor und rief: "Guck mal, | |
ich kann Apnoetauchen!" | |
28 Apr 2009 | |
## AUTOREN | |
Silke Burmester | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Carla Brunis Tagebuch | |
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