# taz.de -- U-17-Fußball-EM: Aus dem Schatten zu Chelsea | |
> Bei der in Ostdeutschland stattfindenden U-17-Europameisterschaft wird | |
> ein Riesenaufkommen an Scouts erwartet, das die potenziellen Stars | |
> besichtigen will. | |
Bild: Der spanische Nationalspieler Cesc Fabregas gehörte auch einst zu den ju… | |
Aus dem Schatten zu Chelsea | |
VON | |
Marco Pezzaiuoli ist nur Experten ein Begriff, das hat der Trainer der | |
U-17-Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes mit seinen Spielern gemein. Seit | |
einem Jahr bereitet der 40 Jahre alte Mannheimer den Jahrgang 1992 im | |
Verborgenen auf die U-17- Europameisterschaft vor, die ab heute in Sachsen, | |
Thüringen und Sachsen-Anhalt erstmals in Deutschland stattfindet. | |
Ab heute aber treten Pezzaiuoli und seine Jungs aus dem Schatten. In Erfurt | |
trifft Deutschland zum Auftakt auf die Türkei (18.15 Uhr, Eurosport) , im | |
zweiten Spiel der Gruppe B stehen sich in Gera England und die Niederlande | |
gegenüber. In der Gruppe A spielen in Dessau Spanien und Italien | |
gegeneinander, in Markranstädt Frankreich und die Schweiz. Die ersten | |
beiden jeder Gruppe qualifizieren sich für die Halbfinals, das Endspiel | |
findet am 18. Mai in Magdeburg statt. | |
"Wir sehen die besten Nachwuchsmannschaften der führenden Fußballnationen | |
Europas", freut sich Pezzaiuoli auf das Turnier. Die U-17-EM ist indes nur | |
der Auftakt eines großen Reigens von Großereignissen, in dem der deutsche | |
Nachwuchs 2009 den Vergleich mit den Besten sucht. Nach der U-17-EM folgen | |
drei weitere Titelkämpfe: im Juni die U-21-EM in Schweden, im August die | |
U-19-EM in der Ukraine und im September die U-20-WM in Ägypten. Dabei steht | |
neben der individuellen Entwicklung der einzelnen Spieler auch das | |
Abschneiden der Mannschaft im Vordergrund. DFB-Sportdirektor Matthias | |
Sammer hält nicht viel vom olympischen Motto "Dabei sein ist alles". Druck | |
empfindet Pezzaiuoli deswegen nicht. "Es gibt keinen Spieler, der ohnehin | |
nicht immer gewinnen will", sagt der Trainer. Pezzaiuoli begreift die | |
Endrunde für alle Beteiligten als große Chance: "So ein Turnier kann | |
natürlich auch für einen Trainer prägend wirken." | |
Seit Mitte 2007 ist Pezzaiuoli beim DFB. Unter Bundestrainer Joachim Löw | |
war er einst Jugendkoordinator beim Karlsruher SC. Später arbeitete er als | |
Co-Trainer von Bum Kun Cha in Südkorea und danach in der Oberliga bei | |
Eintracht Trier. Im Sommer 2007 begann das Engagement des ausgewiesenen | |
Jugendfußballexperten beim DFB. | |
Für manchen Spieler bedeutete die Teilnahme an der U-17-EM das Sprungbrett | |
für eine große Karriere. Stars wie Cesc Fabregas (2004) oder Wayne Rooney | |
(2002), aber auch Bundesliga-profis wie Toni Kroos (2006) oder Nuri Sahin | |
(2005) wurden zum herausragenden Akteur des Turniers gewählt. Doch bei | |
17-Jährigen, die mitten in der körperlichen und charakterlichen Entwicklung | |
stehen, könne man noch nicht sagen, wohin der Weg gehe, sagt Pezzaiouli. | |
Der Trainer ist in seiner Turnier-Prognose vorsichtig. Punktuell gebe es | |
zwar große Talente, aber ob der aktuelle Jahrgang in der Breite so stark | |
sei wie jene U 19 des DFB, die vorigen Sommer den EM-Titel gewann, könne | |
erst nach dem Turnier beurteilt werden. | |
Verzichten muss Pezzaiuoli auf den verletzten Mittelfeldspieler Alexander | |
Merkel, den er gerne dabei gehabt hätte. Merkel steht für einen seit Jahren | |
nicht unumstrittenen Trend im Jugendfußball. Vor dieser Saison wechselte er | |
vom VfB Stuttgart zum AC Mailand. Zwar wird es dieser Tage in | |
Ostdeutschland von Scouts deutscher und internationaler Spitzenklubs nur so | |
wimmeln, aber längst sichten die europäischen Großklubs Talente schon im | |
Alter ab zehn Jahren. So wechselte der deutsche EM-Teilnehmer Christopher | |
Buchtmann von Borussia Dortmund zum FC Liverpool, und auch im Kader der | |
Schweiz und der Niederlande finden sich Heranwachsende, die ihr Glück bei | |
den finanzstarken Klubs in England suchen. "Generell ist es für Jugendliche | |
sicher besser, im vertrauten Umfeld zu bleiben, wenn Perspektive und | |
Ausbildung stimmen", sagt Pezzaiuoli. Aber letztlich müsse jeder Wechsel | |
individuell betrachtet werden. Ein Negativbeispiel ist Sebastian Kneißl, | |
der mit 16 - auch des Geldes wegen - zu Chelsea wechselte und nun beim FC | |
Schweinfurt kickt. | |
Zum FC Chelsea wechselte diesen Januar ein Spieler von Bayer Leverkusen, um | |
den sich auch Pezzaiuoli stark bemüht hatte. Das in Köln geborene | |
Offensivtalent Gökhan Töre wird heute Abend in Erfurt aber das Trikot der | |
Türkei tragen. Den Kampf um Töre aber hat der DFB noch nicht aufgegeben. | |
Bis zum 21. Lebensjahr können sich Spieler mit zwei Staatsbürgerschaften | |
entscheiden, für welches Land sie spielen. Seit zwei Monaten besitzt Töre | |
die deutsche Staatsbürgerschaft und vielleicht, so Pezzaiuoli, sei seine | |
Identifikation mit dem DFB ja irgendwann groß genug. Bei den Türken spielen | |
mit Nurettin Kayaoglu vom FC Schalke und Deniz Herber vom FC St. Pauli noch | |
zwei in Deutschland geborene Spieler, um die sich der DFB bislang ebenfalls | |
vergeblich bemüht. Die mit in Deutschland, England und Holland geborenen | |
Talenten bestückte türkische Auswahl wird heute Abend in Erfurt ein | |
Gradmesser dafür sein, ob die DFB-Jungs vom Titel träumen können. "Wir | |
richten uns nach unseren technischen und taktischen Fähigkeiten", sagt | |
Marco Pezzaiuoli, der die von Sammer geforderten deutschen Tugenden | |
"Einsatzbereitschaft und Siegermentalität" von seinen Spieler einfordert. | |
Auch diese Tugenden gehören schließlich zum modernen Fußball. | |
6 May 2009 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schächter | |
## TAGS | |
Fußball-Akademie | |
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