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# taz.de -- Warnstreik der ErzieherInnen: Viel mehr als nur "Spieltanten"
> Dass ErzieherInnen auf die Straßen gehen, ist richtig. Die Probleme in
> den Kitas wurden lange genug missachtet, der Beruf wird zu häufig
> unterschätzt.
Bild: Horrorvorstellung für geplagte ErzieherInnen.
Wenn Eltern vor verschlossen Kitatüren stehen und nicht wissen, wohin mit
den Kindern, macht sie das erst einmal wütend. Rund 15.000 ErzieherInnen
gingen am Mittwoch deutschlandweit auf die Straßen und protestierten gegen
schlechte Arbeitsbedingungen. Aber ist es wirklich so schlimm, seinen Tag
mit Kleinkindern zu verbringen?
Eigentlich geht es bei dem Warnstreik der ErzieherInnen um Gesundheit am
Arbeitsplatz. Kitapersonal leidet unter Kopf- und Nackenschmerzen,
Rückenproblemen, Erschöpfungszuständen, Atemwegbeschwerden,
Hörverschlechterungen und Tinnitus, wie eine DGB-Umfrage ergab.
Nach Messungen der Gewerkschaft kommt der tägliche stundenlange Kinderlärm
einem Düsenflugzeug beim Start gleich. Die Rückenschmerzen entstehen bei
Kindergärtnerinnen, weil sie immer wieder Kinder hochheben, auf Stühle
setzen, trösten oder ins Bett bringen. Nur 26 Prozent der ErzieherInnen
glaubt, gesund in den Ruhestand zu kommen.
Doch was Kitaangestellte wirklich krank macht - und das schon seit Jahren -
ist die mangelnde Anerkennung ihrer täglichen Arbeit. Immer noch hält sich
das Klischee von der Kindergärtnerin als "Spieltante" oder
"Aufsichtspersonal". Was machen sie denn auch schon mehr als basteln,
singen und aufpassen, und dass die Kinder nicht von der Schaukel rutschen?
Für diese Banalitäten gibt es dann auch entsprechende Niedriglöhne. Im
Schnitt verdient ein Drittel der ErzieherInnen unter 1.500 Euro brutto.
Diese Dumpinglöhne sind ein Hohn für Kitaangestellte. Nicht nur, weil sie
schwere körperliche Arbeit leisten, die schon in den Anfangsjahren zu
Verschleiß führt, sondern vor allem, weil sie täglich in der Zeitung lesen,
wie wichtig frühkindliche Bildung ist und dass jede Erzieherin persönlich
verantwortlich dafür ist, dass der Nachwuchs individuell gefördert wird.
Was sich nämlich nach anderen Ländern Europas nun auch in Deutschland
herumgesprochen hat: Die Zeit bis zum 6. Geburtstag hat Auswirkungen auf
die gesamte Bildungsbiografie. Frühkindliche Bildungskonzepte fordert
deswegen nun auch das Familienministerium von ErzieherInnen in deutschen
Kitas und Kindergärten ein - bitte sofort und in bester Qualität!
Auch die Eltern sind stärker sensibilisiert und bauen Druck auf. Nicht mehr
nur bildungsbewusste Mütter und Väter haben mittlerweile eine lange
Wunschliste an die Kitas: Erzieher sollen verborgene Talente eines jeden
Kindes entdecken und fördern. Sie sollen Schwächen aufdecken und beheben,
Kinder mit Migrationshintergrund integrieren, bevor sie in die erste Klasse
kommen.
Die Eltern haben Recht, wenn sie das für ihre Töchter und Söhne einfordern.
Und so ändern sich schrittweise auch die Ausbildungswege für den
Erzieherberuf: weg von der Fachschule, hin zur Uni. Erste Bundesländer
rühmen sich mit umfassenden Studiengängen für Frühpädagogik. Viele
Hochschulen laden Kitapersonal zu Fortbildungskursen in
Entwicklungspsychologie, Sprachentwicklung und Integrationspädagogik ein.
Doch in den Kitas selbst merkt man wenig vom Willen der Politik -
Gehaltserhöhungen und mehr Personal und Material seien Sache der Kommunen,
heißt es im Familienministerium. Die Kommunen haben nicht genug Geld. Und
so sitzen in Weiterbildungsangeboten der Hochschulen eher junge,
aufstrebende ErzieherInnen, die einmal Leiterin werden möchten - nicht die
50-Jährigen, die jahrelange Erfahrung mit Kindern durch neue Konzepte
ergänzen möchten.
Eine Studentin frühkindlicher Bildung erzählt unlängst in einem Seminar an
ihrer Uni, im Praktikum einer Kita sei sie kaum dazu gekommen, die neuen
Förderungsideen aus den Seminaren anzuwenden. Es gab schlicht keine Zeit
dafür im Alltag. Am Wochenende und nach Dienstschluss hat sie dann Projekte
ausgearbeitet - etwas, was man von den älteren Kindergärtnerinnen kaum
erwarten kann. Die sind oft froh, wenn sie nach 20 Jahren Dienst mal einen
Tag keine Rückenschmerzen oder Ohrenpfeifen haben.
Die Erzieherinnen und Erzieher demonstrieren in diesen Tagen zu Recht für
bessere Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz. Nur 13 Prozent gehen abends
ohne Beschwerden nach Hause, wenn das letzte Kitakind abgeholt wurde. Es
muss aber auch die Bezahlungsfrage geklärt werden, damit der Beruf endlich
stärker gewürdigt wird.
6 May 2009
## AUTOREN
Nicole Janz
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