Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- François Ozons Film "Ricky": Wenn Fragen Flügel haben
> Zwei Dinge muss man François Ozon lassen: Viel Herz für unsympathische
> Figuren und den Mut, mit "Ricky" sehr viel mehr Fragen als Antworten zu
> aufzuwerfen.
Bild: Als das Baby zum ersten Mal durchs Zimmer fliegt, ist das ein größerer …
Eines muss man François Ozon lassen: Kein anderer Regisseur zeigt so viel
Herz für unsympathische Figuren. Da gab es die schlecht gelaunte,
missgünstige Krimiautorin, gespielt von einer ungeschminkten Charlotte
Rampling, in "Swimming Pool", den todkranken und trotzdem arroganten
Fotografen in "Die Zeit, die bleibt" und zuletzt die nervtötende, ganz auf
ihre selbst fabrizierte Kitschwelt beschränkte Schriftsteller-Heldin in
"Angel". Das fliegende Baby in "Ricky" setzt da dem Ganzen nun die Krone
auf: Angesichts der ekligen Flügel, die ihm wachsen, vergisst der Zuschauer
sogar jenen Beschützerreflex, den das "Kindchenschema" von Babys regelmäßig
auslöst.
Dabei beginnt alles so anders. Eine Mutter sitzt auf dem Sozialamt und
klagt, dass ihr alles zu viel werde; sie habe sich von ihrem Partner
getrennt, und nun werde sie mit ihren zwei Kindern nicht mehr fertig. Ob
sie eines in Pflege geben könne? Dann schwenkt der Film zurück. Wegen des
sozialrealistischen Settings glaubt man sich eher in einem Film von Mike
Leigh oder Ken Loach als bei Ozon. Die Alleinerziehende Katie (Alexandra
Lamy) lernt in ihrer Fabrik den gut gelaunten Paco (Sergi López) kennen;
auf proletarisch-direkte Art und Weise, das heißt ohne großes
Psychologisieren oder Zaudern, zieht man zusammen, zeugt ein Kind, wird
eine überlastete Kleinfamilie. Tochter Lisa hat Schwierigkeiten, sich mit
dem neuen Mann und dem neuen Brüderchen abzufinden. Dann weist das
Neugeborene plötzlich seltsame blaue Flecken auf. Katie verdächtigt Paco,
der ohne Umschweife das Weite sucht. Doch der Säugling ist kein Opfer,
sondern, wie soll man sagen, eher eine Gabe: Aus den Flecken wachsen ihm
Flügel.
Als das Baby dann zum ersten Mal durchs Zimmer fliegt, ist das ein größerer
Schock, als wenn Pierce Brosnan in "Mamma Mia" zu singen anfängt. Danach
kann man der Geschichte kaum mehr folgen, kann aus Fassungslosigkeit über
den abrupten Sprung raus aus dem Sozialdrama hinein in - was eigentlich?
Von da an gibt es nur noch Fragezeichen: Wie soll man das deuten? Und worum
geht es überhaupt? Um verdeckten Missbrauch? Um die Umwege der Liebe? Um
die Nöte und Hoffnungen der modernen Arbeiterfamilie? Auch das muss man
Ozon lassen: So viele Fragen haben sich nach einem Film schon lange nicht
mehr gestellt.
13 May 2009
## AUTOREN
Barbara Schweizerhof
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.