# taz.de -- Kommentar Doping im Radsport: Kleinkriminell, aber oho | |
> Man darf sich keine Illusionen machen: Die Tradition des Dopings im | |
> Radsport ist zu stark, als dass sie in ein paar Jahren stirbt. | |
Der Tross rollt, als wäre nie etwas passiert. Der Giro zieht seine Kreise, | |
und wenn italienische Profis gewinnen, dann ist davon auszugehen, dass sie | |
ordentlich was auf dem Kerbholz haben: Sprinter Alessandro Petacchi war | |
beim Giro 2007 mit überhöhten Werten des Asthmamittels Salbutamol | |
aufgefallen. Danilo di Luca, der im rosafarbenen Trikot des Besten fährt, | |
wurde von Dopingfahndern als "Kleinkrimineller" entlarvt und Ende 2007 für | |
drei Monate gesperrt. | |
Di Luca gilt in Italien als Star, immer noch. Michele Scarponi, siegreich | |
am Donnerstag, ist ein geständiger Doper und Fuentes-Kunde (Codename | |
Zapatero), der eine 18-monatige Sperre abgesessen hat. Der Radsport ist | |
also ganz bei sich. Es gibt kaum noch einen Spitzenfahrer, der eine reine | |
Weste hat oder in irgendeiner Weise als moralisches Vorbild dient, nicht | |
Gilberto Simoni, nicht Stefano Garzelli und bestimmt nicht Lance Armstrong. | |
"Ich denke nur noch an die Gegenwart, die Vergangenheit habe ich hinter mir | |
gelassen", hat Scarponi nach seinem Sieg gesagt und das Leitmotiv des | |
Pelotons ziemlich gut beschrieben: Was interessiert mich der Positivtest | |
von gestern, wenn es heute wieder rundgeht. | |
Scarponi genießt ohne Einschränkung das Vertrauen seines Teamchefs: "In | |
meinen Augen hat Michele einen Fehler gemacht und dafür bezahlt", sagt der. | |
"Man muss bedenken, dass er zum falschen Zeitpunkt im falschen Team | |
gefahren ist und dass er in einem systematischen Dopingprogramm steckte, | |
das größer war als er selbst." | |
Jetzt fährt Michele Scarponi für den vermeintlich zweitklassigen Rennstall | |
Serramenti PVC, für den auch Davide Rebellin antrat, wohl einer der | |
Cera-Positiven der Pekinger Sommerspiele. War da wieder etwas größer als | |
der Pedaleur? | |
Es ist ein trauriges Arrangement, das der Profiradsport gefunden hat. | |
Läuterung wird es nicht geben, damit hat sich mittlerweile auch der letzte | |
gutgläubige Fan abgefunden und schaut die Übertragungen im Spartensender | |
Eurosport mit dem gleichen Enthusiasmus wie Wrestling. | |
Die Sportarten haben viel gemeinsam: starke Männer und eine doppelbödige | |
Moral. Hie wie da sind Pharmabetrug, trickreiche Absprachen und hohles | |
Gedöns an der Tagesordnung. Kein Mensch glaubt mehr an die | |
Selbstheilungskräfte des Radsports. Vielleicht wird es einmal so kommen, | |
dass der Radsportler die Narrenfreiheit des Wrestlers erlangt und damit aus | |
dem Schneider ist. | |
Man darf sich keine Illusionen machen: Die Tradition des Dopings im | |
Radsport ist zu stark, als dass sie in ein paar Jahren stirbt. Jetzt muss | |
sich der Radsport entscheiden: Will er wie Wrestling werden oder | |
wesentlich. Bis es so weit ist, bleibt der Radsport ein weites Feld für | |
polizeiliche Ermittler, Dopingfahnder und berufsmäßige Skeptiker. Sie | |
können einfach nicht anders, unsere Pappenheimer auf großer Fahrt. | |
16 May 2009 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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