# taz.de -- Partei des Premiers gewinnt Wahlen in Indien: Singh is King! | |
> Die Kongresspartei gewinnt mit Premierminister Manmohan Singh die | |
> Kongresswahlen überraschend deutlich vor den Hindu-Nationalisten. Es ist | |
> das beste Ergebnis seit 20 Jahren. | |
Bild: Freude in Rot: Anhängerinnen der Kongresspartei. | |
Überall in Indien haben am Wochenende Anhänger der Kongresspartei in den | |
Straßen gefeiert. Sie tanzten und jubelten indisch-lautstark, manche von | |
ihnen bewarfen sich vor Freude mit Farbe: Grund ist der überwältigende Sieg | |
der Kongresspartei und ihrer "Vereinigten Fortschrittsallianz" bei den | |
Wahlen zum indischen Unterhaus. | |
Das Bündnis um Premierminister Manmohan Singh errang 262 von 543 Mandaten. | |
Die hindunationalistische "Indische Volkspartei" (BJP), die größte | |
Oppositionspartei und ihre "Nationaldemokratischen Allianz", gewannen 158 | |
Sitzen. Die "dritte Front", eine Vereinigung von linken und | |
Regionalparteien, erhielt 67 Sitze. 60 Prozent der 714 Millionen | |
Wahlberechtigten hatten ihre Stimme abgegeben. | |
Kongressvorsitzende Sonia Gandhi erklärte, die Menschen hätten "die | |
richtige Entscheidung" getroffen. Premier Manmohan Singh sagte, er sei | |
"zutiefst dankbar" für das Mandat, das die Menschen ihm und seiner | |
Parteienallianz gegeben haben. Der 76-Jährige lüftete das Geheimnis über | |
die Zukunft von Sonia Gandhis Sohn Rahul Gandhi, den Kronprinzen der | |
Gandhi-Dynastie, den viele Menschen als zukünftigen Premierminister | |
ansehen: Singh sagte, er werde versuchen, ihn zu überzeugen, sich seinem | |
Kabinett anzuschließen. | |
Mit ihrer Entscheidung haben die Menschen in Indien wieder einmal bewiesen, | |
dass es unmöglich ist, den Ausgang von Wahlen auf dem Subkontinent | |
vorauszusagen. Alle Analysten erwarteten vor der Abstimmung, die innerhalb | |
eines Monats in fünf Etappen abgehalten wurde, dass es zu einem | |
Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden Parteienallianzen kommen würde. | |
Selbst die optimistischsten Beobachter gingen davon aus, dass die | |
Kongress-Allianz nur wenige Stimmen Vorsprung vor der Opposition erringen | |
würde und eine wackelige Koalition aus etlichen Parteien eingehen müsste. | |
Die Wahl war ein deutliches Zeichen gegen den Versuch der | |
Hindunationalisten der BJP, durch das Schüren von Angst und durch religiöse | |
Polarisierung Wähler zu gewinnen. Innere Sicherheit war eines der | |
Kernthemen der BJP. Die Partei warf der Regierung vor, zu wenig getan zu | |
haben, um die Terrorattacke auf Bombay im vergangenen November zu | |
verhindern. Damit sprach sie ihrer Klientel, der urbanen Mittelschicht, aus | |
der Seele. Sie hat erneut mehrheitlich die BJP gewählt. | |
Auch hat die BJP mit ihren religiösen Parolen viele Wähler verschreckt. L. | |
K. Advani, der 81-jährige Kandidat für den Posten des Premierministers, hat | |
sich zwar bemüht, sein Hindu-Hardliner-Image abzustreifen, und gab sich | |
während des Wahlkampfs als versöhnlicher Politiker der Mitte. Doch zugleich | |
kündigte er an, er werde als Premierminister dafür sorgen, dass Religion in | |
der Politik eine stärkere Rolle einnimmt. Er wolle damit der Tatsache | |
Rechnung tragen, dass Indien "kein säkulares Land" sei. 1992 waren es | |
Advanis Anhänger und Mitglieder fanatischer Hindu-Organisationen, die in | |
Ayodhya eine Jahrhunderte alte Moschee stürmten und dem Erdboden | |
gleichmachten. | |
In den ländlichen Regionen konnte hingegen die Kongresspartei punkten: Sie | |
hat im vergangenen Jahr ein milliardenschweres Jobgarantieprogramm | |
gestartet, von dem die ländliche Bevölkerung im ärmsten Drittel des Landes | |
profitiert. Zwar läuft das Programm vielerorts nur schleppend an. Doch zum | |
ersten Mal seit Jahrzehnten fühlte sich das ländliche Indien von einer | |
Regierung in Delhi ernst genommen. | |
Die Kongresspartei kann nun entspannt in Koalitionsverhandlung treten. Denn | |
ihr fehlen zur Mehrheit im indischen Unterhaus nur noch zehn Stimmen. Die | |
Regierung um Premier Manmohan Singh wird wesentlich unabhängiger ihr | |
Programm verfolgen können, als es ihr bislang möglich war. Denn nach ihrem | |
Sieg 2004 bekam die Kongresspartei nur eine Minderheitsregierung zustande | |
und musste sich darauf verlassen, dass die Kommunisten der CPM und andere | |
linke Parteien außerhalb der Regierungskoalition sie unterstützen. Nun kann | |
sich Singh getrost zurücklehnen. Denn er hat der Kongresspartei das beste | |
Wahlergebnis der vergangenen zwanzig Jahre beschert. "Wir haben eine | |
kolossale Mehrheit gewonnen", jubelte Parteiaktivist Parag Jain. Der | |
Nachrichtensender CNN-IBN betitelte einen Bericht über den Erdrutschsieg | |
der Kongresspartei entsprechend mit der Überschrift "Singh is King!" | |
17 May 2009 | |
## AUTOREN | |
Sascha Zastiral | |
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