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# taz.de -- Metalband SunnO))) über ihr neues Album: "Bis in die Eingeweide"
> SunnO))) sind die langsamste und lauteste Metalband der Welt. Ihr neues
> Album "Monoliths and Dimensions" braucht ganze 53 Minuten für vier Songs.
Bild: "Na ja, Geschwindigkeit war jetzt nicht gerade unser dringlichstes Anlieg…
taz: Wie wird man zur lautesten Band der Welt?
Greg Anderson: Wir haben einfach alle Verstärkerboxen eingeschaltet. Die
anderen bauen zwar auch Wände aus Lautsprechern auf, aber aus rein
ästhetischen Erwägungen. Ihr Gitarrensound kommt nur von dem
Kofferverstärker hinter dem Gitarristen. Unser Sound muss bis in die
Eingeweide spürbar sein. Dafür brauchen wir alle Lautsprecher, die wir
kriegen können.
Musik als physische Erfahrung?
Genau. Deshalb ist das Konzert die beste Art, um unsere Musik zu erfahren.
Manche Fans gehen sehr weit mit dieser Erfahrung.
(lacht) Ja, die umarmen die Boxen oder stecken sogar ihre Köpfe rein. Sie
sehen ein Konzert von uns als körperliche Herausforderung.
Wären die mit Extremsport nicht besser bedient?
Vielleicht. Aber wer bin ich, den Leuten vorzuschreiben, wie sie mit
unserer Musik umzugehen haben? Ich bin dankbar, dass überhaupt jemand
reagiert.
Führt die Suche nach dem nächsten Kick nicht automatisch zu noch extremerer
Musik?
Falls dabei jemand fündig geworden ist, hoffe ich, dass wenigstens einer
zurückkommt und mir davon erzählt. Denn das möchte ich unbedingt
ausprobieren. (lacht schallend)
Kann man noch langsamer spielen als SunnO)))?
Auf jeden Fall. Am Anfang war der Blues, dann erfanden Black Sabbath ihn
neu, später kamen Bands wie St. Vitus und Pentagram und interpretierten
Black Sabbath neu. Darauf haben wir reagiert und irgendwann wird jemand
kommen, der aus unseren Vorarbeiten etwas Neues macht. Es ist eine lineare
Entwicklung. Aber wir haben diese Linie nicht bewusst fortgesetzt, sie ist
einfach passiert. Das bewusst zu versuchen, würde es nur ruinieren.
Irgendwo auf dem Weg dahin müssen Sie festgestellt haben, dass SunnO)))
eine atypische Metal-Band sind.
Das war schon von Anfang an klar, weil wir als Duo ohne Schlagzeuger
spielen. Nach den ersten Auftritten war ich überrascht, dass das Publikum
so begeistert war. Denn wir wissen doch alle, dass unsere Musik eine große
Herausforderung ist: Es gibt kaum Rhythmus, keine traditionellen
Songstrukturen, kaum etwas, woran sich die Hörer klammern können. Nicht
alle Menschen begreifen das, aber überraschend viele wissen es trotzdem zu
schätzen.
Liegt es auch an dem Humor, den Ihre Musik zweifellos hat?
Im Metal gab es schon immer Humor und die Fähigkeit zur Selbstironie. Man
denke nur an die Fantasy-Einflüsse. Oder "Spinal Tap". Aber natürlich gibt
es Menschen, die - im Gegensatz zu mir - eine Band wie Iron Maiden sehr
ernst nehmen und ganz und gar nicht komisch finden. Aber auch SunnO))) sind
ja nicht schreiend komisch. Wir bedienen den Eskapismus des Metal. Vor
allem live, wenn wir mit Mönchskutten in dichtem Nebel auftreten. Es geht
dabei auch darum, ein anderer zu sein, den Alltag hinter sich zu lassen. Da
sind wir doch wieder ziemlich traditionell Metal. Es ist zwar definitiv
Humor in unserer Musik zu finden, aber wir wollen auch nicht als Witz-Band
missverstanden werden. Ich versuche wirklich, mich selbst nicht allzu ernst
zu nehmen, aber meine Kunst nehme ich sehr ernst. Es ist ein sehr schmaler
Grat, auf dem wir da wandeln.
Ist SunnO))) eher Kunstprojekt als Band?
Ich sehe uns nicht als Kunstprojekt, aber wir sind auch keine
professionelle Band, weil wir nicht wie eine klassische Band funktionieren:
Wir üben nicht und spielen dann die Songs, die wir im Übungsraum erarbeitet
haben, wie das Bands gemeinhin tun. Und sicher: Stephen kommt eher aus
einem Kunstzusammenhang, er ist ein großartiger Grafiker. Offensichtlich
schaffen wir auch den Crossover in die Kunst-Szene, wir gestalten immer
wieder Klanginstallationen in Galerien. Aber für mich bedeutet SunnO))) vor
allem eins: Musik machen mit meinem guten Freund Stephen.
Sie gelten nicht nur als lauteste, sondern auch als langsamste Band der
Welt. Ihr neues Album "Monoliths & Dimensions" scheint allerdings
vergleichsweise schnell geworden zu sein.
Na ja, Geschwindigkeit war jetzt nicht gerade unser dringlichstes Anliegen.
Ich habe eher den Eindruck, dass die Atmosphäre, die Stimmung der neuen
Songs etwas heller ist. Zumindest endet das Album mit einer optimistischen
Note.
Die von einer Posaune stammt.
Genau. Eine Posaune haben wir bisher noch nie benutzt. Auf dem neuen Album
haben wir erstmals mit großem Orchester, mit Streichern und Bläsern,
zusammengearbeitet. Deshalb konnten wir ein großes Gefühlsspektrum
abbilden.
War das der Plan, als Sie ins Studio gingen?
Um ehrlich zu sein, haben wir niemals einen konkreten Plan, wenn wir ins
Studio gehen. Wir laden uns Gäste ein, befreundete Musiker, und beginnen
mit ihnen zu improvisieren. Wir versuchen so offen wie möglich und ohne
Restriktionen vorzugehen, um Sounds, Töne und Instrumente zu erforschen und
verschiedene Richtungen auszuprobieren. Idealerweise ist es so, dass es bei
SunnO))) nur eine Regel gibt, nämlich dass es keine Regeln gibt. Der
Löwenanteil des Materials ist nun mal improvisiert. Unsere Musik lebt ja
vor allem davon, dass wir Klang manipulieren, aber man darf sich das nicht
als wirklich bewussten Vorgang vorstellen. Wenn wir arbeiten, ist das eher
ein Bewusstseinsstrom. Wir analysieren nicht, was passiert, wir lassen es
einfach geschehen.
Angeblich sollen Sie nie nüchtern sein, wenn Sie Musik machen.
Das ist zwar keine unbedingte Voraussetzung, um unsere Musik zu spielen,
aber es ist sicherlich eine Erleichterung. (lacht schallend) Tatsächlich
haben wir auch schon nüchtern Shows gespielt, mit denen ich sehr zufrieden
war.
Reden wir hier nur von Alkohol?
Okay, hier ist mein hochoffizielles Statement zu diesem Thema: Wir
versuchen uns fern zu halten von den Drogen, denn die können uns allzu
leicht von den Kollegen auf der Bühne wegsteuern. Man verliert so das
gemeinsame Ziel aus den Augen. Wir haben Fehler gemacht und wir sind in
Fettnäpfchen getreten: Es kam schon vor, dass einer zu breit war, um
vernünftig Musik zu machen. Aber das Publikum hat es meistens nicht
bemerkt.
Könnten Sie eine Platte auf der Bühne reproduzieren?
Nein, nicht mal annähernd. Und wir würden das auch gar nicht tun wollen.
Was reizt Sie dann an der Arbeit im Studio?
Sie ist vor allem eine Herausforderung, die Erfahrung auf der Bühne
nachzustellen und auf Bänder zu transferieren. Allerdings ist das
eigentlich immer eine von vornherein verlorene Schlacht. Das liegt schon
daran, dass die meisten Menschen heutzutage Musik so hören, dass sie eine
SunnO)))-Platte gar nicht angemessen erfahren können: Mit kleinen
iPod-Kopfhörern oder durch die Aktiv-Boxen eines Computers. Die Tiefen, das
ganze Frequenzspektrum, das ist dann alles einfach weg. Eigentlich müsste
man zu jeder unserer Alben ein angemessenes Abspielgerät beilegen. Das wäre
großartig.
Ist die digitale Technik auch der Tod für Musik, wie sie SunnO))) machen?
Vielleicht nicht gerade der Tod, aber doch ein großes Hemmnis. Es gibt
sicher Leute, die Musik wie unsere auf einem iPod hören, aber halt was ganz
anderes dabei rausziehen. Wenn die Leute allerdings dann zu einem unserer
Konzerte kommen, dann werden sie notgedrungen begreifen, wie wir das
gemeint haben. Und sich dann vielleicht sogar einen anständige
Plattenspieler besorgen, um die Musik auch richtig fühlen zu können. Denn
unsere Musik muss man fühlen.
22 May 2009
## AUTOREN
Thomas Winkler
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