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# taz.de -- Eröffnung Beatles-Museum: Viel Originales, weniger Originelles
> Endlich hat Hamburg ein Beatles-Museum. Zu sehen gibt es dort neben
> Beatles-Platten, Beatles-Kleidung und nachgebauten Beatles-Stationen in
> Hamburg vor allem eins: Fotocollagen. Das freut Fans - und die
> Tourismusbranche.
Bild: Beatles-Nippes so weit das Auge reicht: Hier ist der Linkshänder Paul Mc…
Es lohnt sich manchmal, weit zu reisen, um die Bedeutung einer sehr
erfolgreichen Band für Hamburg zu erahnen. Ein slowenischer Markt, eine
Hotellobby in Bangkok, der Bahnhof von Parma - allerorten kann es
passieren, dass man seine hanseatische Herkunft nennt und schon fällt das
eine, das magische, weltbekannte Wort nebst Ausruf der Erregung: Ah,
Beatles!
Vor Ort, in Hamburg selbst, klingt es freilich etwas anders: Weil die
Assoziationskette dieser musikfeindlichen Stadt der Gegenwart mit ihrem
staatlich verordneten Clubsterben, dem Plakatierverbot und einem
Kultursenat, der auch vor 49 Jahren jedes Kommerzmusical irgendwelchen
wirtschaftlich läppischen Nachwuchskapellen vorgezogen hätte, weil also
dieser stromlinienförmige Ort dennoch so häufig in einem Atemzug mit der
berühmtesten Popgruppe aller Zeiten genannt wird, folgt dem Ausruf der
Erregung hier nur allzu oft einem ganz anderen Wort: Ah, Touristen!
Und es wirkt ja. Der unsägliche Beatles-Platz mit seiner lieblosen
Kreisbildung einschlägiger Hits, umgeben von würdelosen Sponsorennamen vor
polierter Metallskulptur, hat sich in einem Dreivierteljahr zum beliebten
Fotomotiv durchreisender Baedeker-Besucher gemausert. Stadtrundgänge zu den
vermeintlich wichtigsten Spots einstiger Johnpaulgeorgeringo-Präsenz
erfreuen sich ebenso großer Beliebtheit. Da sollte das größte, teuerste,
tollste Wahnsinnsprojekt zum Thema in Hamburg aus Sicht seiner Macher doch
locker 200.000 zahlende Kunden pro Jahr anlocken und möglichst bald Teil
jedes anständigen Reiseführers der Erde werden.
Es heißt "Beatlemania", vulgo: Beatles-Museum, wird heute im alten
Erotic-Art-Museum am Nobistor links der Großen Freiheit eröffnet, zeigt so
viele Exponate des ungebrochenen Hypes um die meistgehörte Band im All wie
niemand sonst und soll vor allem eines: Hamburgs Ruf als Reiseziel
verbessern, also Erlöse bringen. Da können die Macher noch so viel von
Herzblut, Fans und ihrer Jugend erzählen - es geht bei privaten
Investitionen von zweieinhalb Millionen Euro immer ums Geschäft.
So weit zum Ziel. Am Weg jedoch ist vieles beeindruckend, nicht alles
gelungen, aber insgesamt ist es doch ganz ansehnlich. Vor der Tür, unter
dem aufblasbaren "Yellow Submarine", das seit Tagen Lokalmedien erfreut,
spielt die Stadtteilikone Stefanie Hempel irgendwas Eingängiges der Fab
Four auf ihrer Ukulele, als sich die heiligen Hallen erstmalig öffnen. Und
man taucht tatsächlich ein in die "ganz eigene Welt der Beatles", wie sich
Mitinitiator Ulf Krüger lobt.
Überall blinkt und tönt und musiziert und interagiert es. Nach der Einreise
im fünften Stock geht es Etage für Etage abwärts in der Historie der
Pilzköpfe, vom nachgestellten Kiez mit seinen Neonreklamen und Fotocollagen
über die Anfangsjahre mit seinen nachgebauten Arbeitswelten und den
Fotocollagen bis hinunter in die Hippiephase mit seiner Sgt.
Pepper-Choreografie und den Fotocollagen. Sogar die Soloprojekte finden
statt.
Er hätte zwei, drei Kollegen getroffen, erzählt ein Fotograf lächelnd, die
von besseren Bildern im eigenen Archiv berichtet hätten, "Helmut Schmidt
mit Kind beim Konzert etwa". Aber für weniger Eingeweihte als Augenzeugen
ist auch diese Auswahl spannend. Gemischt mit den Standards
musikgeschichtlicher Museumspädagogik, den Originalbesitztümern,
Originalhandschriften und Originalfragmenten. Viel Originales also und
etwas weniger Originelles, aber doch reichlich Sehenswertes, Neues wie
Altes. Den ersten Plattenvertrag mit Bert Kaempfert etwa, schwarzweiß,
dafür echt. Oder einen Siegelring aus dem Kaugummiautomaten, knallbunt,
aber falsch.
Nippes wie dieser ist neben dem üblichen Merchandising natürlich zu kaufen,
im ersten Stock, unterhalb der Mithör-, Zuseh-, Reinfühlangebote - allem
also, was der Hardcorefan auf 1.300 Quadratmetern begehrt. Und wenn diese
Fans nach zwei Jahren vollzählig da waren, sagt der Kiezkenner Günter Zint,
Betreiber des benachbarten St. Pauli Museums, müsse eben "was von
Abba-bis-Zappa-Museum kommen" an diesem historischen Ort der "Musikstadt
Hamburg", die sich viel zu lange Zeit gelassen habe, ihre großen
Adoptivsöhne "anständig zu würdigen", wie er findet.
Ein paar Stockwerke höher muss der Beatles-Entdecker Horst Fascher gerade
dieselbe Platte wie immer abspielen: Als er vor 49 Jahren beim Weg zum
Konzert von Tony Sheridan in einen Gig der Rohdiamanten geriet, die er
fortan zur Brillanz schleifen sollte. Geschichten, wie sie die halbe Welt
kennt, für die sie nun noch gezielter nach Hamburg kommen soll, in jene
Stadt, wo die vier Liverpooler ganze drei Monate und ein paar
Anschlusskonzerte verbrachten. Allemal genug für Museen, Plätze,
Hausbesuche.
Noch schöner wäre es natürlich, man würde ihnen zu Ehren einen neuen Club
eröffnen, als Bühne für andere junge hoffnungsvolle Bands. Aber soweit geht
die Liebe dann doch nicht.
28 May 2009
## AUTOREN
Jan Freitag
## TAGS
Fotografie
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Die Fotos eines Überzeugungstäters: Nah dran am Mythos
Günter Zint fotografierte die Beatles und Hendrix, den Anti-AKW-Widerstand
und St. Pauli. Zum 75. Geburtstag zeigt eine Ausstellung in Hamburg seine
wichtigsten Bilder.
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