# taz.de -- Krisengespräche in Madagaskar geplatzt: Falsche Versprechen, neue … | |
> Zwei Monate nach dem gewaltsamen Umsturz in Madagaskar ist kein Ende der | |
> Krise in Sicht. Der Frust der Armen über den jungen Präsidenten | |
> Rajoeilina wächst. | |
Bild: Präsident Rajoelina bei seiner Amtseinführung im März. | |
Louise hat ihren Grill gleich neben der Hauptstraße aufgestellt. Am | |
Wochenende gehören die Grasstreifen rechts und links den Städtern: Das | |
Sonntagspicknick hat in der Inselrepublik Tradition. Für viele Arbeiter ist | |
es die einzige Chance, der drei Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt, | |
"Tana" genannt, wenigstens für ein paar Stunden zu entfliehen. "Aber seit | |
dem Regierungswechsel kommen immer weniger", erklärt Louise, während sie | |
kleine Hähnchenspieße auf den Rost über der glühenden Holzkohle legt - das | |
Stück verkauft sie für 200 Ariary, etwa fünf Eurocent. "Und wer kommt, gibt | |
weniger aus, es hat ja kaum noch jemand Arbeit." | |
Vor gut zwei Monaten hat Madagaskar einen Umsturz erlebt: Andry Rajoelina, | |
gerade einmal 34 Jahre alt, erfolgreicher Unternehmer, kurzzeitiger | |
Bürgermeister der Hauptstadt und ehemaliger DJ, setzte sich nach blutigen | |
Protesten gegen den rechtmäßig gewählten Präsidenten Marc Ravalomanana mit | |
mehr als 100 Toten durch und errang die Macht mit Hilfe der Armee. Aber die | |
Begeisterung darüber ist abgekühlt. Bei den Armen wächst der Frust. Das | |
Grundnahrungsmittel Reis wird fast täglich teurer. "Dabei hatte Rajoelina | |
doch versprochen, Lebensmittel werden billiger", ereifert sich Olivier, der | |
sich als Fahrer über Wasser hält. "Reis, Öl, Brot, das alles sollte | |
billiger werden, für kurze Zeit war das auch so." | |
Inzwischen aber ist Mehl im Armenviertel "67 Hectares" doppelt so teuer wie | |
vor einem Jahr - und wird vermutlich noch teurer werden. Denn in ihrem | |
Proteststurm gegen Expräsident Ravalomanana, den reichsten Mann der Insel, | |
zerstörten Demonstranten seine Supermärkte. Was nicht gestohlen wurde, | |
beschlagnahmte die Regierung, erklärt Rainier, der jeden Tag für die | |
Rückkehr des alten Präsidenten demonstriert. Seit diese Vorräte billig | |
verkauft wurden, steigen die Preise wieder. Für neue Importe hat die neue | |
Regierung wegen gestrichener Budgethilfen aus dem Westen kein Geld. | |
Öffentliche Proteste hat das neue Regime verboten. Trotzdem versammeln sich | |
Rainier und gut tausend andere jeden Morgen hinter einem blauen Bauzaun, wo | |
bis zur Plünderung einer von Ravalomananas Supermärkten stand. "Das ist | |
Privatgelände, da kann uns keiner etwas verbieten", sagt Rainier, der | |
früher Touristen durch Tana geführt hat. Touristen kommen schon seit | |
Monaten nicht mehr. | |
Investoren, vor allem im Minensektor, halten sich zurück. Bislang hat der | |
neue Präsident noch kein Regierungsprogramm bekannt gegeben, Unternehmer | |
warten ab. Viele Gelegenheitsarbeiter in einem der ohnehin schon ärmsten | |
Länder der Welt sind deshalb ohne Job. Auch in der Bevölkerung ist die | |
Stimmung angespannt. Rajoelinas Kritiker wollen meist nicht ihre Nachnamen | |
nennen. Seine Befürworter geben sich dagegen kämpferisch. | |
"Ravalomanana hat doch nur in die eigene Tasche gewirtschaftet", wütet die | |
Unternehmerin Mami Rabemanana. Jeden Tag wird über neue Skandale berichtet: | |
Die alte Regierung soll einem russischen Unternehmen Schürfrechte gegen | |
Waffentechnik verkauft haben, das Parlament war nie eingeschaltet. Das | |
Gleiche gilt für die mittlerweile gestoppte Verpachtung von 1,2 Millionen | |
Hektar Land an den koreanischen Konzern Daewoo für den Anbau von Futtermais | |
und Ölpalmen. Um Bauland zu verkaufen, ließ Ravalomanana angeblich sogar | |
die Leichname der alten vorkolonialen Königsdynastie aus ihren Gruften | |
entfernen und quer durch die Stadt an einen neuen Ort verlegen - ein | |
Sakrileg. Zölle und Steuern, so behauptet der neue Finanzminister, zahlte | |
Ravalomanana nie: Eine halbe Milliarde Euro soll er dem Staat schulden. | |
So aufgeheizt ist die Lage, dass niemand an eine Versöhnung glaubt. Von UNO | |
und AU vermittelte Krisengespräche platzten diese Woche, als Rajoelina eine | |
Rückkehr Ravalomananas aus dem Exil ablehnte. Davor hatten sich beide | |
Seiten zunächst nur auf Neuwahlen innerhalb von 14 Monaten geeinigt. | |
Wahrscheinlich ist auch eine Generalamnestie, was beiden Seiten zupass | |
kommt. Doch wie die Macht innerhalb einer die Wahlen vorbereitenden | |
Übergangsregierung verteilt werden soll, kann sich niemand vorstellen. | |
29 May 2009 | |
## AUTOREN | |
Marc Engelhardt | |
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