# taz.de -- Holzmafia auf Madagaskar: "Gebraucht wird Rosenholz" | |
> Seitdem auf Madagaskar das politische Chaos ausgebrochen ist, eskaliert | |
> der Raubbau in den Regenwäldern. Mit Radiodurchsagen werden kleine Banden | |
> beauftragt, geschützte Holzarten zu besorgen. | |
Bild: Mehr als 95 Prozent der 200.000 Tier- und Pflanzenarten gibt es nur auf M… | |
ANTANANARIVO taz | Das Radio knistert ein wenig, während der | |
Nachrichtensprecher im Lokalfunk das Wetter für den Nordosten Madagaskars | |
verliest. Weiterhin regnerisch, nichts Besonderes in der Region rund um die | |
Hafenstadt Vohémar - den neuen, madagassischen Namen Iharana benutzt hier | |
kaum jemand. Es folgen Ankündigungen. "Gebraucht werden 20 Stämme | |
Rosenholz, Stamm mindestens ein Meter Durchmesser, zu liefern bis in einer | |
Woche." Es folgt der Name des Abnehmers und der Verschiffungshafen: | |
Vohémar. | |
"Von solchen Durchsagen hören wir im Moment immer wieder", sagt Nanie | |
Ratsifandrihamanana, Naturschutzdirektorin beim madagassischen WWF. "Was | |
dann passiert, ist Folgendes: Kleine Banden von Holzfällern ziehen in den | |
Regenwald und suchen die passenden Stämme, die entweder auf Flüssen oder | |
auf Straßen zu einem Sammelpunkt transportiert werden." Von dort werden sie | |
auf Sattelschlepper geladen und in den nächsten Hafen transportiert - nach | |
Vohémar oder weiter südlich nach Toamasina, Madagaskars größter Hafenstadt. | |
Illegale Abholzung hat es in Madagaskar schon immer gegeben. Doch seit die | |
politischen Unruhen das Land Anfang des Jahres ins Chaos gestürzt haben, | |
hat das Geschäft mit den Edelhölzern explosionsartig zugenommen. Es geht um | |
Millionen: Harthölzer wie Rosenholz, Palisander und Ebenholz, die anderswo | |
in der Welt längst restlos ausgerottet worden sind, gibt es in den dichten | |
Regenwäldern im Nordosten Madagaskars noch vergleichsweise viel, obwohl von | |
der ursprünglichen Waldfläche Madagaskars heute nur noch weniger als ein | |
Zehntel steht. Fast 5 Millionen Hektar Regenwald stehen unter Naturschutz, | |
noch einmal die gleiche Fläche gilt als unberührter Primärregenwald. Der | |
Nordosten ist zugleich die unzugänglichste Region der Inselrepublik. | |
Straßen enden im Nichts, weil sie vom letzten Zyklon weggespült wurden, | |
viele Dörfer sind nur auf den zahlreichen Flüssen zu erreichen. Geschützt | |
wurde die Natur hier bislang vor allem von Dorfbewohnern, die von der | |
Nationalparkverwaltung oder von Umweltgruppen bezahlt wurden, und von der | |
örtlichen Polizei. Doch seit der alte Präsident Marc Ravalomanana vor gut | |
zwei Monaten außer Landes geflohen ist und Oppositionsführer Andry | |
Rajoelina sich zum Nachfolger ernannt hat, herrscht überall im Land | |
Unklarheit darüber, wer derzeit regiert. Das Machtvakuum nutzen mafiöse | |
Gruppen, die die Regenwälder systematisch nach den wertvollsten Bäumen | |
durchforsten. | |
"Wir mussten unsere Mitarbeiter aus vielen Regionen abziehen", erklärt | |
Niall OConnor, der WWF-Geschäftsführer auf Madagaskar. "Wir können | |
niemanden in Gefahr bringen." Den mit deutscher Hilfe aufgebauten | |
Nationalpark Marojejy im Nordosten, ein als Weltkulturerbe geschützter | |
Nebelwald, musste die Nationalparkverwaltung im April schließen. "In der | |
Region herrscht absolute Gesetzlosigkeit", heißt es in einer Mitteilung des | |
Amtes. "Gangs schwer bewaffneter Männer sind im Park unterwegs, um im | |
großen Stil Edelhölzer zu schlagen." Ein Naturschützer aus der Region | |
berichtet von einem Versuch, die Kriminellen mithilfe der Polizei zu | |
vertreiben. "Das hat nicht funktioniert, die haben uns bedroht und gesagt: | |
Wenn ihr weiterleben wollt, haut ab und kehrt dahin zurück, wo ihr | |
hergekommen seid." Seinen Namen will der Aktivist nicht nennen. "Ich lebe | |
nicht weit vom Park entfernt in einem Dorf, die können mich jederzeit | |
finden und umbringen." | |
"Die Situation in den Wäldern hat direkt mit den Aktivitäten mafiöser | |
Gruppen und der derzeit besonders schwachen staatlichen Strukturen in der | |
Region zu tun", bestätigt OConnor. Holz im Wert von mehr als 100 Millionen | |
US-Dollar, so Schätzungen, ist seit Anfang des Jahres illegal außer Landes | |
geschafft worden. Die nackten Zahlen zeigen, dass hinter dem Raubbau keine | |
Amateure stecken. In der Nationalparkverwaltung ist bekannt, dass es | |
spezialisierte Syndikate vor allem aus China sind, die den lukrativen | |
Handel kontrollieren. Von Vohémar und Toamasina aus werden die Baumstämme | |
über Umwege ins Reich der Mitte verschifft - dabei, so erklären Insider, | |
werden die Ladepapiere gefälscht; die Herkunft des Holzes wird | |
umdeklariert. | |
Besonders brisant ist das Geschäft, weil es Hinweise auf Verflechtungen mit | |
der höchsten Regierungsebene gibt. Zitieren lassen will sich dazu niemand, | |
aus Angst vor Repressionen. Doch jeder, der im Naturschutz arbeitet, weiß, | |
was passierte, als Madagaskars neu ernannter Umweltminister im Mai den | |
Hafen in Toamasina schließen ließ, um die Holzexporte zu stoppen. 24 | |
Stunden später landete ein Privatjet auf dem internationalen Flughafen von | |
Ivato, an Bord eine Delegation, die direkt zum Präsidentenpalast fuhr. | |
Wenige Stunden später wurden die Häfen wieder geöffnet. | |
Dabei ist es nicht nur die neue Regierung, die offenbar von dem Handel mit | |
Edelhölzern profitiert. Der geflohene Präsident Ravalomanana war es, der | |
als eine seiner letzten Amtshandlungen im Januar das komplette Exportverbot | |
aufhob, angeblich, um gelagerte Stämme, die beim letzten Zyklon umgestürzt | |
waren, ins Ausland zu verkaufen. Ende April fanden Polizisten auf dem | |
Grundstück eines Ravalomanana nahe stehenden Geschäftsmanns mehr als 700 | |
Stämme wertvoller Edelhölzer. Doch solche Funde sind die Ausnahme. Vor | |
wenigen Wochen stürmten Polizisten ein Gelände nahe dem internationalen | |
Flughafen, auf dem eine chinesische Firma zwei Hangars voller Edelhölzer | |
gelagert hatte. Der Besitzer war offenbar gewarnt worden und hatte sich | |
bereits nach Mauritius abgesetzt. Was mit den Hölzern geschehen ist, ist | |
unklar. | |
Naturschützer befürchten das Schlimmste. Madagaskar ist nicht irgendeine | |
Insel, sondern einer der weltweit bedeutendsten Biodiversitäts-Hotspots. | |
Mehr als 95 Prozent der hier vorkommenden 200.000 Tier- und Pflanzenarten | |
gibt es ausschließlich auf Madagaskar. "Viele sind noch gar nicht entdeckt | |
worden", warnt Ratsifandrihamanana. "Wir verlieren, was wir noch gar nicht | |
kennen." Die Biologin fürchtet die langfristigen Folgen: Die von der | |
Holzmafia frei geschlagenen Straßen, die tief in die Wälder führen, sind | |
Zugangsstrecken für neue Siedler, die den bislang unberührten Regenwald | |
weiter zu zerstören drohen. Berichte, nach denen Lemuren, die auf | |
Madagaskar endemischen Halbaffen, gejagt und als Buschfleisch auf den | |
umliegenden Märkten verkauft werden, häufen sich. | |
Immer mehr Einheimische, die bislang auf der Seite der Naturschützer | |
standen, weil der Tourismus in den geschützten Parks ihre einzige | |
Einkunftsquelle war, wechseln die Seiten. Seit Beginn der Krise kommen kaum | |
noch Urlauber nach Madagaskar, wenn überhaupt, verirren sich | |
Pauschaltouristen in die Strandresorts im Nordwesten Madagaskars. Selbst | |
Nationalparks wie der von Andasibe, nur drei Stunden von der Hauptstadt | |
Antananarivo entfernt, sind leer. "Eigentlich ist jetzt Hochsaison", stöhnt | |
die knapp 1,60 Meter große, zierliche Celine Andriamborine, die in Andasibe | |
normalerweise Gäste zu Fuß durch den hiesigen Regenwald, Madagaskars | |
beliebtesten Nationalpark, führt. "Aber statt der gut 300 Besucher, die wir | |
hier sonst täglich haben, kommen im Moment vielleicht zwei oder drei." Die | |
39-Jährige ist ratlos. "Wir wissen nicht, was wir machen sollen, wir Führer | |
sind alle Dorfbewohner hier aus der Gegend, ohne die Urlauber haben wir | |
kein Einkommen mehr." | |
Auch für die vom Staat bezahlten Wildhüter wird das Geld immer knapper: Ihr | |
Gehalt wird aus den Parkgebühren finanziert, die derzeit kaum etwas | |
abwerfen. Sollten die Wildhüter das Handtuch schmeißen, so die große Angst | |
bei Madagaskars Naturschützern, könnte die Holzmafia sich schnell in | |
bislang noch gesicherte Ecken der Insel ausbreiten. | |
11 Jun 2009 | |
## AUTOREN | |
Marc Engelhardt | |
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