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# taz.de -- Kommentar Schuldenbremse: Unfug mit Verfassungsrang
> Man kann nur hoffen, dass diese unsinnige Schuldenbremse nie den
> Praxistest erleben muss. Wäre sie schon in Kraft, wäre die
> Krisenintervention des Bundes nicht möglich.
Was halten Sie von dieser Strategie? Firma X verzichtet darauf, eine
Produktionsanlage für ein revolutionäres Produkt zu bauen. Die Neuheit
würde zwar zum Renner und den Reichtum ihrer Erfinder mehren; das
Unternehmen spart sich aber lieber die Investition, denn einen Bankkredit
will es dafür keinesfalls aufnehmen. Schulden sind schließlich etwas
Schlimmes.
Klingt irrsinnig? Ist es auch. Doch leider genießt ein vergleichbarer
ökonomischer Unfug in Deutschland nun Verfassungsrang, nur dass diese
fatale Investitionslogik in Zukunft für die Staatsfinanzen gilt. Übertragen
auf eine Familie mit einem Jahreseinkommen von 60.000 Euro, dürfte diese ab
2015 nicht mehr als 210 Euro neue Schulden machen. Die Länder dürfen sich
demnach ab 2020 überhaupt nicht mehr verschulden. Auch auf die jetzige
Konjunkturkrise dürfte der Staat nur reagieren, wenn er die nötigen
Rettungsmilliarden innerhalb weniger Jahre zurückzahlt. Solch ein Unsinn
hat noch in keinem Land der Welt funktioniert.
Man kann deshalb nur hoffen, dass so viel volkswirtschaftlicher
Analphabetismus nie den Praxistest erleben wird. Denn die Schuldenbremse
würde jede aktive und vorsorgende Wirtschaftspolitik strangulieren. Das
hätte ökonomisch, sozial und kulturell verheerende Folgen. Wäre sie schon
jetzt in Kraft, fiele die massive Krisenintervention des Bundes dem
Schuldenverbot zum Opfer und die deutsche Wirtschaft ins Bodenlose.
Auch für die Zukunftsvorsorge zahlen sich Staatsschulden aus, insbesondere
wenn das Geld in Bildung, Umweltschutz oder neue Verkehrs- und
Versorgungssysteme fließt. Wer das verbieten will, greift den Wohlstand
künftiger Generationen an. Es wäre schön, die Staatsschuld von 1,6
Billionen möglichst bald zu konsolidieren. Das wird aber nur mit einem
gerechten Steuersystem und politischem Augenmaß gelingen - mit einer
grotesken Schuldenregel aber nicht.
13 Jun 2009
## AUTOREN
Tarik Ahmia
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