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# taz.de -- Dilemma von Simbabwes Premier: Tsvangirai wirbt um Hilfe
> Morgan Tsvangirai benötigt Geld zum Regieren. Das versucht der
> Premierminister und frühere Oppositionsführer nun auf einer Reise
> einzusammeln. Am Montag war Station in Berlin.
Bild: Morgan Tsvangirai braucht Hilfe. Die Dame in lila hält sich zurück.
Jahrelang bekämpften sich Präsident Robert Mugabe und Oppositionsführer
Morgan Tsvangirai in Simbabwe bis aufs Messer. Heute, wo sie gemeinsam
regieren, merke man am Kabinettstisch nicht mehr, welcher Minister zu
welcher Partei gehöre. So beschreibt Premierminister Tsvangirai den Erfolg
seiner vier Monate alten Regierung, für die er gestern in Berlin warb.
Auf 8,3 Milliarden Dollar bezifferte Tsvangirai bei Amtsantritt den
Finanzbedarf seiner Regierung. Seither haben die Regionalorganisationen
SADC (Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika) und Comesa
(Gemeinsamer Markt des östlichen und südlichen Afrika) je 200 Millionen
Dollar Kreditlinien zugesagt, die Regionalbanken Afrexim und PTA Bank 250
bzw. 178 Millionen. Die Weltbank versprach 22 Millionen Dollar,
Großbritannien und Norwegen ähnliche Summen humanitärer Hilfe.
Tsvangirai braucht aber monatlich mindestens 100 Millionen Dollar für
laufende Ausgaben wie Gehälter. Die Staatseinnahmen decken davon ein
Fünftel. Bitter nötige Investitionen zum Wiederaufbau der Volkswirtschaft
kann das Land aus eigener Kraft nicht schultern.
Jetzt sind die bilateralen Geber an der Reihe. Drei Wochen lang tourt
Tsvangirai. US-Präsident Barack Obama machte am Freitag einen Anfang mit 73
Millionen Dollar. Die Niederlande sagten 15 Millionen Euro zu. Beides geht
an humanitäre Hilfswerke, nicht an den Staat.
In Berlin wiederholte Tsvangirai gestern seine Forderung nach "gezielter,
gestaffelter Unterstützung". Er nannte vier Bereiche: Kleinbauern, im
Hinblick auf Selbstversorgung in der Landwirtschaft; das Bildungswesen,
damit die Lehrer bezahlt werden können; das Gesundheitswesen, damit Kranke
behandelt werden können; und die kommunalen Verwaltungen, Träger dieser
öffentlichen Dienstleistungen. Diese Bereiche sind klug gewählt, denn genau
da kann Deutschland mit Simbabwe zusammenarbeiten, ohne offiziell die
Zusammenarbeit mit Simbabwe wiederaufzunehmen.
Das Konzept heißt "humanitäre Hilfe plus": Man überweist direkt an
Kommunalverwaltungen unter Führung von Tsvangirais Partei MDC Geld, womit
diese etwa medizinisches Personal bezahlen. So umgeht man die Zentralbank,
von wo aus das Geld in Mugabes Rachen verschwinden könnte. Erst jetzt hat
die Zentralbank überhaupt die Aufsicht über den Staatshaushalt an das
Finanzministerium abgegeben.
Finanzminister Tendai Biti (MDC) fehlt nun unerklärterweise in Berlin, was
die Gespräche nicht leichter macht. Es liegt in der Natur der Sache, dass
Tsvangirai optimistischer klingen muss, als es die Lage erlaubt, und sich
die Geber zurückhaltender äußern müssen, als sie es tatsächlich sind. Wür…
Tsvangirai die Probleme betonen, sähe es nach Hoffnungslosigkeit aus;
würden die Geber ihn demonstrativ belohnen, klänge dies wie eine
Bestätigung für Mugabe.
Simbabwes Regierung habe "erste wichtige Schritte" unternommen, "weitere
müssen aber folgen, insbesondere durch eine umfassende Reform des
Sicherheitssektors", so das Auswärtige Amt. Bundeskanzlerin Merkel
verspricht Unterstützung, "wo es möglich ist". Bundesentwicklungsministerin
Heidemarie Wieczorek-Zeul sagt 5 Millionen Euro Landwirtschaftshilfe zu,
dazu 20 Millionen für einen Weltbank-Fonds für Simbabwe.
Es ist Tsvangirais Pech, dass bei jeder seiner Stationen seine Kritiker
schon vor ihm da sind: Gewerkschaftler, Menschenrechtler,
Zivilgesellschaftler, die sämtlichen Gesprächspartnern des Premierministers
vorab einflüstern: Keine Direkthilfen! "Bloß weil die MDC in die
Institutionen eingetreten ist, sind die noch lange nicht besser", schimpft
Macdonald Lewanika, Koordinator des Dachverbands Crisis in Zimbabwe
Coalition.
Die Erfolgsmeldung des Premiers, dass MDC und Zanu-PF im Kabinett nicht
mehr zu unterscheiden seien, ist aus Sicht der Kritiker eher ein Beweis
dafür, dass sich zu wenig verändert. Unabhängigkeit der Justiz, Abschaffung
repressiver Medien- und Sicherheitsgesetze, Entpolitisierung der
Sicherheitsorgane - von alldem ist nichts zu sehen, sagen sie, und
Tsvangirai widerspricht nicht. Bis heute sperrt sich das Mugabe-Lager sogar
gegen einen neuen Zentralbankchef und einen neuen Generalstaatsanwalt.
Darauf hat Tsvangirai eine einfache Antwort parat: Gerade um einen Rückfall
zu verhindern, muss man ihn stärken. "Die Vergangenheit darf nicht die
Zukunft werden", sagt der Premier. Es klingt wie das Pfeifen im Wald.
16 Jun 2009
## AUTOREN
Dominic Johnson
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