# taz.de -- Ströbele über BND-Ausschuss: "Steinmeier trägt die Verantwortung" | |
> Zum Abschluss des BND-Untersuchungsausschusses fordert Christian Ströbele | |
> mehr Kontrolle der Geheimdienste. Das Kanzleramt kritisiert er wegen | |
> Kurnaz und fordert von Steinmeier "Konsequenzen". | |
Herr Ströbele, der BND-Untersuchungsausschuss beendet seine Arbeit. Die | |
meisten Informationen waren schon nach den Untersuchungen des | |
Parlamentarischen Kontrollgremiums bekannt. Wo war der Mehrwert? | |
Es war wichtig zu zeigen: In einer offenen, parlamentarischen Demokratie | |
bleibt nichts geheim. Bei BND und Kanzleramt wird jetzt verstanden, dass | |
man sich für das eigene Handeln vor einem Parlamentsausschuss verantworten | |
muss. | |
Über die Rolle der BND-Agenten wurde viel spekuliert. Was wurde nun genau | |
an die US-Amerikaner übermittelt? | |
Sogar Stellungen der republikanischen Garden waren dabei, das geheime | |
Ausweichquartier des irakischen Geheimdienstes und ein Offiziersclub. Das | |
sind doch keine humanitären Nicht-Ziele. Das waren alles potentielle Ziele | |
für Bomben- und Raketenangriffe. | |
Also hat man sich am Krieg beteiligt? | |
Der BND hat unzweifelhaft kriegsrelevante Informationen zur Unterstüzung | |
von Kampfhandlungen geliefert. | |
Wie bewerten Sie den Fall Murat Kurnaz aus heutiger Sicht? | |
Es gab das Angebot der USA, Kurnaz aus Guantánamo nach Deutschland | |
freizulassen. Die ND-Lage im Kanzleramt hat sich dagegen entschieden und | |
danach über drei Jahre Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um die | |
Einreise von Kurnaz zu verhindern, obwohl von ihm keine Gefahr ausging. | |
Herr Steinmeier trägt die Verantwortung. Ich erwarte Konsequenzen. | |
Im Fall El Masri bleibt zumindest der Verdacht, dass deutsche Informationen | |
zur Verschleppung El Masris nach Afghanistan geführt haben. | |
Als El-Masri in Deutschland seine Geschichte erzählte, dachten viele, er | |
spinnt. Heute wissen wir: Der damalige Innenminister Schily war zumindest | |
ab der Freilassung vom US-Botschafter informiert. Regierung, Politiker und | |
Staatsanwaltschaft stocherten im Nebel. Schily wusste Bescheid und die | |
Spitze des Bundeskriminalamts. Niemand wurde informiert. Ein nicht | |
nachvollziehbares Verhalten. | |
Wie sehen Sie das Verhalten des alten Parteikollegen Schily? | |
Ich kann mich darüber nur wundern. Es gab eine Beißhemmung gegenüber den | |
Amerikanern. Die durften damals in Deutschland fast alles. So auch im Fall | |
der CIA-Flugzeuge, die Gefangene über Deutschland in Foltergefängnisse | |
verschleppten. Ich stelle mir vor, was in Deutschland geschehe, wenn es so | |
viele Anhaltspunkte gäbe, daß ein Geheimdienst aus einem anderen Land als | |
den USA Menschen zum Foltern über Deutschland fliegt. Die Hölle wäre los. | |
Viele Akten wurden geschwärzt. Wurde das dicke Ende vertuscht? | |
Das vielleicht nicht. Aber zu der wichtigsten Frage, zu deren Aufklärung | |
der Ausschuss überhaupt eingesetzt worden war, welche Informationen die | |
US-Streitkräfte bei den deutschen Agenten in Bagdad während des Irakkrieges | |
nachgefragt haben. Wir bekamen viele Aktenseiten. Aber sie sind fast | |
vollständig unleserlich gemacht - von der Bundesregierung. Deshalb wissen | |
wir nicht, was mit der US-Seite zu den Aufgaben der deutschen Agenten | |
vereinbart war. | |
Auch Journalisten wurden bespitzelt und versucht, sie als Informanten zu | |
missbrauchen. Hat der BND ein Eigenleben entwickelt, das über den | |
eigentlichen Auftrag hinaus ging? | |
Teile sind außer Kontrolle geraten. Im Fall der Journalistenbeobachtung | |
wurde am Anfang eine Beobachtung angeordnet. Später wurde diese | |
fortgesetzt, ohne dass es einen Auftrag gab. Im Fall Irak hat sich dies | |
wiederholt. Informationen wurden an die US-Streitkräfte gegeben, um dort | |
anerkannt zu sein. Herr Steinmeier hat die Verantwortung dafür zu | |
übernehmen. Ich erwarte eine öffentliche Stellungnahme dazu. | |
Muss er persönliche Konsequenzen ziehen? | |
Das kommt darauf an, wie er mit dem Ergebnis des Ausschusses umgeht. Im | |
Fall Kurnaz hat er eine Chance vertan, einem Bremer Bürger mehr als drei | |
Jahre unmenschliche Haft in Guantánamo zu ersparen. Er muss sagen, ob er | |
heute zu dieser Entscheidung steht. Politische Konsequenzen können dann | |
gezogen werden, wenn wir wissen, wie Herr Steinmeier reagiert. | |
Was, wenn er seine damalige Haltung verteidigt? | |
Ich stelle hier keine Rücktrittsforderungen. Aber Herr Steinmeier muss | |
selbstkritisch mit seinem Verhalten umgehen. | |
Steinmeier wirft seinerseits den USA vor, die deutsche Geheimdienstarbeit | |
gelobt zu haben, um alte Rechnungen mit der Regierung Schröder zu | |
begleichen... | |
Da mag durchaus etwas dran sein. Ich habe dies berücksichtigt. So ist das | |
garstige politische Spiel. Deshalb müssen die damit verbundenen | |
Informationen nicht falsch sein. Wir haben sie überprüft und festgestellt, | |
im Kern stimmen alle Vorwürfe. | |
Durch die Regierungsbeteiligung der Grünen waren auch sie unfreiwillig mit | |
der Aktion verstrickt. Wie fühlen Sie über Ihre eigene Rolle? | |
Durchaus auch selbstkritisch. Wir sollten als Parlamentarier nicht auf dem | |
hohen Ross sitzen, sondern uns fragen, ob wir wegen der Bedrohungslage nach | |
dem 11.9. zuweilen nicht zu eingeschüchtert waren. Vielleicht hätten wir | |
alle, auch die Medien, sensibler und nachhaltiger auf die US-Praxis der | |
Missachtung von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit reagieren müssen. | |
Was hat man aus den Erfahrungen und dem Ausschuss gelernt? | |
Vor allem, daß Geheimdienste kontrolliert werden müssen und zwar besser als | |
bisher. Das Parlamentarische Kontrollgremium wurde von der Bundesregierung | |
stets nicht rechtzeitig informiert. Kontrolle konnte nicht funktionieren. | |
Das muss Konsequenzen haben. Einige Beteiligte haben im Ausschuß den | |
Eindruck hinterlassen, daß sie heute vieles anders sehen. Selbst Herr | |
Steinmeier will heute Häftlinge aus Guantanamo in Deutschland aufnehmen, um | |
ihnen aus dem US-Lager rauszuhelfen. Vielleicht eine Reaktion auf den | |
Ausschuss. | |
Und Konsequenzen aus der Ausschussarbeit? | |
Im Gesetz soll definiert werden, was "besondere Vorkommnisse" sind, über | |
die berichtet werden muß. Außerdem sollte es politische Sanktionen geben, | |
wenn die Regierung ihren Pflichten nicht nachkommt. Das muß dann öffentlich | |
werden. | |
Wie sieht ihr Leben nach dem Ausschuss aus? | |
Es war schon sehr mühsam. Ich musste meiner Mitarbeiterin und Freunden | |
versprechen, nie wieder an einem solchen U-Ausschuss zu sitzen. | |
18 Jun 2009 | |
## AUTOREN | |
Gordon Repinski | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Christian Ströbele | |
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