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# taz.de -- Zweifel am Dollar: Das Leid mit der Leitwährung
> Seit der Finanzkonferenz von Bretton Woods ist der Dollar die
> Weltleitwährung. Ökonomen fordern seine Ablösung. Der UN-Gipfel berät nun
> Alternativen.
Bild: Die USA sind von Forderungen nach einer neuen Leitwährung überrumpelt w…
"Eine globale Wirtschaft braucht globales Geld." Diese Idee propagierte
Joseph Stiglitz schon 1997, als er Vizepräsident der Weltbank wurde und
noch nicht Nobelpreisträger für Ökonomie war. Jetzt wiederholt er sie aus
einer noch mächtigeren Position heraus: Der US-Ökonom hat als Vorsitzender
einer internationalen Expertenkommission für die Vereinten Nationen eine
Blaupause für den Umbau des Finanzsystems erarbeitet. Dabei machte Stiglitz
seine Kritik am derzeitigen System deutlich: Der Dollar habe sich in seiner
Doppelrolle diskreditiert und müsse als Leitwährung abgelöst werden, sagte
er. Kernstück der Vorschläge seiner Kommission ist ein neues
Währungssystem: "Es ist klar, dass eine Leitwährung nicht auf einer
nationalen Währung basieren solle, denn das führt dazu, dass die Disziplin
im Finanzsystem verloren geht - mit desaströsen Folgen", heißt es in den
Vorschlägen, die auf dem UN-Gipfel zur Wirtschafts- und Finanzkrise vom 24.
bis 26 Juni in New York diskutiert werden sollen.
Mit dieser Forderung steht der Ökonom nicht alleine da. Seit Monaten
fordern Brasilien, Russland und China "ein stabiles, berechenbares und
stärker diversifizierendes internationales Währungssystem". Beim jüngsten
Treffen der Bric-Staaten schloss sich mit Indien auch das vierte und letzte
der wichtigsten Schwellenländer dieser Forderung an.
Die USA sind davon überrumpelt worden. Die Regierung in Washington habe die
strategische Bedeutung dieser Diskussion bislang nicht erfasst, meint der
Diplomat Charles Freeman. Der Dollar als universelles Zahlungsmittel sei
"absolut entscheidend für die internationale Machtstellung und den Einfluss
der USA". Mehr noch: Dass er "praktisch eine Erweiterung unserer
staatlichen Souveränität ist, haben wir genutzt, um weltweit unilaterale
Sanktionen zu verhängen und das Bankenwesen weltweit im Sinne unserer
Interessen zu manipulieren", so Freeman.
Unbestritten ist, dass die Doppelrolle des Dollar einen wichtigen
Instabilitätsfaktor für das Weltfinanzsystem darstellt. Nicht nur, dass in
der Leitwährung Rohstoffe wie Erdöl, aber auch andere Güter und Devisen
weltweit gehandelt werden, auch internationale Schulden werden in Dollar
gerechnet. Die USA können sich so als einziges Land der Welt im Ausland
ausschließlich in eigener Währung verschulden und damit gigantische
Leistungsbilanzdefizite aufbauen - ohne Sanktionen des Internationalen
Währungsfonds (IWF) fürchten zu müssen. Noch 2007 kauften sie für eine
Dreiviertel Billion Dollar mehr im Ausland ein als sie selbst exportierten.
Allein beim Handel mit China lagen die USA mit einer guten Viertel Billion
im Minus.
Zugleich beeinflusst der Dollar alle anderen Währungen und
Volkswirtschaften. Ein fallender Kurs zwingt Exportländer, die
beispielsweise Erdöl gegen Dollar verkaufen, zu Preiserhöhungen, in der
Folge müssen sie möglicherweise die Produktion einschränken und
Arbeitsplätze streichen. Ein steigender Dollar bringt verschuldete Länder
in Bedrängnis.
Das Problem war schon in Bretton Woods bekannt, wo die Finanzminister und
Notenbankchefs von 44 Staaten der späteren Siegermächte des Zweiten
Weltkriegs den Dollar 1944 als Leitwährung festschrieben. Er wurde in ein
festes Wechselkurssystem eingebunden und die USA verpflichteten sich, den
Kurs durch entsprechende Goldreserven abzusichern. Das Scheitern von
Bretton Woods begann, als die USA anfingen, immer mehr Geld zu drucken, um
ihren Vietnamkrieg zu finanzieren und die Goldbestände nicht mitwuchsen.
1971 kündigte Präsident Richard Nixon die Eintauschpflicht.
Trotz der nun flexiblen Wechselkurse blieb der Greenback die Leitwährung.
Schließlich bestanden die Devisenreserven der Notenbanken inzwischen
hauptsächlich aus dem US-Geld. Zugleich war der Spekulation nun Tür und Tor
geöffnet. 2007 betrug der Tagesumsatz an Devisen mehr als 2,5 Billionen
US-Dollar. Weniger als 5 Prozent davon kamen durch reale Handelsgeschäfte
zustande, die restlichen mehr als 95 Prozent wurden spekulativ bewegt.
Die unregulierte Doppelrolle des US-Dollar und die neuen
Devisenspekulationen sorgten für Währungsturbulenzen und eine wachsende
Krisenanfälligkeit des weltweiten Finanz- und Wirtschaftssystems. Auch zur
jetzigen globalen Krise konnte es nur kommen, weil die USA so gigantische
Kapitalmengen anzogen. "Das führte zu einer Überbewertung der Währung und
dazu, dass das Land in ein gigantisches Leistungsbilanzdefizit
hineingedrückt wurde", sagt Hansjörg Herr, Professor an der Berliner
Fachhochschule für Wirtschaft. "Das entstehende Nachfrageloch musste
binnenwirtschaftlich ausgeglichen werden. In den USA hat man das
Kreditsystem benutzt, um vor allem im Immobilienbereich und im Konsum
Nachfrage zu schaffen - mit den bekannten Folgen."
Durch die Krise ist das Leistungsbilanzdefizit zwar gesunken, aber das
Problem geht weiter. "Keine andere der großen Währungen hat in den letzten
Jahrzehnten so massive Auf- und Abwertungen erlebt wie der US-Dollar", sagt
der Finanzwissenschaftler Stephan Schulmeister vom Österreichischen
Institut für Wirtschaftsforschung Wifo. "Und wenn die Konjunkturpakete der
Regierung Obama nicht den erhofften Schub für die Wirtschaft bringen, wird
die Fed auch jetzt wieder weiter Dollar drucken müssen." Der Markt würde
mit der Währung überschwemmt, sie verlöre weiter an Wert.
Das kann den Ländern nicht gefallen, die immer mehr Devisen eingelagert
haben, um die eigene Währung gegen Schwankungen abzusichern. In den letzten
zehn Jahren stieg der Anteil der Währungsreserven am weltweiten
Bruttonlandsprodukt, also dem Wert der weltweit produzierten Güter und
Dienstleistungen, von 5,6 auf 11,7 Prozent. Inzwischen belaufen sich die
weltweiten Währungsreserven auf 6,9 Billionen US-Dollar.
Ob es Alternativen zum Dollar-System gibt und wie machbar die sind, ist
jedoch umstritten. Die Diskussion konzentriert sich auf zwei Ansätze, die
gar nicht weit voneinander entfernt sind: Die einen wollen zu einer Politik
der festen Wechselkurse zurück, um dann auf dieser Grundlage ein neues
Währungssystem zu entwickeln, die anderen setzen auf eine eigenständige
neue Weltleitwährung.
Wifo-Experte Schulmeister ist ein Verfechter des ersten Konzepts.
"Praktisch ist das machbar", sagt er. "Die Notenbanken müssen sich nur
einig sein und einen engen Korridor für Währungsschwankungen als Ziel
formulieren und kommunizieren." Festschreiben würde Schulmeister die
Wechselkurse der "vier richtigen Währungen". Darunter versteht er neben dem
Dollar und dem Euro auch den japanischen Yen und die chinesische Währung
Renminbi. Rudolf Hickel, Direktor des Instituts Arbeit und Wirtschaft an
der Universität Bremen, würde zusätzlich den russischen Rubel
miteinbeziehen. Derzeit lassen die beiden großen Schwellenländer ihre
Währungen nicht frei am Markt schwanken, sondern legen die Kurse einseitig
politisch fest, auch wenn Russland angekündigt hat, dass 2010 Schluss damit
sein soll. "In einem festen System wären Russland und China so eingebunden,
wie es ihrer gewachsenen wirtschaftlichen Bedeutung entspricht", so Hickel.
"Sie könnten nicht länger ihre Sonderwege verfolgen."
Die Stiglitz-Kommission setzt dagegen auf eine neue globale Weltwährung.
Dabei bezieht sie sich explizit auf den britischen Ökonomen John Maynard
Keynes. Dieser hatte schon in Bretton Woods vorgeschlagen, eine
Weltzentralbank aufzubauen, bei der jeder Staat ein Konto für seine
internationalen Finanztransaktionen bekommt. Alle Zahlungsgeschäfte sollten
in einer einheitlichen, mit Goldreserven abgesicherten Weltwährung
verrechnet werden, an die die Wechselkurse aller nationalen Währungen
gebunden wären. Schwankungen in den Leistungsbilanz einzelner Länder, die
das System destabilisieren könnten, sollten durch Kredite und Zinszahlungen
ausgeglichen werden.
Die Kommission schlägt nun vor, dass beispielsweise der IWF die Rolle
dieser Weltzentralbank übernehmen könnte. Er kennt bereits so etwas wie
eine globale Währung, die den sperrigen Namen Sonderziehungsrechte trägt.
Bislang sind sie eine reine Buchungseinheit und auf dem Markt nicht frei
tauschbar. Der IWF gibt sie aus, wenn dem Markt Liquidität fehlt. Der Kurs
der Sonderziehungsrechte ist bislang an einen Währungskorb aus Dollar,
Euro, Yen und Pfund gebunden, der aber nach Meinung der Experten mindestens
um den Renminbi erweitert werden müsste.
Das Hauptproblem sieht Stiglitz selbst aber in der derzeitigen
Machtverteilung innerhalb des IWF, wo nichts ohne die Zustimmung der USA
geht. Bevor er die Rolle einer Weltzentralbank übernehmen könnte, müssten
zunächst die Stimmrechte reformiert werden, fordert die Kommission. Die
Frage ist, ob mit den USA überhaupt eine Reform zu machen ist. Ein System
fester Wechselkurse ist ohne die Einbindung des Dollar wertlos.
Schulmeister räumt einer Veränderung nur Chancen ein, "wenn die Finanzkrise
auch mit sehr massiven Eingriffen nicht in den nächsten sechs Monaten
beendet werden kann". Auch die Stiglitz-Kommission glaubt offenbar nicht an
schnelle Ergebnisse. In ihrem Entwurf für die Abschlusserklärung der
UN-Konferenz empfiehlt sie denn auch nur noch, die "Machbarkeit eines
Reservesystems" zu untersuchen.
23 Jun 2009
## AUTOREN
Beate Willms
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