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# taz.de -- Journalistin Schayani erklärt den Iran: Klare Kommentare
> Je weniger Informationen aus Teheran heraus dringen, desto wichtiger
> werden Menschen wie sie: Die Journalistin Isabel Schayani erklärt aus
> Köln den ARD-Zuschauern den Iran.
Bild: Isabel Schayani kann sich in beiden Welten einfühlen, der einen von der …
Als Isabel Schayani sich mit der Kanzlerin anlegt, trägt sie ein helles
Jackett, das sie sich von einer Kollegin geliehen hat. Der Kragen ihrer
Bluse sitzt ein bisschen schief. Ihr Oberkörper bebt die ganze Zeit ganz
leicht, während sie spricht. Sie muss diesen Kommentar für die
ARD-"Tagesthemen" ein paar Mal aufzeichnen. Schayani ist aufgeregt. Das
liegt nicht nur daran, dass sie zum ersten Mal im wichtigsten
Nachrichtenmagazin der ARD kommentieren darf, es hat vor allem damit zu
tun, dass es um den Iran geht. Und damit irgendwie auch um sie selbst.
Sie will am Abend des 17. Juni im Ersten Deutschen Fernsehen eine
Verbindung herstellen zwischen diesem Land ihres Vaters, in dem ein Kampf
tobt, und ihrer deutschen Heimat, wo man noch schweigend zusieht und das
"stille Diplomatie" nennt. "Wie viele Iraner müssen auf den Straßen
sterben, damit Angela Merkel deutlich wird?", fragt sie. Hinter ihr
leuchtete das matte Blau der "Tagesthemen"-Weltkarte.
Die Kommentare in der Sendung sind eigentlich die Momente, in denen
Zuschauer wegschalten, das zeigen die Quoten. Zu oft verpacken grauhaarige
Chefredakteursbeamte unverbindliche Allgemeinplätze in abgedroschene
Phrasen. Schayani war anders. Mutiger, klarer. Das haben ihr anschließend
viele gesagt. Mittlerweile ist Merkel deutlicher geworden.
Menschen wie Isabel Schayani sind gerade wichtig wie nie. Der Westen schaut
nach der Präsidentenwahl auf den Iran, und das Regime versucht einen
Sichtschutz aufzuziehen. Ausländische Journalisten werden ausgewiesen oder
verhaftet. Es dringt immer weniger nach draußen. Aber der Westen will nicht
wegschauen. Schayani ist 42 Jahre alt und besitzt zwei Pässe, einen
deutschen und einen iranischen. Und sie sagt, dass sie sich in beiden
Welten einfühlen kann, der einen von der anderen erzählen. "Im Augenblick
bin ich doppelt so persisch wie sonst", sagt sie.
In Schayanis Büro läuft die ganze Zeit das iranische Staatsfernsehen,
außerdem BBC auf ihrem Computermonitor. Sie ist Redakteurin der WDR-Sendung
"Monitor" seit fünf Jahren. Am Donnerstag wird in der ARD die nächste
Ausgabe gezeigt. Sie denkt darüber nach, wie sie das Thema in die Sendung
bekommen könnte - neben der ganz normalen Arbeit. Kürzlich saß sie mit drei
anderen WDR-Frauen, die aus dem Iran stammen, beim Essen, und sie haben
sich darüber unterhalten. Sie diskutiert oft mit Navid Kermani, dem
westfälisch-iranischen Schriftsteller. Er ist ein Freund. Die beiden haben
zusammen studiert. Sie haben jetzt dieselbe Aufgabe: den Deutschen den Iran
erklären. Omid Nouripour hilft genauso mit, der Bundestagsabgeordnete der
Grünen. Sie werden für Zeitungen interviewt, für das Radio und das
Fernsehen.
Es ist auch für Schayani schwierig, an verlässliche Informationen zu
gelangen. Das meiste läuft über Videos, sagt sie, Handyclips. Sie kriegt
ständig welche über ihr Profil im sozialen Netzwerk Facebook geschickt.
Auch jenes von der jungen Frau namens Neda, die auf der Straße starb. Sie
hält es für echt, aber genau wissen kann man das oft nicht. Es gibt ein
paar technische Fragen, mit denen sie die Clips checkt. Laufen Ton und Bild
parallel? Neulich hat sie sich die Szene einer Festnahme angeguckt. Im
Hintergrund knallte ein Schuss. Auf dem Bild zuckte niemand zusammen. Das
sei wahrscheinlich frisiert worden, sagt sie, der Knall nachträglich
darüber gelegt.
Schayani gehört zur zweiten Generation von iranischen Einwanderern. Ihr
Vater kam in den 50ern nach Deutschland, um Arzt zu werden. Der iranische
Teil ihrer Familie sei immer stärker gewesen, erzählt sie. Ihre Großmutter
sprach nur Persisch mit ihr. Manche Verwandten haben sich trotzdem über
Schayanis deutschen Akzent lustig gemacht.
Also beschloss sie, Islamwissenschaften zu studieren und auch noch Arabisch
zu lernen. Sie wurde Journalistin und hat sich für die Einwanderer immer am
meisten interessiert, auch wenn sie bei "Monitor" genauso über den
Kaufhauskonzern Arcandor berichtet. "Ich finde, diese Menschen haben mit
Abstand die spannendsten Geschichten zu erzählen", sagt sie.
Als sie gerade angefangen hatte zu studieren, nahm Schayani eine Frau in
ihrer Bonner Wohnung auf, die aus dem Iran geflüchtet war. Erst für sechs
Wochen, probeweise, aber danach wollte sie sie den Gast nicht mehr
wegschicken. Vor allem deren Humor mochte sie. Die Frau wirkte so brav. Und
war dabei unglaublich frech. Auch Schayani redet gerne offen und formuliert
spitz. Manchmal ist sie deshalb im WDR an Grenzen gestoßen. Sie hat eine
Zeit lang ein Multikulti-Magazin namens "Cosmo TV" moderiert und darin von
einem "Ali-Normaltürken" gesprochen, so wie Otto-Normalverbraucher. Ein
Rundfunkrat fand das gar nicht lustig. In ihren "Tagesthemen"-Kommentar
hatte sie erst einen Witz geschrieben. Und ihn dann schnell wieder
gestrichen.
Es ist eine ständige Gratwanderung. Sie verfolgt alles, was im Iran
passiert. Sie leidet mit, es wühlt sie auf. "Ich mache mir große Sorgen um
die Menschen dort und natürlich auch um meine Freunde", sagt sie.
Gleichzeitig kämpft sie dagegen an, dass die Emotionen ihre Arbeit komplett
bestimmen. Das sei das "Monitor"-Prinzip, sagt sie. Zurücktreten, das
Denken entschleunigen, Motive der Handelnden hinterfragen. So kühl es geht.
Sie verzichtet mittlerweile auf das Kurznachrichten-Netzwerk Twitter. Am
Tag ihres Kommentars hatte sie einen jungen Kollegen gebeten, die
Twitter-Meldungen für sie zu scannen. Irgendwann kam er aufgeregt
hereingerannt und rief, der Innenminister sei erschossen worden. Sie
erzählte das iranischen Freunden, und die lachten sie aus.
Im Nachhinein kam ihr der Kommentar in den "Tagesthemen" fast ein wenig
pathetisch vor. "Ich opfere mich für Sie", mit dieser persischen
Redewendung fing sie an. Das würden die Demonstranten auf den Straßen jetzt
tatsächlich tun. Deshalb dürfe man nicht zusehen und immer nur "pssst"
sagen. Sie machte tatsächlich "pssst", mehrfach hintereinander. Steinigung
- "pssst". Unterdrückung von religiösen Minderheiten - "pssst". Ganz
beiläufig erwähnt sie so das Thema, das ihr am wichtigsten ist: Sie gehört
selbst einer religiösen Minderheit an. Mehr möchte sie dazu nicht sagen. Es
sind in der Vergangenheit Dinge passiert, die sie schweigen lassen, weil
sie ihre Verwandten nicht gefährden möchte. Sie ruft dort auch nicht an im
Augenblick. Isabel Schayani, die mutige Kommentatorin, wirkt auf einmal
ungeheuer vorsichtig. Sie möchte niemanden opfern.
27 Jun 2009
## AUTOREN
Johannes Gernert
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