Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Totschlag-Prozess: Rechte Gesinnung nicht berücksichtigt
> Das Landgericht Magdeburg verhängte acht Haft für Totschlag. Der
> rechtsextreme Hintergrund des Täters wurde nicht mit einbezogen.
Bild: Parole an Häuserwand in Sachsen-Anhalts Hauptstadt: Hochburg rechter Gew…
HAMBURG taz | Das Urteil enttäuscht die Familie des Opfers. Das Landgericht
Magdeburg sprach am Freitag David B. wegen Totschlags schuldig und
verurteilte ihn zu einer Jugendstrafe von acht Jahren Gefängnis. Die 2.
Jugendkammer sah es als erwiesen an, dass der heute 20-Jährige am 24.
August 2008 Marcel W. tötete. Für die Angehörigen sei aber unfassbar, dass
der politische Hintergrund unberücksichtigt blieb, betont Heike Kleffner
von der "Mobilen Beratung für Opfer rechter Gewalt".
Seit dem Februar 2009 musste sich David B. vor der Kammer verantworten. Am
Morgen des 24. August 2008 hatte die Polizei Marcel W. in der Wohnung von
David B. in Bernburg tot aufgefunden. Der 18-Jährige lag im Badezimmer, von
mehreren Messerstichen in Bauch und Oberkörper getroffen. Über Stunden
hatte David B. sein Opfer misshandelt.
Die Kammer sprach dennoch von einer spontanen Tat, die geschah, um eine
Zeugenaussage zu verhindern. Denn zwei Tage nach der Tat sollte Marcel W.
eigentlich vor dem Amtsgericht Bernburg gegen David B. aussagen, dass er
bereits von ihm misshandelt worden sei. Für Kleffner unverständlich, dass
die Kammer dennoch nur von einer "Abstrafung" sprach.
In dem Verfahren, so Kleffner, bestätigte sich auch, dass David. B. Marcel
W. seit der Schulzeit misshandelt hatte. Und immer wieder hätten Zeugen
betont, das David B. fest in der rechtsextremen Szene verankert sei. Eine
enge Freundin sagte gar, David B. sei ein bekennender "Nationalsozialist",
erzählt Kleffner. Es gibt Fälle, in denen die Tatsache, dass der Angeklagte
rechtsextrem war, die Strafe für Gewalttaten verschärfte.
Mit seiner Einstellung war David B. auch der Polizei schon aufgefallen.
Wegen gefährlicher Körperverletzung, Zeigen eines Hitlergrußes und
Bedrohung von Migranten, begleitet von "Ausländer raus!"-Rufen, wurde er
bereits zu einer Haftstrafe verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt war.
In der Wohnung von David B. fand die Polizei überall rechtsextremes
Propagandamaterial. Nachbarn beschwerten sich regelmäßig wegen des lauten
Abspielens und Grölens von rechten Liedern.
Vieles blieb bei der Verhandlung ungeklärt, etwa die Frage, wie Marcel B.
in die Wohnung kam. "Leider zeigte die Staatsanwaltschaft keinerlei
Interesse an einer Aufklärung möglicher rechter Tathintergründe", sagt
Kleffner. Das sei ein symptomatischer Umgang mit rechtsextremen
Gewalttätigkeiten, glaubt Sebastian Scharmer, Anwalt der Nebenkläger.
Seit Jahren liegt das Bundesland Sachsen-Anhalt an der Spitze der Statistik
des Bundesinnenministeriums unter "Politisch motivierte Kriminalität -
rechts". Im August 2008 war Marcel W. nicht das einzige Todesopfer von
Rechtsextremen in Sachsen-Anhalt. In Dessau wurde ein Obdachloser, der in
der Nacht zum 1. August auf einer Parkbank übernachten wollte, von zwei
Männern angegriffen und getötet.
Wenige Tage später erschlug ein stadtbekannter Neonazi in Magdeburg einen
21-jährigen Kunststudenten, nur weil dieser ihn "Hobbynazi" genannt hatte.
In allen drei Fällen ergingen hohe Haftstrafen. Ein Zusammenhang zwischen
einer rechten Gesinnung und der jeweils begangenen Tat wurde dabei aber
nicht gesehen.
Die Verbrechen lösten in Politik und Medien eine Debatte aus. In
Sachsen-Anhalt versucht die Politik seit Jahren, die Behörden für solche
Fälle zu sensibilisieren. Im vergangenen Jahr richtete das "Netzwerk für
Demokratie und Toleranz in Sachsen-Anhalt" entsprechende Fortbildungen für
Polizei- und Justizangehörige aus.
26 Jun 2009
## AUTOREN
Andreas Speit
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.