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# taz.de -- EM-Finale der U21-Fußballer: Deutsche Normalos
> Keine blinde Euphorie: Selbst wenn die U21-Kicker des DFB am Montag im
> Spiel gegen die Engländer Europameister werden sollte, gehören sie noch
> lange keiner goldenen Generation an.
Bild: Eines von zwei echten deutschen Talenten: Manuel Neuer.
MALMÖ taz | Peter Knäbel gehörte zu den Pionieren, die den deutschen
Fußball in die Zukunft führen wollten. Er musste erkennen, dass ein
Visionär nur ein Trottel ist, wenn niemand seine Ideen versteht. 1995
spielte er als Profifußballer beim 1. FC Nürnberg. Abends trainierte er die
C-Jugend. Er führte die Viererkette statt des Liberos ein. Nach dem ersten
Spiel tuschelten die Eltern der Jungs: "O Gott, mit dem Trainer steigen wir
ab." Die C-Jugend des übermächtigen 1. FC Nürnberg hatte gegen den
Post-Sportverein der Stadt 2:9 verloren.
Zu verstehen, was diese komische Viererkette überhaupt sollte, die der Rest
der Welt längst spielte, wurde zum Symbol der großen deutschen
Rückständigkeit Mitte der Neunziger. Ganze Jahrgänge von Talenten
versiegten angesichts der veralteten Ausbildung. "Eine Reihe deutscher
Trainer müsste sich entschuldigen", sagt Knäbel, der mittlerweile als neuer
Technischer Direktor die angesehene Jugendarbeit des Schweizer Verbandes
verantwortet.
Wie ein Kontrast zu jenen langen Jahren der Stagnation erscheint der
aktuelle deutsche Triumphzug im Jugendfußball. Am Montag (20.45 Uhr, live
im ZDF) fordert die deutsche Elf in Malmö im Endspiel der U21-EM England
heraus, nachdem die DFB-Teams jüngst bereits die europäischen Titel in den
anderen zwei Nachwuchsklassen U19 und U17 eroberten. Doch diese Erfolge
künden nicht eine goldene Generation an, sondern küren bloß die langsam
zurückgewonnene Normalität in der Jugendarbeit. "Die Deutschen", sagt
Knäbel, "haben nur ihren unnatürlichen Rückstand aufgeholt und jetzt eine
Trainergeneration im Jugendbereich, die auf dem Stand der Zeit ist."
Ungewollt belegt die U21-Auswahl bei der EM in Schweden, dass der neue
deutsche Nachwuchs nicht umwerfend, sondern einfach alltäglich gut ist. Das
Höchste hatte Trainer Horst Hrubesch von seiner Elf sehen wollen,
dominanten, blitzschnellen Flachpass-Fußball; Schritt für Schritt haben
Trainer und Spieler die Ambitionen aufgeben müssen. Sie überforderten sich
selbst: Noch beim 1:0-Sieg über Italien im Halbfinale, als sie schon
bewusst konservativer agierten, landeten vier von zehn Pässen beim Gegner.
Sie haben rechtzeitig ihre Beschränkungen erkannt und mit defensiven
Automatismen, enormer Fitness und einigen Funken Klasse bei der EM bislang
immer das letzte Wort gehabt. An diesem Stil ist nichts Verwerfliches. "Wir
sind einfach Deutschland", sagte der Siegtorschütze des Halbfinals, Andreas
Beck. "Wir glauben an uns, wir geben alles, wir marschieren, auch wenn
unser Spiel mal nicht glamourös ist."
Der ultimative Sinn des Juniorenfußballs ist nicht, U21-Europameister zu
werden, sondern möglichst viele erstklassige Profis zu entwickeln. Ob aus
der deutschen Auswahl wirklich mehr herausragende Spieler hervorgehen als
etwa aus der spanischen Elf, die in der Vorrunde scheiterte, sei
dahingestellt. Torwart Manuel Neuer und Mesut Özil sind die zwei seltenen
Begabungen. Bei den drei Verteidigern Höwedes, Boateng und Beck wird es
spannend, sie haben viel, um langjährige A-Nationalspieler zu werden, aber
alle auch noch Schwächen, Boateng etwa beim Kopfballspiel. Die große Masse
des Teams sollte Karriere als ordentliche Bundesligaspieler machen. Das ist
es, was die Deutschen von ihrer neuen Jugend erwarten können: ab und an
einen Berufenen wie Neuer und über Jahre viele passable Erstligaspieler.
Das ist mehr, als sie jahrelang gewohnt waren.
Übrigens: Peter Knäbel ist damals mit seiner Nürnberger C-Jugend doch noch
Meister geworden. Samt Viererkette.
29 Jun 2009
## AUTOREN
Ronald Reng
## TAGS
U21-EM
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