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# taz.de -- Brasiliens Umweltpolitik: Waldzerstörer werden belohnt
> Präsident Lula nickt ein Gesetz ab, das den Landraub durch Großfarmer und
> Spekulanten in großem Stil legalisiert. Umweltgruppen sind schockiert,
> aber machtlos,
Bild: Die Abholzung des Urwalds schreitet voran - und das neue Privatisierungsg…
Luiz Inácio Lula da Silva ist gelassen: Wegen des neuen Gesetzes, das die
Privatisierung von 674.000 Quadratkilometern im Amazonasgebiet erlaubt,
werde es auf internationaler Ebene Streit geben, sagte der brasilianische
Präsident. Dass er diesen Ärger in Kauf nimmt, hat innenpolitische Gründe:
Seit 2003 regiert Lula mit einer breiten Koalition, die weit ins
konservative Lager hineinreicht und die auch im kommenden Jahr seiner
Wunschkandidatin Dilma Rousseff zum Sieg verhelfen soll.
Dafür schlug sich der frühere Gewerkschafter wieder klar auf die Seite der
Agrarlobby, die mit ihren Sojafeldern und Viehherden am meisten zur
Vernichtung des Regenwaldes beiträgt. Für bis Ende 2004 illegal besetzte
Ländereien, die zusammen fast der doppelten Fläche Deutschlands
entsprechen, kann der Staat nun Besitztitel ausstellen. Damit, so die
offizielle Begründung, sollen die Landkonflikte in Amazonien entschärft und
die Bestrafung von Umweltsündern erleichtert werden.
Lulas frühere Umweltministerin Marina Silva, die jetzt wieder im Senat
sitzt, sieht das anders. Am Freitag, als das Gesetz in Kraft trat, sagte
sie im brasilianischen Oberhaus: "Ich bin schockiert. Wenn es nach dem
Gesetz geht, hat es in den letzten 20 Jahren in Amazonien keinerlei
Landraub gegeben, sondern die Betroffenen sind nur wegen öffentlicher
Anreize hingezogen und geben der Landnutzung eine soziale Funktion."
Abwegig sei es auch, Kleinbauern und illegal operierende Großunternehmer
auf eine Stufe zu stellen - 72 Prozent der Riesenfläche besteht aus
Landgütern, die größer als 15 Quadratkilometer sind. Das Gesetz, so Silva,
sei ein "Zeichen an alle, die heute illegal Land besetzen, dass sie künftig
mit einer Legalisierung rechnen können".
In den letzten Monaten hatten die Parlamentarier der Agrarlobby den von der
Regierung eingebrachten Gesetzesentwurf immer weiter verwässert. So darf
das Land, das bislang dem Staat gehörte, schon drei Jahre nach der
Privatisierung weiterverkauft werden. Jetzt machte Lula nur in einem Punkt
von seinem Vetorecht Gebrauch: Von der Legalisierung ausgenommen sind
Unternehmen sowie Privatleute, die nicht selbst auf den Grundstücken
wohnen.
Bei bis zu vier Quadratkilometer großen Grundstücken reicht eine Erklärung
der Landbesetzer, damit diese umsonst oder zu einem symbolischen Preis zu
Eigentümern werden. Dabei müssen ihre Angaben nicht einmal vor Ort von
staatlichen Inspektoren überprüft werden. 4 bis 15 Quadratkilometer große
Farmen müssen hingegen zu Marktpreisen gekauft werden. Dafür stellt der
Staat günstige Kredite bereit. Kleinsiedler, die im Rahmen der Landreform
nach Amazonien gelockt wurden, würden aber auch künftig vom Agrobusiness
verdrängt, sagt Plínio de Arruda Sampaio, Aktivist und früherer
Parteifreund Lulas.
Nun würden Landraub und Spekulation belohnt sowie die Straflosigkeit in der
Region fortgesetzt, sagte Nilo DAvila von Greenpeace. Die Regierung
beschleunige dadurch die weitere Kolonisierung und Entwaldung Amazoniens.
Gleich in neun Punkten sei das Gesetz verfassungswidrig, heißt es in einem
Gutachten dreier Staatsanwälte, das Lula letzte Woche zugestellt worden
war.
In den letzten drei Jahrzehnten wurden bereits 20 Prozent des weltweit
größten Regenwaldes im Amazonasgebiet zerstört, das zu zwei Dritteln in
Brasilien liegt. Rodungen sind für rund 70 Prozent der brasilianischen
CO2-Emissionen verantwortlich. Das Land ist deswegen zum viertgrößten
Emittenten von Treibhausgasen aufgestiegen.
28 Jun 2009
## AUTOREN
Gerhard Dilger
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