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# taz.de -- Priesterweihe bei den Pius-Brüdern: Zwölf Millionen Rosenkränze
> In Zaitzkofen bei Regensburg wurden am Samstag drei Priester der
> Pius-Brüderschaft geweiht - trotz Verbot des Vatikans.
Bild: Priesterweihe nach vorkonziliarem Ritus.
ZAITZKOFEN taz | Für Hochwürden hat der Buchhändler etwas ganz Feines:
einen nagelneuen, prächtigen Bildband über Papst Pius XII., der zum
Holocaust schwieg - oder doch irgendwie nicht schwieg, wie der Vatikan
neuerdings weiszumachen versucht, weshalb Papst Benedikt XVI. ihn wohl bald
seligsprechen wird. Klar, meint der Buchhändler, für Hochwürden reiße er
auch gern die Schutzfolie auf, damit er hineinschauen könne. "Er ist sicher
heiligmäßig", sagt der junge Geistliche in der Soutane nach einem kurzen
Blick in den Band.
Ein solches Werk ist hier im Priesterseminar Herz Jesu der
"Priesterbruderschaft St. Pius X." im bayerischen Dorf Zaitzkofen nahe
Regensburg eine todsichere Sache. Mehrere Exemplare liegen eingeschweißt
auf dem Büchertisch gegenüber dem Herrenhaus der Bruderschaft bereit. In
diesem kleinen Schloss lebte einst - ausgerechnet! - Graf Maximilian
Montgelas, ein Reformer und Mitglied des freimaurerischen
Illuminatenordens. Seit 25 Jahren werden hier junge Männer zu Priestern
ausgebildet und geweiht. Am nächsten Tag ist es wieder so weit. Doch was
eigentlich ein fröhliches Kirchenfest in der bayerischen Provinz sein
könnte, sorgt seit Monaten für Streit - bis nach Rom.
Denn die Priester gehören zur ultratraditionalistischen Pius-Bruderschaft,
einer katholischen Sekte außerhalb der Kirche, der auch der
Holocaustleugner Bischof Richard Williamson angehört. Die
römisch-katholische Kirche trennte sich 1988 von der Bruderschaft, auch
wenn diese Gegenteiliges behauptet. Der Vatikan hatte Anfang 2009 vier
exkommunizierte Bischöfe der Bruderschaft wieder in die Kirche aufgenommen,
die für dieses Wochenende geplanten Weihen von drei Priestern nach altem,
lateinischem Ritus durch einen dieser Bischöfe, den Spanier Alfonso de
Galarreta, jedoch für "illegitim" erklärt. Denn Pius-Bischöfe dürfen keine
Sakramente spenden, also auch keine Priester weihen.
Genau das aber soll in Zaitzkofen geschehen, obwohl es auch der
Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller den Pius-Brüdern schon vor
Monaten ausdrücklich verboten hat. Doch darum schert sich niemand im
Herrenhaus, das mit Fahnen - frecherweise in den Farben Gelb und Weiß, den
Fahnen der Kirche - festlich geschmückt ist. Das Wetter ist frühsommerlich
strahlend. Pius-Anhänger aus ganz Europa, viele mit weißen Haaren, wuseln
herum, Priester in schwarzen Soutanen fragen in radebrechendem Deutsch oder
Englisch nach ihren Gästezimmern im Seminar, die örtlichen Pius-Brüder sind
hektisch und schwitzend dabei, die Festwiese hinter dem Schloss für die
illegale Weihe herzurichten.
Noch konservativer
Ein paar Kilometer entfernt sitzt Fritz Wallner vor einer Apfelschorle in
einem Biergarten und kann die ganze Sache nicht fassen. Wallner, Jahrgang
1951, ist seit 24 Jahren der Verwaltungschef der Gemeinde Schierling, zu
der Zaitzkofen gehört - und allein dieser Umstand dürfte belegen, dass der
liebe Gott einen feinen Sinn für Humor hat. Denn Wallner ist zwar nicht der
Montgelas des 21. Jahrhunderts - im Gegenteil, seine katholische Biografie
ist seit Messdienerzeiten vorbildlich. Aber er gehört zu den
leidenschaftlichen Verfechtern der fortschrittlichen Regeln des Zweiten
Vatikanums.
Deshalb war Wallner mit dem Regensburger Müller in den vergangenen Jahren
so heftig aneinandergeraten, dass das höchste Gericht der Weltkirche in Rom
nach langwierigen kirchlichen und weltlichen Prozessen im Mai urteilte: Ja,
der Beschluss von Bischof Müller war richtig, den widerspenstigen Wallner
nicht nur aus allen Laiengremien des Bistums zu schmeißen, sondern ihm
sogar das passive Wahlrecht zu entziehen. Bis 2005 war Wallner Vorsitzender
des Diözesanrates, des höchsten Laiengremiums in Müllers Bistum.
"Wir dürfen als Kirche nicht jedem Zeitgeist nachrennen", sagt das
CSU-Mitglied Wallner, "aber wir können ihn vielleicht beeinflussen." Das
Volk Gottes, das heißt alle Gläubigen der Kirche, müssten die Welt
durchdringen mit dem Evangelium, "der besten Nachricht, die die Menschheit
kennt. Das aber gelingt nicht mit autoritärem Handeln." Deshalb ist Wallner
so über Kreuz mit dem herrischen Bischof Müller, der - und das ist die
Pointe - wie die Pius-Brüder eigentlich eine "priesterzentrierte Kirche"
wolle, in der die Priester Halbgötter sind und die Gläubigen nichts zu
sagen haben. Ausgerechnet der erzkonservative Bischof Müller, der in seinem
Bistum liberale Theologen streng maßregelte, liegt nun im Streit mit den
noch konservativeren Pius-Brüdern - und Liberale wie Wallner hoffen, dass
er streng bleibt.
Das ist so absurd, dass die Zaitzkofener am Stammtisch beim Bier im
einzigen Wirtshaus des 190-Seelen-Dorfs, dem Gasthaus Prückl, gut bayerisch
am liebsten über alle lästern: den Wallner, den Müller, die Journalisten,
die neuerdings in die Idylle eindringen - kaum jedoch über die Pius-Brüder,
mit denen man seit Jahrzehnten doch ganz gut auskommt, wie es einhellig
heißt. Ein Hauptargument für die Akzeptanz der Ultratraditionalisten, gegen
die die Dorfjugend alljährlich kickt: "Wann die net komme wärn, da wärn
bloß die Asylanten oder Ausländer neikomme" - "nei" bedeutet hier das
Schloss, das fast am Verfallen war, ehe es die Pius-Brüder über einen
Strohmann erstanden.
Einen Steinwurf entfernt sitzt die 78-jährige Rosina Bauer in ihrem überaus
gepflegten Gemüsegarten auf einer Bank direkt vor der römisch-katholischen
Kirche des Dorfes und sagt im Schein der Abendsonne: Nein, zu den Messen
der Pius-Brüder gehe kaum jemand vom Dorf. Nur die, die bei den
Pius-Brüdern arbeiteten - "Net dass die ihren Arbeitsplatz verlieren".
Rosina Bauer putzt auch in der römisch-katholischen Kirche gegenüber. Sie
ist wenig später eine von sechs Gläubigen, die die Freitagabendmesse des
Pfarrers Josef Vattathara miterleben. Er kommt aus Indien, was durchaus
Sinnbild der Krise der katholischen Kirche in Deutschland ist. Vattathara
muss in Schierling sechs Kirchen betreuen, nur einmal im Monat hält er in
Zaitzkofen die Sonntagsmesse. Dann aber sei die Kirche voll, erzählt er
beim Ausziehen des Messgewands in der Sakristei. Mit den Pius-Brüdern gebe
es keine Kooperation. Der Pfarrer ist sehr kurz angebunden. Bischof Müller
habe doch schon alles gesagt.
Gesundgebetet
Die Pius-Anhänger sind in der Regel auskunftsfreudiger. Etwa Peter und
Maria Renate Jaspers, 65 und 59 Jahre alt, aus Wirges im Westerwald. Maria
Renate Jaspers erzählt, sie sei "sterbenskrank" gewesen, ehe sie die
Pius-Brüder entdeckt habe - nach drei Messen im alten Ritus war sie
gesundet. "Das ist das, was wir vor 40 Jahren verloren haben", schwärmt ihr
Mann, "die", er betont das Wort, "heilige Messe." Seit sieben Jahren fahren
sie wöchentlich 444 Kilometer hierher, "und jeder Kilometer ist ein
Genuss". Das Paar will mit anderen Gläubigen bis März insgesamt 12
Millionen Rosenkränze dafür beten, dass es zu einer Einigung mit dem
Vatikan kommt. Das Konzil aber sollten die Pius-Brüder, anders als von Rom
gefordert, keinesfalls anerkennen.
Ähnlich radikal redet ein 62-jähriger Pius-Anhänger, der regelmäßig von der
Mosel hierhergefahren kommt. Er spricht von der Amtskirche und ihrem
"ganzen evangelischen Scheißdreck" - gemeint sind die Neuerungen des
Konzils. Ganz offensichtlich würde er auch gern etwas über "Bischof"
Williamson und die Zahl von sechs Millionen Toten des Holocaust sagen, aber
seine Frau zieht ihn da hektisch, ja fast ängstlich weg.
Endlich ist der große Tag der Priesterweihe da. Auf der Wiese hinterm
Schloss sind am Samstag nach Angaben der Polizei etwa 2.000 Gläubige
versammelt, etwas weniger als in den Vorjahren. Nonnen aus Frankreich sind
da, Schülerinnen eines deutschen Pius-Gymnasiums in Schuluniform, viele
Frauen in Röcken, manche mit Kopftuch. Die Priester sitzen unter zwei
Zelten, die frommen Schäfchen im Freien. Gott sei Dank regnet es nicht.
Sechs Kamerateams und wohl ein Dutzend Journalisten durften sich
akkreditieren.
Die Pius-Brüder fahren alles auf, was die katholische Kirche an Pomp zu
bieten hat. Die Messe dauert geschlagene vier Stunden. Alles ist auf Latein
- bis auf einer Erklärung des Leiters des Priesterseminars. "Wir lieben die
Kirche", sagt Stefan Frey - und verteidigt die unerlaubten Weihen damit,
dass es eine "Notsituation", einen "beispiellosen Ausnahmezustand", in der
Kirche gebe. Deshalb habe man gegen die Weisung Roms geradezu verstoßen
müssen. Bischof Galarreta predigt weitschweifig und auf Französisch über
die Kraft der Messe, den "siegreichen Kampf gegen den Teufel" und "die
Schönheit der Keuschheit". Die Gläubigen dürfen vor allem schweigen und oft
knien.
Irgendwann während der vierstündigen Zermonie sagt Pressesprecher Steiner
am Rande der Messe, Rom habe die Weihen keinesfalls verboten: Der
Ordensoberste Bernard Felley habe bei jüngsten Gesprächen im Vatikan nichts
davon gehört. Gut möglich, dass er recht hat. Auch der Papst liebt die
Priesterkirche.
29 Jun 2009
## AUTOREN
Philipp Gessler
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