| # taz.de -- Debatte Honduras: Hinterhof außer Kontrolle | |
| > Die Obama-Regierung ist mitverantwortlich für den Putsch. Unter Hillary | |
| > Clinton geht Washingtons Diplomatie nach hinten los. | |
| Beim Staatsstreich in Honduras, dem ersten Testfall für Barack Obamas | |
| Lateinamerikapolitik, macht die US-Regierung keine gute Figur. Zwar | |
| erklärte der Präsident am Montag, für ihn bleibe Manuel Zelaya der | |
| demokratische gewählte Staatschef in dem zentralamerikanischen Land, und | |
| fügte hinzu: "Es wäre ein schrecklicher Präzendenzfall, wenn wir anfingen, | |
| uns rückwärts auf jene Ära zuzubewegen, in der eher Militärcoups als ein | |
| Mittel des politischen Übergangs gesehen wurden als demokratische Wahlen." | |
| Diese klare Verurteilung des Putsches ist zweifellos ein Fortschritt. Das | |
| zeigt sich im Vergleich zum April 2002. Damals, nach der Absetzung von Hugo | |
| Chávez in Venezuela, blamierte sich Washington mit der Anerkennung des | |
| kurzlebigen Putschistenregimes. Doch auch jetzt bleibt die Rolle der USA | |
| dubios. | |
| Außenministerin Hillary Clinton drückt sich bislang um eindeutige Schritte | |
| gegen die neuen Machthaber in Honduras. Nach US-Gesetzen hätte sie | |
| beispielsweise die Auslandshilfe an Tegucigalpa - 48 Millionen Dollar für | |
| 2009 - bereits einfrieren müssen. "Wir haben keinerlei Forderungen | |
| aufgestellt, auf denen wir bestehen", sagte sie stattdessen. Damit gibt sie | |
| einer Regierung Auftrieb, die am Dienstag in der UN-Vollversammlung | |
| einmütig als illegitim bezeichnet wurde. Wie wenig Clinton auf die | |
| Befindlichkeiten der Lateinamerikaner eingeht, zeigte sie schon vor wenigen | |
| Wochen in Honduras: Als auf der Vollversammlung der Organisation | |
| Amerikanischer Staaten (OAS) um eine mögliche Wiederaufnahme Kubas | |
| gestritten wurde, reiste sie vorzeitig ab. | |
| Auch für den Staatsstreich selbst ist Washington mitverantwortlich. Seit je | |
| läuft in Honduras kaum etwas ohne das Zutun der USA - daher galt der | |
| verarmte Kleinstaat lange als Bananenrepublik. In den Achtzigerjahren | |
| organisierte der damalige US-Botschafter John Negroponte von Honduras aus | |
| den unerklärten Krieg gegen das sandinistische Nicaragua. Unter George W. | |
| Bush stieg er zum Staatssekretär im Außenministerium auf. 80 Kilometer von | |
| Tegucigalpa entfernt sind im honduranischen Luftwaffenstützpunkt Soto Cano | |
| 550 US-Soldaten stationiert. Dort kümmern sie sich vorwiegend um den | |
| Antidrogenkampf und das nicht besonders erfolgreich. Die einheimische | |
| Luftwaffe hingegen spielte schon vor dem Putsch eine zentrale Rolle: Als | |
| die Militärs die von Zelaya für Sonntag geplante Volksbefragung | |
| boykottierten, landeten die Urnen auf einer Luftwaffenbasis. Der Präsident | |
| selbst wurde nach seiner unsanften Festnahme von einem Militärflugzeug nach | |
| Costa Rica gebracht. | |
| Gegenüber der New York Times versicherte ein US-Funktionär, man habe die | |
| Honduraner von einem Putsch abhalten wollen. Offenbar fehlte diesen | |
| Bemühungen der Nachdruck - und das in einem Land, das wirtschaftlich immer | |
| noch an der Nabelschnur Washingtons hängt, unter anderem über ein | |
| Freihandelsabkommen. | |
| Verschwörer und US-Interessen | |
| Nicht zufällig sehen sich die Verschwörer im Einklang mit den US-Interessen | |
| in ihrem Land. Die bemerkenswerte Linkswende des Großgrundbesitzers Zelaya | |
| beäugten sie immer misstrauischer. Noch im November hatte der unorthodoxe | |
| Staatschef Obamas Wahl begeistert begrüßt. Monate später beklagte er in | |
| einem Brief an Obama die Interventionspolitik der USA und bat darum, das | |
| Prinzip der Nichteinmischung zu respektieren. Anlass war Washingtons | |
| selektive Visums- und Drogenpolitik - zwei Druckmittel, die gerne gegen | |
| unbotmäßige Regierungen eingesetzt werden. | |
| Mit der Erhöhung des Mindestlohns um 60 Prozent, seinem Einsatz für | |
| Kleinbauern oder FabrikarbeiterInnen und der Kritik an den rechten Medien | |
| forderte Zelaya die Oligarchie heraus, die auch seine eigene Liberale | |
| Partei beherrscht. Statt Repression im "Drogenkrieg" machte er sich für | |
| Resozialisierung von Drogenopfern und Mitgliedern der Jugendbanden stark. | |
| Das Fass zum Überlaufen brachte er mit seinem Plan, am Sonntag das Wahlvolk | |
| darüber befragen zu lassen, ob es gleichzeitig mit den Wahlen im November | |
| über eine mögliche Wahl eines Verfassungskonvents abstimmen wollte. | |
| Diesen Weg, den Venezuela, Ecuador und Bolivien bereits erfolgreich | |
| beschritten haben, fürchtete das Establishment wie der Teufel das | |
| Weihwasser - auch wenn die Chancen Zelayas, sich dadurch wieder an die | |
| Macht zu bringen, bei weitem nicht so gut standen wie bei seinen | |
| südamerikanischen Verbündeten. Auch in Washington war man über diesen meist | |
| als "populistisch" denunzierten Ansatz alles andere als begeistert, zumal | |
| der Präsident letztes Jahr Honduras Beitritt zum linken Handelsbündnis Alba | |
| ("Bolivarianische Alternative für Amerika") vollzogen hatte. | |
| Dass Zelaya bei der Polarisierung der letzten Monate auf die bedingungslose | |
| Rückendeckung von Hugo Chávez zählen konnte, ist kein Geheimnis. Manche | |
| Beobachter vermuten sogar, dass er den Putsch provozieren wollte, um jetzt | |
| als gefeierter Retter des Vaterlandes zurückkehren zu können. Doch so viel | |
| Machiavellismus ist dem Unternehmer mit dem sozialen Gewissen wohl nicht | |
| zuzutrauen. | |
| Die derzeitige Entwicklung ist allerdings im Sinne von Chávez, der sich | |
| unter seinen lateinamerikanischen Kollegen wie der Fisch im Wasser bewegt, | |
| ganz im Gegensatz zu Obama und Clinton. Nicht nur die Alba-Staaten haben | |
| ihre Botschafter zurückberufen, sondern auch Brasiliens Lula da Silva. Nun | |
| forderte die spanische Regierung, die sich in der Region bestens auskennt, | |
| ihre EU-Partner zum selben Schritt auf. Lateinamerika ist nicht mehr | |
| gewillt, Staatsstreiche oder Interventionen von außen hinzunehmen. Dieser | |
| zivilisatorische Fortschritt hat sich unter den rosaroten Regierungen, die | |
| im letzten Jahrzehnt ans Ruder gekommen sind, gefestigt. Der frühere | |
| Hinterhof emanzipiert sich - und keiner hat dazu mehr beigetragen als Hugo | |
| Chávez. | |
| Barack Obama scheint das nicht klar genug gewesen zu sein. Der US-Präsident | |
| erhält jetzt die Quittung dafür, dass er seine Lateinamerikapolitik | |
| weitgehend der rechten Demokratin Clinton überlassen hat. Das mag man mit | |
| innenpolitischen Zwängen erklären, doch "smart power" sieht anders aus. | |
| 2 Jul 2009 | |
| ## AUTOREN | |
| Gerhard Dilger | |
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