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# taz.de -- Erhöhtes Krankheitsrisiko: Kaiserschnitt beeinflusst Erbmoleküle
> Mit Kaiserschnitt entbundene Kinder haben ein erhöhtes Risiko für Krebs
> oder Asthma. Forscher vermuten, dass eine veränderte Genregulation die
> Ursache ist.
Bild: Bei einem geplanten Kaiserschnitt ist das Kind völlig unvorbereitet, und…
STOCKHOLM taz | Kinder, die mit Kaiserschnitt entbunden wurden, haben ein
höheres Risiko, an Diabetes, Asthma oder Krebs zu erkranken. Schwedische
Forscher glauben dafür eine mögliche Erklärung gefunden zu haben. Sie
entdeckten bei Kindern, die mit einem Kaiserschnitt zur Welt gebracht
worden waren, chemische Veränderungen an den Grundbausteinen der
Erbsubstanz. Bei Kindern, die mit vaginaler Geburt geboren wurden, waren
diese nicht nachweisbar.
"Wir halten es für eine bahnbrechende Entdeckung, dass ein Kaiserschnitt
die Erbsubstanz beeinflussen kann", sagt Mikael Norman, Professor und
Kinderarzt am "Karolinska Institut" der Universität Stockholm: "Bis jetzt
hat man sich im Zusammenhang mit einem Kaiserschnitt eigentlich nur für die
Operationsrisiken interessiert. Unsere Forschungsergebnisse können dazu
führen, die Auswirkungen der Kaiserschnitt-Geburt künftig noch aus einem
ganz anderen Blickwinkel zu beurteilen."
Das Team von Mikael Norman und seinen Kollegen nahm zuerst Blutproben aus
den Nabelschnüren von Neugeborenen. Drei bis fünf Tage nach der Geburt
entnahmen sie dann noch einmal Proben bei den Kindern. Die Blutproben
wurden analysiert, um den Grad der DNA-Methylierung in den zum Immunsystem
gehörenden weißen Blutkörperchen, den Leukozyten, feststellen zu können.
Bei der Methylisierung wird ein Molekül, konkret eine Methylgruppe, an
DNA-Bausteine geheftet. Das kann unter anderem Auswirkungen auf die
Aktivität von einzelnen Genen haben. So können Methylisierungen auch dazu
führen, dass Gene ganz "stillgelegt" werden.
Durch ihre vergleichenden Untersuchungen fanden die schwedischen Forscher
heraus, dass alle durch Kaiserschnitt geborenen Kinder höhere Werte bei der
DNA-Methylierung hatten als vaginal entbundene Kinder. Drei bis fünf Tage
nach der Geburt waren diese Unterschiede jedoch wieder verschwunden.
Eine entscheidende Rolle für diese Auffälligkeit könnte nach Meinung der
Stockholmer Forscher das unterschiedliche Stressniveau für die Neugeborenen
als Folge der beiden Entbindungsformen spielen.
Bei einer vaginalen Geburt baue sich der Geburtsstress für das Kind nach
und nach auf. Dadurch werde sein ganzes Immunsystem schrittweise aktiviert.
Zur Zeit der eigentlichen Entbindung ist es auf höchster Alarmstufe. "Und
das ist ein positiver, zielgerichteter Stress", sagt Norman: "Dagegen ist
das Kind bei einem geplanten Kaiserschnitt völlig unvorbereitet, und der
Stress baut sich schlagartig auf." Ein geplanter Kaiserschnitt wird
gewöhnlich 10 bis 14 Tage vor dem errechneten Geburtstermin vorgenommen,
das Kind aber sei darauf nicht vorbereitet.
Norman verweist auf Tierexperimente, bei denen man nachweisen konnte, dass
"negativer Stress" die Nachkommen "programmieren" und später im Leben einen
Einfluss auf das Risiko, an bestimmten Krankheiten zu erkranken, spielen
könne.
Norman warnt jedoch davor, seine jetzigen Forschungsergebnisse schon als
vollständige Erklärung dafür zu sehen, warum via Kaiserschnitt zur Welt
gebrachte Kinder öfter an immunologischen Krankheiten wie Asthma,
Allergien, Krebs und Diabetes erkrankten. Zum einen leiden die meisten
Kaiserschnitt-Geborenen nicht an diesen Krankheiten. Auch sei derzeit eine
eindeutige Erklärung nicht möglich, da noch nicht einmal die Ursache dafür
bekannt sei, warum die DNA modifiziert werde und welche spezifischen Gene
dabei beeinflusst würden.
"Was wir bis jetzt wissen, ist, dass die Geburt ein sehr wichtiger
Augenblick dafür ist, dass bestimmte Gene aktiviert und bestimmte andere
deaktiviert werden", sagt Norman: "Werden diese natürlichen Voraussetzungen
durch einen geplanten Kaiserschnitt durcheinandergebracht, kann das einen
frühen Mechanismus auslösen, der die DNA in den weißen Blutkörperchen
chemisch verändert. Eine Modifizierung, die später zu den erhöhten
Krankheitsrisiken führen kann."
Die schwedischen Forscher, die ihre Studie in der Juli-Ausgabe des
Fachmagazins Acta Paediatrica veröffentlichen, sind der Auffassung, dass
ihre Erkenntnisse in der künftigen Debatte um das Für und Wider von
geplanten Kaiserschnittgeburten eine Rolle spielen sollten. Diese
Geburtsart hat in den letzten Jahrzehnten markant zugenommen. In
Deutschland wurden laut Statistischem Bundesamt 2007 bereits knapp 30
Prozent aller Neugeborenen mit Hilfe des Chirurgen zur Welt gebracht. 1995
waren es nur halb so viele.
Ingela Wiklund, Vorsitzende des schwedischen Hebammenverbands Svenska
Barnmorskeförbundet, betont zwar, dass man "immer vorsichtig mit
Forschungsergebnissen sein sollte". Sie warnt aber auch: Wenn man davon
ausgehen müsse, "dass ein geplanter Kaiserschnitt dem Kind vielleicht
Asthma bescheren wird, ist das ein starkes Argument gegen den
Kaiserschnitt".
3 Jul 2009
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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