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# taz.de -- PR-Gau bei der Washington Post: Mengenrabatt für Lobbyisten
> Die Redakteure bei der Washington Post sind entsetzt. Die
> Marketingabteilung der renommierten Zeitung wollte Lobbyisten Zugang zur
> Redaktion verschaffen - gegen viel Geld.
Bild: Die Finanzkrise macht auch vor der Washington Post nicht halt.
WASHINGTON taz | Die Stimmung in der Redaktion der Washington Post ist kurz
vor dem überkochen. Der hauseigene Ombudsmann, Andrew Alexander, beschreibt
es als “ziemliches PR-Desaster”, was da so kurz vor dem Feiertagswochenende
des Unabhängigkeitstages auftauchte: Ein Hochglanzprospekt der hauseigenen
Marketingabteilung.
Darin versprach das Blatt Lobbyisten und Interessenvertretern der
Gesundheitsbranche eine private Dinnereinladung bei der Herausgeberin der
Washington Post, Katherine Weymouth. An ihrem Tisch sollten
Versicherungsvertreter, Obama-Mitarbeiter und Post-Journalisten strikt
vertraulich Konversation betreiben (“Offenherzig? Ja. Konfrontativ?
Nein!”). Schon für 25.000 Dollar pro Stuhl und Mengenrabatt beim Kauf von
10 Plätzen, bekäme man Zugang zu den wichtigsten Entscheidungsträgern des
Landes, hieß es. “Eine entspannte Unterhaltung kann den Lauf der Dinge
ändern”, warb der Prospekt für ein erstes solches Dinner-Event am 21. Juli.
Am Freitag, einen Tag nachdem die Onlinepublikation [1][Politico.com], das
geplante Sponsoren-Stelldichein aufgedeckt hatte, ruderte Herausgeberin
Weymouth kräftig zurück. Der Salon in ihrem Haus sei abgesagt, ließ sie
wissen. Weymouth distanzierte sich von dem Prospekt, der niemals von ihr
oder der Redaktion “abgesegnet” worden sei. Hätte sie den Flyer zuvor
gesehen, hätte sie ihn einstampfen lassen, denn “er repräsentiert so gar
nicht das, was wir vor haben”.
Zuvor hatte ein Lobbyist der Versicherungsbranche, der diesen Prospekt
erhalten hatte, ihn an einen Reporter weitergereicht. Selbst der Lobbyist
habe das Gefühl gehabt, so Politico, dass die Idee, die Post wollte Geld
von ihm haben, um Zugang zu Gesundheitspolitik-Fachredakteuren zu bekommen,
“konfliktbeladen” sei.
Dass die Medien- und Finanzkrise ausgerechnet die Washington Post zu
solchen Verzweiflungstaten treibt, führte in der US-Medienbranche zu
hochgezogenen Augenbrauen. Die Post, das Blatt in der Bob Woodward und Carl
Bernstein die Watergate-Affäre lostraten, genießt in der Öffentlichkeit
größten Respekt für seine Unabhängigkeit und Objektivität. Und nun dies.
Die Finanzkrise und der damit einhergehende Anzeigen- und Leserschwund
setzt US-weit seit Monaten besonders den Zeitungen zu. Einige renommierte
Blätter, darunter die Rocky Mountain News aus Colorado, mussten bereits
eingestellt werden, andere wie die Tribune in Chicago meldeten Insolvenz
an.
Bereits im vergangenen Jahr begannen Medienunternehmen damit, gesponsorte
Events abzuhalten, bei denen Redakteure auf Podien mit Vertretern der
Politik und der Industrie diskutieren. So habe auch das ebenfalls
renommierte Wall Street Journal schon Veranstaltungen für zahlende Gäste
abgehalten, die New York Times sei dabei, solche zu planen. Allerdings sei
dabei noch kein Verlagshaus auf die Idee gekommen, die zahlenden Gäste
gleich an den Tisch der Herausgeberin zu bitten.
Die Journalisten der Washington Post waren nach dem Bekanntwerden der Pläne
ihres Verlages hellauf entsetzt. “Ich kann mir nicht vorstellen, dass die
Redaktion dazu jemals ja gesagt hätte,” empörte sich Valerei Strauss, eine
der ganz wenigen Redakteurinnen, die sich namentlich von US-Medien zitieren
lassen wollte. Leitende Angestellte des Verlages wiesen am Freitag darauf
hin, dass die Idee solcher Veranstaltungen sehr wohl gemeinsam mit der
Redaktion entwickelt worden sei. “Was wir nicht besprochen hatten, war
allerdings die Marketing-Botschaft an die Sponsoren”, schrieb Ombudsmann
Alexander, um Schadensbegrenzung bemüht, in seinem Blog.
Im Weißen Haus ließ der Spott nicht lange auf sich warten. Als sich bei der
täglichen Pressekonferenz der politische Korrespondent der Washington Post,
Michael Shear, zu Wort meldete und sich nach den Gesundheitsreformplänen
erkundigte, die Präsident Barack Obama in dieser Woche propagierte, feixte
Sprecher Robert Gibbs: “Das Büro des Weißen Hauses hat mich angewiesen,
Mike vorher danach zu fragen, wie viele jede seiner Fragen kostet. Ich
glaube, ich habe nämlich meine Kreditkarte vergessen!” Zuvor hatte Gibbs
mitgeteilt, dass niemand aus dem Weißen Haus einer Einladung zu Katherine
Weymouths Dinnerunden zugesagt habe.
3 Jul 2009
## LINKS
[1] http://www.politico.com/
## AUTOREN
Adrienne Woltersdorf
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