# taz.de -- Uiguren-Aufstand in Westchina: Polizei nimmt 1400 Menschen fest | |
> Zwei Tage nach den Unruhen demonstrieren uigurische Frauen gegen die | |
> Massenverhaftungen durch die Polizei. Unter den Uiguren gewinnen radikale | |
> islamische Geistliche an Einfluss. | |
Bild: Uigurische Frau protestiert (mit weiteren Frauen) am Tag nach den Ausschr… | |
BERLIN taz/dpa/afp | Am Dienstag, zwei Tage nach den blutigen Unruhen, ist | |
es in Ürümqi im Nordwesten Chinas erneut zu Protesten gekommen. Wie die | |
amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, spielten sich in der | |
Regionalhauptstadt Urumqi chaotische Szene ab. | |
Ein AFP-Reporter beobachtete hunderte der in China vorherrschenden | |
Han-Chinesen, die mit Stöcken, Schaufeln und Messern bewaffnet in die | |
Innenstadt zogen. Polizisten hinderten die Menge daran, auf den zentralen | |
Platz vorzudringen. | |
Zudem gingen hunderte uigurische Frauen auf die Straße, gerade als die | |
Behörden ausländische Journalisten durch die Provinzhauptstadt Ürümqi | |
führten, wie ein BBC-Korrespondent berichtete. | |
Chinesische Medien berichteten, etwa 300 Demonstranten hätten die 60 | |
ausländischen Journalisten umringt und Slogans gerufen. Einige hätten | |
versucht, von den Journalisten Informationen über ihre Verwandten zu | |
erhalten. Eine Frau und ihr Kind hätten sich den Reportern als erste | |
genähert und weinend die Freilassung ihres inhaftieren Mannes verlangt. | |
Etwa 1000 weitere Menschen hätten die Kundgebung beobachtet. Als die | |
Demonstranten von der Bereitschaftspolizei aufgehalten wurden, hätten sie | |
sich auf die Straße gesetzt. Gegen Mittag (Ortszeit) sei die Kundgebung | |
dann aufgelöst worden. | |
Nach den Auseinandersetzungen vom Sonntag hatte die Polizei mehr als 1.400 | |
Verdächtige festgenommen, wie die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua am | |
Dienstag berichtete. Nach Angaben des BBC-Korrespondenten zogen Polizisten | |
von Haus zu Haus und nahmen vor allem junge Männer fest. Am Montag hatte | |
die Polizei Proteste in Kashgar beendet. Sie trieb dort mehr als 200 | |
Uiguren auseinander, die sich in einer Moschee versammelt hatten. | |
Den [1][eigentlichen Anlass für die Proteste] haben die staatlichen | |
chinesischen Medien zwar nicht verschwiegen. Dass die Randalierer zunächst | |
mit Forderungen nach einer fairen Untersuchung der Vorfälle in einer Fabrik | |
in Guangdong friedlich durch die Straßen marschierten, wie einige | |
Privatvideos auf der Plattform YouTube dokumentieren, erwähnen die | |
offiziellen Berichte aber nicht. | |
Die Spannungen in der autonomen Region Xinjiang treten seit Jahren zutage. | |
Die knapp 9 Millionen Uiguren fühlen sich ethnisch und kulturell den | |
zentralasiatischen Staaten näher als der Volksrepublik. Sie gehören zu | |
Familie der Turkvölker und hängen mehrheitlich dem sunnitischen Islam an. | |
Mitte des 18. Jahrhunderts annektierten die Herrscher der Qing-Dynastie ihr | |
Siedlungsgebiet. Alle Versuche, einen eigenen Staat in Anlehnung an das | |
einstige Großreich zu errichten, scheiterten. | |
Zuletzt setzte die kommunistische Volksbefreiungsarmee der "Republik | |
Uiguristan" vor genau 60 Jahren mit ihrem Einmarsch ein Ende. Insofern hat | |
die Randale der Uiguren in diesem Jahr genau wie bei den Tibetern einen | |
symbolischen Aufhänger. | |
Seit den 1990er-Jahren ist es wiederholt zu Aufständen und Bombenanschlägen | |
vonseiten uigurischer Aktivisten gekommen. Chinesische Behörden haben | |
Proteste blutig niedergeschlagen und besonders im Vorfeld der olympischen | |
Spiele Uiguren oft unter den Generalverdacht des Terrorismus gestellt. | |
Verstärkte Migration von Han-Chinesen, beschränkte Religionsausübung der | |
Uiguren und gefühlte soziale Diskriminierung von beiden Seiten haben die | |
Spannungen weiter erhöht. | |
Nach Ansicht des uigurischen Wirtschaftsprofessor Illham Tohti haben jedoch | |
zwei jüngere Trends das Konfliktpotenzial in der Region weiter verstärkt. | |
"Radikale islamische Gelehrte gewinnen unter frustrierten jungen Uiguren | |
und Intellektuellen zunehmend an Einfluss", so warnte der Professor an der | |
Pekinger Hochschule für Minoritäten bereits Anfang des Jahres. | |
Es seien vor allen Dingen mangelnde Berufschancen, welche sowohl Akademiker | |
als auch junge Leute unzufrieden machen. "Xinjiang hat sich modernisiert", | |
so Illham, "aber viele Leute, besonders Uiguren, haben nicht gleichmäßig | |
teil daran." | |
7 Jul 2009 | |
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## AUTOREN | |
Kristin Kupfer | |
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