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# taz.de -- 30 Jahre Revolution in Nicaragua: Die alten Ikonen
> Die Fotos gingen um die Welt: Junge Leute besiegten 1979 in Nicaragua die
> Nationalgarde. 30 Jahre danach erzählt einer derjenigen, die damals auf
> den Fotos waren, seine Geschichte.
Bild: Pablo Aráuz hält stolz das Foto in der Hand, das weltberühmt wurde.
Ein unrasierter junger Mann mit schwarzer Baskenmütze ist im Begriff, eine
zum Molotowcocktail aufgerüstete Flasche Pepsi-Cola gegen einen für den
Betrachter unsichtbaren Gegner zu schleudern. In der Linken hält er ein
altes belgisches FAL-Sturmgewehr, aus dem dunkelgrünen Hemd hängt ein
weißer Rosenkranz mit Kruzifix heraus. Im Hintergrund sieht man Teile eines
Panzers, den die Rebellen gerade gekapert haben.
Die Szene spielt vor dem Sitz der Nationalgarde in Estelí, der größten
Stadt im Norden Nicaraguas, 150 Kilometer nördlich der Hauptstadt Managua.
Wenige Tage später, am 19. Juli 1979, marschieren die siegreichen
Guerilleros im Triumphzug in der Hauptstadt ein. Zehn Jahre lang, bis zu
den Wahlen im Februar 1990, bei denen die konservative Opposition gewinnt,
steht das linke Nicaragua, bedroht und bekämpft von der US-Regierung unter
Präsident Ronald Reagan, im Mittelpunkt des internationalen Interesses.
Heute sitzt Pablo Aráuz, so heißt der Mann mit dem Molotow-Cocktail,
51-jährig in seinem Wohnzimmer in der Stadt Somoto im Norden Nicaraguas und
schwitzt. Sein Foto war binnen kürzester Zeit zur Ikone geworden, zum
Symbol des Aufstands einer verzweifelten Bevölkerung gegen die
Unterdrückung einer Diktatorendynastie. Araúz erinnert sich gerne an jene
Zeit. Schon als Kind war der kleine Pablo, der mit seiner Mutter und den
Geschwistern im Grenzort El Espino aufwuchs, ein erfahrener Bergführer für
politisch Verfolgte. "Such den kleinen Aráuz in El Espino - der bringt dich
über die Grenze".
Auch nach dem Sieg blieb Aráuz dem bewaffneten Kampf treu. Er ging zur
Armee, die als Sandinistisches Volksheer, hervorgegangen aus der Guerilla,
gleichzeitig militärisches und politisches Instrument war. Als Nicaragua
bald wieder im Krieg stand, diesmal gegen die von den USA aufgebauten und
finanzierten "Contras", kämpfte Aráuz mit. Erst nach den verloreren Wahlen
nahm er endgültig seinen Abschied von der Armee, die in kurzer Zeit von
fast 190.000 Mann auf 20.000 Soldaten verkleinert wurde.
Heute lebt Aráuz als selbstständiger LKW-Fahrer in Somoto. Die Revolution
ist für ihn immer noch das Beste, was dem Land passiert ist: "Schau dir nur
an: Heute sind Zwölfjährige schon drogenabhängig und Dreizehnjährige gehen
auf den Strich. Damals hat es das nicht gegeben." Jetzt suche jeder, wie er
über die Runden komme, Gemeinwohl sei kein Thema mehr.
Vom Foto, das ihn berühmt gemacht hat, hängt kein Poster an der Wand, zu
Hause bei Pablo Aráuz. Sein Ruhm ist ihm auch ein bisschen unangenehm,
Interviews gibt er fast nie. Er findet aber zwei Postkarten mit dem
bekannten Sujet. Die letzten von 200 Stück, die ihm die Fotografin
geschenkt hat, als sie Jahre später zu Besuch kam. Sie sind verblasst und
abgegriffen, ganz anders als die Erinnerungen an eine Revolution, die
Nicaragua ein Jahrzehnt lang zum Schauplatz der Weltgeschichte gemacht
hatte.
17 Jul 2009
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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