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# taz.de -- Gesundheitsministerin in Erklärungsnot: Ein paar merkwürdige Deta…
> Im Spanien wurde der Dienstwagen von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt
> (SPD) geklaut. Sie versucht nun nachzuweisen, dass ihre Reise auch
> dienstliche Anlässe hatte.
Bild: Muss sich neuen Dienstwagen suchen: Gesundheitsministerin Ulla Schmidt.
BERLIN taz | Die Rechtslage ist eindeutig. "Mitgliedern der Bundesregierung
werden Dienstkraftfahrzeuge zur alleinigen und uneingeschränkten Nutzung
zugeteilt", heißt es in den "Richtlinien für die Nutzung von
Dienstkraftfahrzeugen in der Bundesverwaltung", die das Kabinett von
CDU/CSU und FDP am 9. Juni 1993 beschloss - und weiter: "Mitglieder der
Bundesregierung haben für Privatfahrten in personengebundenen
Dienstkraftfahrzeugen kein Entgelt zu entrichten."
Seit der Dienstwagen von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) in
deren Spanienurlaub durch Diebstahl abhanden kam, gibt es auf der Agenda
des politischen Berlin offenbar kein wichtigeres Thema mehr. Dass die
Kassenärzte, die monatelang publikumswirksam über Honorarschwund klagten,
in Wahrheit ein Plus von etwa 8 Prozent kassierten - das interessierte im
Vergleich weit weniger. Kein Wunder, dass Ärztevertreter die Autodebatte
mit scharfen Statements befeuerten. Dabei ließe sich umgekehrt auch über
die Rolle der Ministerin bei dem üppigen Wahlgeschenk für die undankbaren
Mediziner diskutieren.
Nun also der Dienstwagen, bei dem es in der Tat ein paar Merkwürdigkeiten
gibt. Dazu zählt zunächst die Beflissenheit, mit der die Ministerin den
dienstlichen Anlass der Autobenutzung zu belegen sucht. Ein Empfang bei der
Bürgermeisterin von Denia, eine Diskussion mit deutschen Residenten über
ihre Rechte im spanischen Gesundheitswesen am Montag im Kulturhaus des
Ortes Els Poblets - das klingt eher nach einem Vorwand wie etwa bei jenen
Journalisten, die einen kleinen Beitrag für den Reiseteil ihrer Zeitung
schreiben, damit sie den gesamten Sommerurlaub als Dienstreise von der
Steuer absetzen können.
Dabei sind die Kriterien für die Wirtschaftlichkeit des
Dienstwageneinsatzes bei beruflichen Anlässen sogar strikter als bei
privaten. Durch die Benutzung des Gefährts muss Zeit gewonnen oder Geld
gespart werden. Die Mehrkosten müssen "in einem vertretbaren Verhältnis zur
Dringlichkeit des Dienstgeschäfts" stehen. Für Privatfahrten gilt das
nicht.
Der entscheidende Unterschied liegt in der Besteuerung. Beordert die
Ministerin den Wagen aus dienstlichen Gründen nach Spanien, interessiert
sich das Finanzamt dafür nicht. Fährt sie mit dem Auto hingegen privat, ist
die kostenfreie Nutzung des Gefährts ein geldwerter Vorteil. Die
Steuerbeamten sehen darin ein Zusatzeinkommen, das ihr der Arbeitgeber
gewährt und den sie versteuern muss wie jeder andere Beschäftigte auch, der
privat einen Dienstwagen benutzt.
Dafür gibt es zwei Möglichkeiten, zwischen denen die Ministerin frei wählen
kann. Entweder führt sie ein Fahrtenbuch und versteuert für jeden privat
veranlassten Kilometer einen Betrag von 30 Cent, oder sie veranschlagt
pauschal zwölf Prozent des Kaufpreises pro Jahr. Letzteres lohnt sich bei
den sehr teuren Ministeriumskarossen kaum. Die gepanzerten Karossen, mit
denen einige von Schmidts Kollegen unterwegs sind, kosten rund 300.000
Euro. Zu versteuern wären dann 36.000 Euro im Jahr. Diese Summe kommt zum
Ministergehalt noch hinzu, so dass in der Regel der Spitzensteuersatz
fällig wäre - astronomische 16.000 Euro sind dann theoretisch zu
entrichten.
Mit der Kilometerpauschale fahren die Minister deutlich günstiger. Nach
Ministeriumsangaben hat Ulla Schmidt im vorigen Jahr 6.111 Kilometer an
privater Nutzung abgerechnet. Sie musste also 1.833 Euro versteuern - und
zahlt demnach rund 800 Euro an das Finanzamt. Ob die Ministerin, die ihren
Urlaub regelmäßig in Spanien verbringt, auch in früheren Jahren ihren
Dienstwagen mitbrachte und wie sie diese Fahrten abgerechnet hat, war am
Montag nicht mehr zu klären.
Eine Umfrage unter den Bundesministerien ergab, dass in der Regel nur
PolitikerInnen der höchsten Sicherheitsstufe den Dienstwagen im Urlaub
nutzen - weil es für sie schlichtweg keine Alternative zur gepanzerten
Limousine gibt. Zu dieser Gruppe zählen Kanzlerin Angela Merkel (CDU), ihr
Stellvertreter Frank-Walter Steinmeier (SPD), Innenminister Wolfgang
Schäuble (CDU) und Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU). Versteuern
müssen sie diese Fahrten trotzdem - auch wenn sie sich den
Hochsicherheitstransport, der wegen ihres Berufs nötig ist, privat gar
nicht wünschen.
Die übrigen Kabinettsmitglieder lassen den Dienstwagen während des Urlaubs
in Berlin - in der Regel schon deshalb, weil ein Urlaub im Beisein von
Fahrern und Sicherheitsbeamten nicht die reinste Entspannung ist. Einzig
die Sprecherin von Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul
gab am Montag an, ihre Chefin lasse sich per Dienstwagen in den
innerdeutschen Urlaub fahren und auch wieder abholen. Zwischendurch nutze
sie das Fahrzeug in den Ferien aber nicht.
Welche Gefährdungsstufe für die Gesundheitsministerin gilt, wollte am
Montag niemand sagen. "Der wirksamste Personenschutz ist der, über den man
nicht spricht", sagte ein Sprecher des Innenministeriums nur.
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil gab hingegen nach einer Telefonkonferenz
des Parteipräsidiums an, bei der Entscheidung für den Wagen hätten
"Sicherheitsaspekte" eine Rolle spielt.
Auch wenn die Gesundheitsministerin nicht als hoch gefährdet gilt wie etwa
die Bundeskanzlerin, der Verteidigungs-, der Außen- und der Innenminister,
ist ein gewisses Risiko für ihre Person nicht völlig auszuschließen.
Nachdem die Bild-Zeitung Anfang 2004 nach Inkrafttreten der
Gesundheitsreform getitelt hatte: "Frau Ministerin, Sie machen uns krank",
hagelte es Schmäh- und Drohbriefe. Das Bundeskriminalamt hatte damals
prüfen müssen, ob für die Ministerin eine konkrete Gefahr besteht, nachdem
ihr geschrieben wurde, dass sie "in die Gaskammer" gehöre.
Verbal unter Beschuss steht sie auch jetzt immer wieder, wie ihre
Sprecherin mitteilte. Zwar fühle sie sich nicht grundsätzlich ständig
bedroht. Doch sei auch klar, dass der Job als Gesundheitsministerin mit
viel mehr Emotionen verbunden sei als andere Ministerposten.
28 Jul 2009
## AUTOREN
R. Bollmann
H. Gersmann
F. Lee
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