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# taz.de -- Seenlandschaft: Die Fischer vom Mellensee
> Mit grenzenlosem Badevergnügen wirbt das Tourismusmarketing Brandenburg.
> Damit es so bleibt, wehren sich Bürger gegen die Privatisierung der Seen
Bild: Noch umsonst und draußen: Brandenburger See
"Pack die Badehose ein" - den alten Conny-Froboess- Schlager für
Westberliner Badefreuden am Wannsee könnte man auf ganz Brandenburg
umdichten. "Mit grenzenlosem Badevergnügen in 200 Seen" wirbt das
Brandenburger Tourismusmarketing. Beispielsweise für den Mellensee bei
Zossen südlich von Berlin. Verwilderte Schilfufer begrenzen das dunkelgrüne
Wasser, über dem ein blauer Himmel mit dicken Haufenwolken Sommergefühle
weckt. Libellen schwirren im Schilf, Kinder kreischen am Strand, Paddler
versuchen sich gegenseitig auszustechen.
Wespen machen den zwei Mädchen im Strandbad Mellensee das mitgebrachte
Apfelkuchenstück streitig. Auch wenn das Strandbad mit dem verrammelten,
verlassenen Restaurant, den rostigen Spielgeräten heruntergekommen aussieht
und auch so manches Haus, lukrativ am Seeufer gelegen, verfällt, ist der
Mellensee ein Idyll mit Altlasten. Drumherum schnurgerade
Fichtenschonungen, wilde Wiesen und Getreidefelder. Diese umfährt man mit
dem Rad auf dem 19 Kilometer langen Mellensee Rundweg etwas abseits vom
See.
Im 250 Hektar großen Mellensee tummeln sich Zander, Aal und Plötze, auch
Exoten wie Rotfeder, Ukelei und Amurkarpfen. Kein Wunder, dass zahlreiche
Fischreiher malerisch auf Pflöcken sitzen und ihr Revier stoisch
beobachten. In der Dorfmitte riecht es lecker nach Räucherfisch. Am
Mellensee ist Fischerfest, auf der grünen Wiese neben dem Fischhof.
"Wir nennen Mellensee das Dorf der Fischer", sagt Uwe de Boer vom Verein
Pro Mellensee. Der 1998 gegründete gemeinnützige Verein will die Region
touristisch aufwerten und vernetzen, indem er sich um Umweltschutz sorgt,
Traditionen bemüht ausgräbt und den sanften Tourismus mit Wander-und
Radwegen fördert. Dank des Vereins hat der Mellensee zum achten Mal ein
Fischerfest und eine Fischerkönigin.
Am Stand des Vereins Pro Mellensee, am kleinen Fischerweiher auf der
Festwiese, diskutieren Besucher und Aussteller nur ein Thema: die gerade
abgelaufene Petition gegen die Privatisierung von bislang öffentlichen Seen
in den neuen Bundesländern. Knapp 30.000 Unterschriften kamen zusammen,
50.000 wären nötig gewesen, damit sich der Bundestag mit dem Problem
befasst. Allein in Brandenburg könnten 300 Seen mit über 3.000 Hektar
Fläche betroffen sein - mit dabei der Mellensee. Grundlage für den Verkauf
ist der Einigungsvertrag, der das Ende der DDR besiegelte. Hier ist
festgehalten, dass ein Teil der Gewässer an den Bund fällt und verkauft
werden muss. Erst die Treuhand und nun die Bodenverwertungs- und
-verwaltungs GmbH (BVVG) soll dem Bundesfinanzministerium möglichst viel
Geld aus dem Verkauf der Ländereien überweisen. Zurzeit geht die BVVG
dagegen vor, dass ihr der schöne Mellensee entzogen und dem Land
Brandenburg übertragen wurde und deshalb nicht verkauft werden kann. Sie
will dagegen klagen.
"Die BVVG verkauft in Ostdeutschland Äcker, Wiesen, Wälder und Seen - das
sorgt nicht nur bei den Mellenseer Bürgern für Ärger", sagt Frank Broshog,
Bürgermeister der Gemeinde Am Mellensee, der sich zu den Diskutanten am
Stand gesellt hat. Er kommt gerade vom Tauziehen über den kleinen
Fischweiher - ein viel beklatschter Wettbewerb des Festes.
"Privatisierungen bergen die Gefahr, dass die Nutzung von Badestellen,
Stegen und Ufern durch die Eigentümer verboten oder kostenpflichtig werden
könnte. Die Gewässer sollten als öffentlich zugängliches Allgemeingut
erhalten bleiben", fordert Broshog. "Die Gemeinden sollten die Seen nicht
kaufen müssen, da sie oft kein Geld haben. Ich bin dafür, den
Privatisierungsauftrag des Bundes zu ändern." Und auch am Biertisch ist man
heftig einer Meinung: "Dann kann man ja auch die Luft privatisieren!", sagt
ein Mellenseer. Und ein anderer: "Es ist absurd, dass Seen, die immer als
Gemeingut galten, nun von den Kommunen mit Steuergeld zurückgekauft werden
müssen!" Zweifelsohne: Der Mellensee ist ein Politikum.
Auf der Bühne vor dem Festzelt präsentieren sich gerade die Fischer der
Region - es sind noch insgesamt sechs. Jochen Gebauer ist einer von ihnen
und der Besitzer des Fischhofs in der Ortsmitte. "Ich kann den See nicht
kaufen, dazu fehlt mir das Kapital. Wir Fischer überleben ohnehin nicht
mehr durch die Fischerei", sagt er beim Bier. Gebauer hat mit Restaurant,
Fischweiterverarbeitung und Weiterverkauf sein Angebot vergrößert.
Inzwischen habe sich eine ziemlich breite "Einheitsfront" formiert, weiß
Gebauer. "Beim Mellensee sind sich CDU, SPD und Linke einig mit
Umweltschützern, Fischern, Anglern." Sie alle wollen die Seen als
"öffentliches Allgemeingut" erhalten. Am Biertisch wendet man sich einem
anderen Thema zu: Es tanzen die "Crazy Cowboy Dancer vom Mellensee" in
Marlboro-Kostümen und Wildwestmanier.
28 Jul 2009
## AUTOREN
Edith Kresta
## TAGS
Reiseland Deutschland
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