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# taz.de -- Schwimm-WM in Rom: Glückliche Wasserratten
> In Peking litt die Abordnung der deutschen Schwimmer noch an
> Depressionen, jetzt könnte die Stimmung wegen der Rekorde kaum besser
> sein. Doch der Dopingverdacht schwimmt mit.
Bild: Sind alle total glücklich: Die deutschen Schwimmer bei der WM in Rom.
Annika Mehlhorn glänzte wie ein frisch polierter Weihnachtsapfel. Vier
Minuten vor ihr war die US-Amerikanerin Mary Descenza mit der größten
Selbstverständlichkeit zum nächsten Weltrekord bei diesem bizarren
Schwimm-Event gerauscht. Um halb elf am Vormittag, zu Beginn des vierten
WM-Tages war es bereits die sechzehnte Bestmarke.
Schmetterling-Spezialistin Mehlhorn war hellauf begeistert: über ihren
deutschen Rekord und überhaupt.
"Diese ganze WM - das macht so viel Spaß. Die Atmosphäre hier ist große
Klasse, das saugt man alles in sich auf", zwitscherte die 25-Jährige von
der SG Baunatal. Auch die Sonne über Rom knallte wieder zuverlässig auf die
Häupter der Wassersportler, während Mehlhorn ergriffen davon erzählte, wie
sehr Leistungen wie die der Kollegin Descenza sie beflügelten. Das klang
fast nach einer Sucht, wobei der Weltverband Fina sich alle Mühe gibt, die
entrückten Wassersportler unbehelligt im siebten Himmel schweben zu lassen.
So hat die ARD gerade recherchiert, dass bei dem seltsamen Spektakel im
Foro Italico keine Blutdopingtests geplant seien. Die Versäumnisse sind
auch Paul Biedermann, dem neuen deutschen Schwimmstar, aufgefallen, wie er
sagte. Dank unheimlicher Leistungssprünge hatte er zwei Fabel-Weltrekorde
der Branchengrößen Ian Thorpe und Michael Phelps entsorgt. Doch der
22-Jährige beteuerte: "Ich bin oft von Nada und Wada kontrolliert worden.
In diesem Jahr so oft wie nie zuvor."
Der Nürnberger Doping-Experte Fritz Sörgel ätzt angesichts der laxen
Antidopingpraxis des Weltverbandes voller Zynismus: "Wenn das so stimmt,
muss man ja fast schon den Radsport loben." Selbstverständlich sei vor der
WM kontrolliert worden, erbost sich dagegen die Fina, die sich in Rom
offenbar auf Urintests beschränkt. Das wäre dann, als wollten die
Funktionäre mit einer selbst gebastelten Steinschleuder einen Tyrannosaurus
erlegen.
Trotz der fragwürdigen Rahmenbedingungen sind Deutschlands Schwimmer wild
entschlossen, sich weiter dem ungewohnten Erfolgsgefühl hinzugeben, das
fast das gesamte Team am Tiber erfasst hat. Biedermann in seinem
ultramodernen Rennanzug hat den donnernden Startschuss gegeben, der vielen
noch wohlig in den Ohren dröhnt. "Toll, dass wir jetzt die gute Stimmung
mitnehmen können", orgelte etwa der Frankfurter Helge Meeuw, ehe er am
Dienstag über 100 Meter Rücken zu Silber pflügte.
Schließlich hat der 24-jährige Medizinstudent beim DSV schon ganz andere
Zeiten mitgemacht. Bei Olympia in Peking soff er trotz prächtiger
Vorab-Referenzen jämmerlich ab. Nun begründet Meeuw seine feinen Zeiten
damit, dass er den Schwimmsport inzwischen nicht mehr so wichtig nehme.
Eine andere, definitiv glaubwürdige Begründung für den erstaunlich guten
Gesamtauftritt der schwarz-rot-goldenen Bahnenzieher liefert die Kollegin
Mehlhorn. Das Desaster von Peking hat die gebürtige Hessin zwar nicht
mitgemacht, dafür aber eine ganze Reihe anderer Psychodramen um
gescheiterte deutsche Schwimmteams.
"So viel Teamgeist wie jetzt hatten wir noch nie", betonte Mehlhorn gestern
mit strahlenden Augen. "Diesmal gibt es keine Grüppchenbildungen, es wird
nicht hinter deinem Rücken getuschelt." Früher, sagt die kleine blonde
Frau, hätten sich die wechselnden Stars im Team "schon für etwas Besseres
gehalten. Da gab es jede Menge Extrawürste." Von solchem Gehabe haben die
aktuellen Vorzeigeschwimmer Biedermann und Britta Steffen wohl nichts am
Hut, fügten sich vielmehr angenehm ins große Ganze ein.
Und so ist in Rom offensichtlich der Zustand erreicht, den zuletzt der
frühere DSV-Sportdirektor Ralf Beckmann im Jahr 2002 durchleben durfte. Ein
flüchtiger Zustand, wie die verunglückte Olympia-Ausgabe 2004 in Athen
bewies. Was zählt, ist deshalb das Hier und Jetzt. "Wir haben einfach
unheimlich viele neue, frische Leute dabei", sagt Mehlhorn und schwärmt
über den Istzustand der DSV-Mannschaft: "Jung, motiviert, innovativ."
30 Jul 2009
## AUTOREN
A. Morbach
## TAGS
Tennis
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