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# taz.de -- Grippe-Welle nach den Ferien: Krank oder schweinekrank?
> Bald werden die ersten Schüler das Schweinegrippe-Virus aus den Ferien
> mitbringen. Die Schulen und Lehrer sind gerüstet - auch gegen Panikmache.
Bild: Der Plan steht: Stecken sich zu viele Kinder in der Schule an, wird sie g…
In Thüringen wissen die Behörden noch, was sich gehört. Dort heißt die
Devise: Wenn man das Schweinegrippe-Virus schon nicht mehr aufhalten kann,
soll es mit großem Bahnhof empfangen werden, zumindest in den Schulen. "Wir
bereiten im Moment eine geordnete Information vor", sagt Detlef Baer,
Sprecher des Kultusministeriums in Erfurt.
Dass die Zahl an H1N1-Infektionen in den kommenden Wochen sprunghaft
ansteigen wird, gilt unter Gesundheitsexperten inzwischen als sicher, weil
viele Urlauber das Virus mit nach Hause bringen werden.
Deshalb werden die Thüringer Lehrer in diesen Tagen detailliert darauf
vorbereitet, was zu tun ist, wenn ein Schüler von seinen schönsten
Ferienerlebnissen in Spanien berichtet und dabei auffällig oft husten muss.
Im Gegensatz zum Virus, das sich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen der
Weltgesundheitsorganisation WHO unkontrolliert verbreitet hat, ist die
Verbreitung des Wissens über die entsprechenden Schutzmaßnahmen in
Thüringen genau organisiert: Das Kultusministerium informiert die
Schulamtsleiter, die Schulamtsleiter unterrichten die Schulleiter, die
Schulleiter berichten ihren Lehrern.
Wenn am kommenden Donnerstag die Schüler zum ersten Mal nach den großen
Ferien ihre Klassenzimmer betreten, können sie sich deshalb darauf
verlassen, dass die Lehrer nicht nur ihre Lehrpläne im Kopf haben, sondern
auch einen Pandemieplan. Den sie sehr wahrscheinlich nicht brauchen werden.
Denn trotz aller Hysterie, die in den vergangenen Monaten erst entstanden,
dann wieder abgeflaut und jetzt neu entfacht worden ist, kann man ruhig
festhalten: Deutschland wird auch die Schweinegrippe überleben. Die Zahl
der an der "Neuen Grippe" Erkrankten, wie das Robert-Koch-Institut die
Krankheit nennt, ist zwar in den vergangenen Tagen etwa um das Siebenfache
gestiegen, die meisten davon sind Reiserückkehrer. Betroffen sind nach
Erkenntnissen der WHO vor allem Jugendliche zwischen 12 und 17, von einem
schweren, womöglich sogar tödlichen Krankheitsverlauf aber vor allem ältere
Menschen.
Das ist wohl der Grund, warum Petra Kodré so gelassen mit der
Schweinegrippe umgeht wie mit ihrem eigenen Schnupfen, den sie im Moment
mit sich herumschleppt. Die Sprecherin der Bremer Gesundheitssenatorin
sagt: "Wir haben keine besonderen Maßnahmen ergriffen, es ist ja dieselbe
Situation wie bei einer normalen Grippewelle."
Aber auch in Bremen sollen die Lehrer nicht ratlos vor ihren Klassen
stehen. Deshalb arbeitet das Referat für Gesundheit im Moment an einem
Informationsblatt, das rechtzeitig vor dem Schulbeginn am Donnerstag an
alle Schulen und Kitas gehen soll.
Es wird sich eng anlehnen an die Broschüre des Robert-Koch-Instituts -
illustriert mit einem jungen Pärchen, das aussieht, als sei es direkt aus
einem 90er-Jahre-Hip-Hop-Video auf das Deckblatt der Broschüre gesprungen:
"Selbstverteidigung gegen Grippe - Neue Techniken, sich und andere zu
schützen", heißt die Schlagzeile.
Darin wird beschrieben, wie man sich die Hände richtig wäscht, wie man
hygienisch hustet und was bei einer ausbrechenden Pandemie zu tun ist: zwei
Meter Abstand zu den Mitmenschen, aufs Händeschütteln verzichten, über
Atemschutzmasken Bescheid wissen. Über deren Wirksamkeit, so heißt es in
dem Faltblatt, "liegen keine ausreichenden Erkenntnisse vor". Sie seien
deshalb nur ergänzend zu den dargestellten Maßnahmen zu erwägen.
Kathrain Graubaum aus dem Kultusministerium von Sachsen-Anhalt konnte sich
ein Lächeln nicht verkneifen, als sie vor kurzem von Journalisten gefragt
wurde, ob zum Schulbeginn nun sämtliche Lehrer ihres Bundeslandes mit
Atemschutzmasken ausgestattet werden. Nein, war ihre Antwort, werden sie
nicht. "Das wäre wohl auch etwas übertrieben."
Es ist ein schmaler Grat, auf dem sich diejenigen im Moment bewegen, die in
der kommenden Woche ihre Schulen öffnen. Einerseits will niemand unnötig
Panik verbreiten, andererseits möchte sich aber auch niemand vorhalten
lassen, die Eltern und Schüler nicht ausreichend informiert zu haben. In
Magdeburg stehen deshalb die zuständigen Stellen in den einzelnen Behörden
und Ministerien miteinander in Kontakt, jeder Schulleiter weiß, an wen er
sich wenden muss, wenn er eine Frage hat.
Das Netzwerk steht
Dasselbe gilt für Sachsen und Niedersachsen. Auch von dort heißt es: Wir
begegnen der diffusen Angst mit medizinisch gesicherten Informationen und
verlassen uns auf die Eigenverantwortung der Lehrer, mit dieser Situation
angemessen umzugehen. Irina Schenk vom Kultusministerium Sachsen: "Wir
haben schon vor den Ferien Informationsblätter an die Schulen gegeben."
Worauf deshalb kein Schüler zu hoffen braucht, ist, dass sich an die
Sommerferien ein paar Tage Grippefrei anschließen werden. Daran, die
Schulen geschlossen zu halten, um dem Virus keine Chance auf klassenweite
Verbreitung zu geben, denkt keines der fünf Bundesländer.
Das wäre nur denkbar in dem unwahrscheinlichen Fall, dass sich das Virus
nach dem Sommerurlaub so schnell ausbreitet, dass die Behörden eingreifen
müssen und dafür ihre Klassenzimmer brauchen. So wie in Norwegen: Dort
haben sich 55 Jugendliche das Virus in einem Feriencamp eingefangen. Sie
stehen seitdem unter Quarantäne - in einer Schule.
31 Jul 2009
## AUTOREN
Kai Schächtele
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