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# taz.de -- Chinas Bürgerrechtler unter Druck: Peking lässt Anwalt entführen
> Die KP will mit ihrem Vorgehen gegen Bürgerrechtsanwälte unbedingt
> verhindern, dass sich eine landesweite Bewegung der Rechtsverteidiger
> entwickelt.
Bild: Betretene Gesichter: Anwalt Xu Zhiyong (Mitte) und Kollegen nach der Schl…
PEKING taz | Nur noch acht Wochen bleiben bis zum 60. Jahrestag der
Volksrepublik China: Im Fernsehen berichten Veteranen der Revolution
bereits über alten Zeiten, Soldaten üben schon für die Parade am 1.
Oktober. Für Pekinger Bürgerrechtler jedoch wird die Lage bedrückend: In
dieser Woche verschwand wieder ein prominenter Menschenrechtsanwalt. Der
36-jährige Xu Zhiyong wurde zuletzt von Wachleuten seines Wohnviertels
gesehen, als ihn sechs Männer gegen fünf Uhr morgens abholten. Einer war in
Uniform, die anderen in zivil. Seither gibt es von dem Juristen keine
Nachricht.
"Freunde haben mich immer gewarnt, dass ich einmal im Gefängnis landen
werde", hatte Xu Anfang des Jahres gegenüber der Korrespondentin dieser
Zeitung gesagt. Er werde sich aber nicht einschüchtern lassen. Xu ist
Rechtsprofessor an der Pekinger Hochschule für Post und Telekommunikation
und einer der Gründer der "Open Constitution Initiative", in der sich etwa
20 Anwälte und Juristen zusammengeschlossen haben. Die Organisation war am
17. Juli nach einer Razzia geschlossen worden. Zuvor hatte das Steueramt
eine Strafe von umgerechnet rund 148.000 Euro wegen angeblicher
Steuerhinterziehung verhängt. Die 2003 gegründete Gruppe gehört zur
kleinen, aber wachsenden Zahl von Bürgerrechtlern, die Amtsmissbrauch und
Korruption bekämpfen. Sie klären ihre Landsleute über ihre Rechte auf und
ziehen für sie vor Gericht.
Die Gruppe setzte sich für die Opfer des Skandals um melaminverseuchte
Milch ein. Der Jurist Xu entlarvte mehrere illegale "Schwarze Gefängnisse"
in Peking, in denen lokale Funktionäre illegal Bittsteller festhalten,
damit diese sich nicht an höherer Stelle über Missstände in ihrer Heimat
beklagen. Und nach den Unruhen in Tibet 2008 veröffentlichte die Initiative
im Internet einen Bericht, der die Hintergründe kritisch untersuchte.
Solche Informationen und Initiativen wurden zeitweise geduldet, sind jetzt
aber unerwünscht. Die Behörden beschwören die "soziale Stabilität" und die
"gesellschaftliche Harmonie" und versuchen, jede organisierte Kritik im
Keim zu ersticken. Die Angst vor Streiks und Protesten, die an vielen Orten
ausbrechen, ist groß. Die KP will unbedingt verhindern, dass sich eine
landesweite Bewegung der "Rechtsverteidiger" entwickelt.
Ein Jahr nach den Olympischen Spiele wurde die Hoffnung auf eine politische
Liberalisierung enttäuscht. Vor allem Anwälte werden schikaniert, im Fall
des Pekinger Verteidigers Gao Zhisheng sogar gefoltert und verschleppt.
Deshalb kümmert sich nur eine winzige Minderheit der knapp 190.000 Juristen
in China um politisch heikle Fälle.
Die Nervosität der Behörden bekam diese Woche auch die Organisation "Yi Ren
Ping" (Wohlfahrt, Menschlichkeit, Gerechtigkeit) zu spüren. Ihre zehn
Mitarbeiter setzen sich dafür ein, dass Hepatitis-Kranke und HIV-Infizierte
nicht diskriminiert werden. Sie vermitteln Rechtsberatung und organisieren
Anwälte. Am Donnerstag drangen Polizisten in Peking in die Räume von Yi Ren
Ping ein und konfiszierten 90 Broschüren. Sie seien ohne Lizenz gedruckt
worden.
Beide Gruppen müssen wie die meisten Nichtregierungsorganisationen (NGOs)
in China in einer legalen Grauzone arbeiten und können so unter Druck
gesetzt werden. Chinesische NGOs müssen sich entweder an eine Behörde
anbinden oder als Unternehmen registrieren lassen. Die Open Constitution
Initiative war als Firma angemeldet und musste Gelder ausländischer
Stiftungen wie "Geschäftsgewinne" versteuern. Das Rechtsinstitut der
Yale-Universität hatte bei der Vereinigung Studien in Auftrag gegeben. Mit
der Begründung, die Aktivitäten "sprengten den Rahmen geschäftlicher
Vorgänge", wurde die Lizenz entzogen und die angeschlossene Anwaltspraxis
geschlossen. Ihr Buchhalter Zhuang Lu ist inzwischen auch verschwunden. Xus
Blog und die Webseite der Initiative sind gesperrt, Internetdebatten über
den Fall blockiert.
1 Aug 2009
## AUTOREN
Jutta Lietsch
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