# taz.de -- Warschauer Aufstand 1944: Buhrufe und Paraden | |
> In Polens Hauptstadt wurde des 65. Jahrestages der Erhebung gegen die | |
> Besatzer gedacht. Präsident Kaczynski fordert einen Nationalfeiertag und | |
> will damit sein Image aufpolieren. | |
Bild: Zum Gedenken an die Aufstandsopfer wandeln Warschauer Bürger zwischen de… | |
WARSCHAU taz | Der 1. August in Warschau hatte viele Klänge: | |
Trompetenstöße, Trommeln, harte Gitarrenriffs, Sirenen, aber auch eine | |
mehrminütige Stille um 17 Uhr. In der polnischen Hauptstadt wurde am | |
Samstag an den 65. Jahrestag des Warschauer Aufstands erinnert: mit | |
Militärparaden, Kranzniederlegungen, Rockkonzerten und den Schweigeminuten, | |
als der Verkehr der Stadt stillstand. | |
Gedacht wurde der 200.000 polnischen Opfer, die die Kämpfe gegen die | |
deutschen Okkupanten forderten, bis die polnischen Partisanen, die | |
"Heimatarmee", nach 63 Tagen kapitulierte. Fast die gesamte Stadt wurde | |
danach zerstört. Die Rote Armee wartete am östlichen Weichselufer - ohne | |
einzugreifen, was das polnisch-russische Verhältnis bis heute belastet. | |
Das gemeinsame Trauern um die Opfer ist seit der Wende das wichtigste Datum | |
für den kollektiven Patriotismus der stolzen Nation. Auch die Generation | |
der Enkel setzt sich mit der Erhebung mittels Inszenierungen, Comics, | |
Graffiti und Rapsongs auseinander. Denn die meisten Aufständischen waren | |
sehr jung. | |
Auf dem alternativen Rockfestival "Haltestelle Woodstock" wurde von den | |
Zuschauern "Noch ist Polen nicht verloren" gesungen. Die kämpfenden | |
Großeltern sind die Identifikationsfiguren der aktuellen | |
Erinnerungspopkultur. "Die Jugend hat den gleichen patriotischen Geist wie | |
wir", glaubt der 86-jährige Olgierd Budrewicz, der am Aufstand teilnahm und | |
damals für eine Untergrundzeitung schrieb. Doch immer wieder werden auch | |
generationenübergreifend Fragen gestellt: Waren diese Opfer nötig? Warum | |
hat uns der Westen nicht mehr geholfen? | |
Auch kam es zu Misstönen: liberale Politiker wie der EU-Parlamentschef | |
Jerzy Buzek wurden auf dem Powaski-Militärfriedhof ausgebuht, während | |
Staatschef Lech Kaczynski mit einem Ständchen geehrt wurde. Vergeblich | |
hatten die Veteranen im Vorfeld gebeten, den Aufstand nicht für politische | |
Streitereien zu instrumentalisieren, und gefordert, dass Politiker keine | |
Kränze niederlegen. | |
Die Sympathien der meisten Teilnehmenden liegen bei Staatspräsident Lech | |
Kaczynski. Der Rechtskonservative, dessen Eltern selbst am Aufstand | |
teilnahmen, ließ als Bürgermeister Warschaus ein Museum des Auftands | |
errichten, das großen Anklang findet. Nun fordert Kaczynski, dass der 1. | |
August zum Nationalfeiertag erklärt wird. Der Fernsehjournalist Tomasz Lis | |
kritisierte dies - Kaczynski, dessen Chancen auf Wiederwahl schlecht sind, | |
solle seine Person nicht zu sehr mit dem Aufstand verbinden und die Polen | |
in Ruhe feiern lassen. | |
Doch ruhige Feiern stehen derzeit in Polen nicht an. Am 1. September soll | |
Russlands Premier Wladimir Putin am Gedenken zum Weltkriegsbeginn in Danzig | |
teilnehmen. Nationalkonservative Kreise werden es sich nicht nehmen lassen, | |
ihn an den Ribbentrop-Molotow-Pakt zu erinnern. "In Polen gibt es schon zu | |
viele leidensbetonte Feiertage, aber zu wenige fröhliche", erklärte | |
hingegen der Premier des Landes, Tadeusz Mazowiecki. | |
3 Aug 2009 | |
## AUTOREN | |
Jens Mattern | |
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