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# taz.de -- Schweden ist auf den Baum gekommen: Achtgeschosser aus Holz
> Mehrgeschossige Wohnhäuser aus Holz erleben in Schweden eine Renaissance.
> Holzbau schont das Klima, ist gesünder und vor allem billiger als Beton
> und Stahl.
Bild: Die Hochhaussiedlung im südschwedischen Växjö ist komplett aus Holz ge…
STOCKHOLM taz | "Achtstöckige Wohnappartementblocks ausschließlich gebaut
aus Holz? Alle sagten uns, das sei unmöglich", erinnert sich Projektleiter
Hans Andrén: "Nach langem Suchen fanden wir eine nordschwedische Firma, die
mit kleinformatigeren Holzbauten Erfahrung hatte und sich an das Projekt
herantraute."
Problemlos war es also nicht, als ein Wohnungsunternehmen im
südschwedischen Växjö vor fünf Jahren ein in Zusammenarbeit mit der
dortigen Universität entwickeltes Konzept für den Bau mehrgeschossiger
Holzwohnhäuser verwirklichen wollte.
Mittlerweile sind vier der sieben- und achtstöckigen Wohnblocks bezogen. An
Interessenten für Kauf oder Miete der ersten 268 Wohnungen war kein Mangel.
Und nun stehen die großen Baukonzerne plötzlich Schlange, um am weiteren
Ausbau von "Välle Broar" beteiligt zu werden: Växjös neuem hölzernem
Stadtviertel.
Die derzeit aus Holz gebauten Wohnhäuser Europas haben auch weltweit
Interesse erregt. Mehr als 2.000 Besucher hat Andrén in den letzten
eineinhalb Jahren das Projekt gezeigt. Interessenten von Japan bis
Großbritannien haben sich gemeldet, um das Konzept vielleicht auch zu Hause
zu verwirklichen.
Und Andrén hat die Zahlen parat, warum Holzbau auch aus Klimaschutzgründen
so interessant ist. Der Bau- und Wohnungssektor stehe für fast 40 Prozent
des totalen schwedischen Energieverbrauchs, für 30 Prozent der
Kohlendioxid-Emissionen und für 40 Prozent des jährlich produzierten
Abfalls.
Es zahle sich deshalb unmittelbar aus, in diesem Bereich effektiver mit den
Ressourcen umzugehen und mehr Rücksicht auf die Folgen für das Klima zu
nehmen. Nicht nur, was die operationelle Bauphase selbst angehe, sondern
den gesamten Lebenszyklus eines Hauses. Holz aus nachhaltiger
Forstwirtschaft sei deshalb ein Material mit großen ökologischen Vorteilen
gegenüber den meisten anderen Baustoffen.
Bäume binden Kohlendioxid (CO2) und wachsen nach. Und baut man mit Holz,
geschieht das zwar nicht ganz klimaneutral, aber mit 13-fach niedrigerer
CO2-Bilanz als mit Stahl- und Betonkonstruktionen.
Holzbauten sind zudem zehnmal leichter als vergleichbare Betonbauten und
können auf einem Untergrund errichtet werden, auf dem dies für Ziegel- oder
Betonbauten nicht möglich wäre. Holzbauten sind auch noch vergleichsweise
billiger und Holz gibt ein gesünderes Innenklima.
"Holz ist demokratisch und gibt Kraft", schwärmt Olof Thedin, einer der
Architekten des neuen Holzstadtteils "Välle Broar": "Holz strahlt Stärke
aus, aber gleichzeitig Leichtigkeit und Reinheit." Und natürlich hat man in
Växjö so geplant, dass die Wohnungen auch ein Vorbild an Energiesparsamkeit
sind.
Lupenreine Passivhäuser, die keine Heizung aus externen Quellen erforder,
sind es bislang zwar noch nicht. Doch die nächste Generation, deren
Prototyp Ende des Jahres fertiggestellt sein wird, soll auch diese
Voraussetzung erfüllen.
Mehrgeschossiger Holzhausbau war in Europa in den letzten Jahrzehnten kein
Thema. Selbst in einem Waldland wie Schweden war nach mehreren
Feuersbrünsten 1874 gar ein allgemeines Verbot des Baus von Holzhäusern mit
mehr als zwei Stockwerken erlassen worden. Das erst 120 Jahre später im
Jahr 1994 wieder aufgehoben wurde.
Obwohl Stockholm vor einigen Jahren eine "nationale Holzbaustrategie"
verabschiedet hatte, ging die Entwicklung langsam. Architekten, Ingenieure
und Bauunternehmen müssen offenbar erst wieder lernen mit Holz zu bauen und
ihre Kunden sich an diesen Baustoff gewöhnen.
Doch nun scheint es so etwas wie eine Renaissance zu geben. In der
nordschwedischen Stadt Sundsvall wurden 2005 die ersten sechsstöckigen
Holz-Wohnhäuser eingeweiht. Dort hat die Kommunalverwaltung jetzt im
städtischen Bebauungsplan festgeschrieben, dass künftig alle Neubauten aus
Holz gebaut werden müssen.
"Välle Broar" in Växjö ist mit 15 Hektar Fläche, bis zu 1.500 projektierten
Wohnungen und Gewerbeflächen von 50.000 Quadratmetern das derzeit größte
zusammenhängende Holz-Neubauprojekt des Landes. Die Universität der Stadt
hat einen eigenen Studiengang für Holzhausbau und gilt als führend in der
Forschung über Holzbautechniken.
Die Regierung in Stockholm hat eine Vision: In zehn Jahren soll Holz das
gebräuchlichste Baumaterial in ganz Schweden sein - und wie die Branche
dort hofft, auf längere Sicht vielleicht auch in ganz Europa.
Neue Baumethoden mussten entwickelt werden. Die einzelnen bis zu 16 Meter
langen und stockwerkhohen Elemente der Holzhochhäuser wurden industriell in
einer Hausfabrik vorgefertigt und vor Ort zusammengesetzt. Bauzeit zehn
Tage pro Stockwerk und unter einem höhenverschiebbaren Zeltbau in einem
Baumilieu, das gegen Witterung, vor allem Feuchtigkeit geschützt war.
Apropos Feuchtigkeit: Neben "Holz verträgt keine Feuchtigkeit" ist
"Holzhäuser sind brandgefährlich" der am häufigsten zu hörende Einwand
gegen diese Bauweise. "Eine unbegründete Furcht", meint Fredrik von Platen,
der für die schwedische Regierung eine Untersuchung zu den
Zukunftsaussichten des Holzwohnbaus erstellt hat. Für Holzhäuser gelten die
gleichen Brand-Sicherheitsbestimmungen wie für Wohnblocks aus Stein oder
Beton. Die Konstruktionen sollen einen 90-minütigen Brand überstehen, ohne
in sich zusammenzustürzen.
7 Aug 2009
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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