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# taz.de -- Frankreichs Linke: Sozialisten im Koma
> Wahlniederlagen und Konkurrenz von Links und Rechts machen der größten
> Oppositionspartei zu schaffen. Über den richtigen Weg aus dem Tief wird
> heftig debattiert.
Bild: Händchenhalten fürs Foto: PS-Chefin Aubry (Mitte) sagt, ihrer Partei ge…
PARIS taz Bei den französischen SozialistInnen (PS) sind die Messer
gezückt. Der ehemalige Kulturminister Jack Lang sagt im Interview über
seine Partei, sie sei ein "vertrockneter Baum". Der Abgeordnete Arnaud
Montebourg diagnostiziert: "Sie ist im Koma." Der Philosoph Bernard-Henri
Lévy, der ein sicheres Gespür für Medientrends hat, verlangt gar die
"Auflösung der Partei". PS-Chefin Martine Aubry verteidigt die Organisation
fast allein: "Der PS geht es gut", sagt sie.
Einem lautstarken Gegner vom rechten Parteiflügel, dem
Vorstadtbürgermeister Manuel Valls, der behauptet hat, "die PS ist keine
Hoffnungsträgerin mehr", legt die Parteichefin nahe, entweder den Mund zu
halten oder die Partei zu verlassen. Paradoxerweise ist Valls trotz seiner
scharfen Töne daran interessiert, im Jahr 2012 für seine Partei
Präsidentschaftskandidat zu werden.
Die größte französische Oppositionspartei, die PS, regiert 20 der 22
Regionen, sowie drei von vier Großstädten des Landes. Doch ihre innere
Befindlichkeit ist miserabel. Da führen die GenossInnen Krieg gegeneinander
und gegen ihre Parteichefin - oder wie im Frühling 2007 gegen ihre damalige
Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal - anstatt sozialdemokratische
Alternativen zu der Politik des rechten Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy
zu entwickeln.
Verantwortlich für die miese Stimmung in der Partei sind viele Faktoren.
Einerseits muss die PS zahlreiche Wahlniederlagen einstecken: In den
vergangenen 12 Jahren hat sie drei Präsidentschaftswahlen verloren (1997
und 2002 mit Lionel Jospin, 2007 mit Royal). Im Juni verlor sie auch noch
mehr als die Hälfte ihrer Europaabgeordneten - statt zuvor 31 hat die
Partei jetzt nur noch 14 Abgeordnete in Straßburg. Bei den großen sozialen
Konflikten wie Massenentlassungen und Verlängerung der Lebensarbeitszeit
ist die Stimme der Partei kaum hörbar.
Profilverluste erleidet die PS auch durch die "Öffnungspolitik" Sarkozys,
der erfolgreich prominente SozialdemokratInnen abwirbt. Er hat mehrere
PS-Mitglieder in seine Regierung geholt - darunter Außenminister Bernard
Kouchner und Eric Besson, der das Ministerium für Einwanderung und
"nationale Identität" leitet. Andere Sozialdemokraten hat Sarkozy für
besondere Missionen engagiert.
Gleichzeitig wächst der PS an ihrem rechten und linken Rand neue Konkurrenz
heran. Links von ihr ist die Neue Antikapitalistische Partei (NPA) von
Briefträger Olivier Besancenot und die neu gegründete La Gauche
angesiedelt, in denen sozialdemokratische, kommunistische, grüne und
trotzkistische DissidentInnen zusammenarbeiten. Rechts lockt der Zentrist
François Bayrou (Modem) unzufriedene SozialdemokratInnnen.
An der Spitze der PS ist unklar, wie mit dieser Konkurrenz umzugehen ist.
Kritiker wie Valls, Lang und Montebourg befürworten eine Annäherung an die
Rechtsliberalen und einen Umbau der PS nach dem Vorbild der
US-amerikanischen Demokraten. Parteilinke wie PS-Führungsmitglied und
Arbeitsinspektor Gérard Filoche hingegen wollen die ideologischen
Positionen der PS stärken. "Die PS braucht nicht mehr Disziplin", meint
Filoche, "sondern wir müssen mit dem Sarkozysmus brechen und wir müssen
drei Zahlen verteidigen": 35 wie die 35-Stunden-Woche, 60 als Rentenalter
und 1.600 Euro als gesetzlichen Mindestlohn (Smic).
Inmitten des sozialdemokratischen Minenfeldes versucht Parteichefin Aubry,
die PS vor dem Untergang zu retten. Nach den Europawahlen im Juni hat sie
den Chefs und Chefinnen der meisten anderen linken Parteien - außer der NPA
- einen Brief geschickt. "Die Situation des Landes ist schwer", schreibt
Aubry den grünen, linkssozialistischen und kommunistischen PolitikerInnen:
"Die Arbeitslosigkeit steigt, die Ungleichheiten explodieren, die sozialen
Unsicherheiten sind furchtbar." Für die Regionalwahlen im nächsten Jahr und
die Präsidentschaftswahlen 2012 schlägt Aubry den anderen Linken ein
gemeinsames Treffen vor. Schon bei den Europawahlen habe die Linke, so
begründet sie, "mehr Stimmen bekommen als die Rechte. Dennoch erscheinen
wir kollektiv als die Verlierer des Wahlganges."
6 Aug 2009
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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