# taz.de -- Neues Lohas-Magazin Biorama: Style mit Weile | |
> "Ökologisch korrekter Konsum" kann besser aussehen, als der Begriff | |
> klingt. Das beweist Milo Tesselaars wegweisendes "Biorama", das in Wien | |
> produziert wird. | |
Bild: Biorama erscheint im Wiener Kleinverlag Monopol, der sich ansonsten Popdi… | |
Als Milo Tesselaar in seiner Heimatstadt Graz den Kulturclub "Veilchen im | |
Forum Stadtpark" betrieb, wollte er Bionade aus Bayern importieren. Das war | |
Anfang 2004. Damals kannten erst wenige das Erfolgsgetränk des 21. | |
Jahrhunderts, und dementsprechend gab es noch keine Distributionswege. Nach | |
einer Lieferung war Schluss. Heute lebt Tesselaar in Wien und exportiert | |
Bioware - eine Zeitschrift namens Biorama. Nach acht Ausgaben in Österreich | |
erscheint das "Magazin für nachhaltiges Leben mit Stil" auch in | |
Deutschland. | |
Die Grazer Episode zeigt, dass Tesselaar nicht erst daherkommt, wenn es | |
alle mitgekriegt haben. Und dass der 27-Jährige kein klassischer Öko ist, | |
sondern ein Kulturkreativer, der schon länger für die Verbindung oder | |
Versöhnung mit dem Ökoinhalt, dem Klimaproblem und dem Tasten nach neuen, | |
gerechteren Formen des Unternehmertums steht. Er lebe und konsumiere seit | |
langem nachhaltig, aber ihm habe dabei immer der "Stil" gefehlt, sagt er. | |
Nach Bionade importierte er damals "Premium Cola". Das alternative | |
Hamburger Cola-Unternehmen ist nicht auf Gewinn ausgerichtet, weil das | |
bedeuten würde, "dass wir zu viel Geld für unser Produkt genommen haben | |
oder unterwegs jemandem zu wenig abgegeben haben." Außerdem sehen die | |
Flaschen großartig aus. Die ganze Geschichte steht in der jüngsten Ausgabe | |
von Biorama. | |
Aber gibt es einen Markt für Magazine, die Nachhaltigkeit und Style | |
verbinden? Burda versuchte es Anfang 2008 mit ivy, doch das Motto | |
"Lifestyle für eine bessere Welt" klang ein bisserl sehr nach strategischem | |
Reißbrett. Nach zwei Ausgaben war Schluss. Vierteljährlich gibt es MyLife - | |
"Die neue Art, bewusster zu leben". Auch von Burda, aber mit mehr Knowhow | |
und Fingerspitzengefühl. Der Springer-Mann Uwe Dulias startete 2008 das | |
Klima Magazin, das "Klima-Briefe" an den US-Präsidenten schreibt und sich | |
um "Freunde der Erde" rankt. Nah dran an problematischen politischen | |
Entwicklungen ist zeo2 von der Deutschen Umwelthilfe, das den klassisch | |
politisierten Umweltbewegten ansprechen dürfte. | |
Biorama erscheint im Wiener Kleinverlag Monopol, der sich ansonsten | |
Popdiskursen widmet. Das Heft im Taschenformat fühlt sich nicht an wie | |
marktschreierische Belästigung von sogenannten Zielgruppen, sondern wie ein | |
längst nicht perfekter, aber ehrlicher Versuch, die LeserInnen (zwei | |
Drittel sind Frauen) und ihr Interesse an nachhaltigem und fairen Leben und | |
Konsumieren ernstzunehmen. "Da wird auch ästhetisch ein Lebensstil | |
angerissen für eine neue Generation", sagt Trendforscher Eike Wenzel. | |
Der Chefredakteur von Matthias Horx Zukunftsinstitut hat die neuen, | |
nachhaltigen Lebensstile ("Lohas") in Deutschland als Erster beschrieben. | |
Er vermisst in dem Heft die Tiefenrecherche und das Setzen von Themen. | |
Aber: Biorama setze "den Lohas-Gedanken relativ clever um". Der besteht vor | |
allem auch darin, dass die neuen Ökos permanent in Widersprüchen leben und | |
damit klarkommen müssen. | |
Tesselaar hat verstanden, wie seine Leser und potenziellen Leser drauf | |
sind. Es hilft, dass er selbst ein vehementer Vertreter der | |
Sowohl-als-auch-Philosophie ist. Also: Energieversorgung? "Dezentral und | |
zentral." Biogas? Kommt auf die Region an. Seine "Freunde aus der | |
linksalternativen Ecke" habe er zwar unwidersprochen ihre Kampfparolen | |
ausstoßen lassen, er selbst habe Fortschritt aber schon in seiner Jugend | |
nicht im "Entweder-oder" gesehen, sondern in der "richtigen Mischung". | |
Menschen heute, sagt er, leben nicht einen Lebensstil, sondern mehrere | |
parallel. Er selbst fühlt sich als Teil einer gelebten Fahrradkultur, ist | |
lebenslanger Bioladenkunde und kauft im Widerspruch dazu regelmäßig das | |
Automagazin Intersection. "Die Leute sind in ihrer Nische sehr straight. | |
Die Widersprüche entstehen teilweise durch die Zugehörigkeit zu | |
verschiedenen Nischen." Allerdings: Die Sowohl-als-auch-Philosophie | |
funktioniere nur auf Basis einer "straighten journalistischen Qualität": | |
klare Trennung von Redaktion und Anzeigengeschäft, kein Greenwashing, keine | |
Advertorials und dergleichen. | |
Es ist wie immer: Wenn Biorama es schaffen will, braucht es mehr Einnahmen, | |
also mehr Leser und mehr Anzeigen. "Biorama hat eine neue Qualität", sagt | |
Kati Drescher, deren auf Bio und Neogrün spezialisierte Berliner Agentur | |
Sieben & Siebzig die Anzeigenvermarktung für Deutschland macht. Allerdings | |
hätten "konventionelle Anzeigenkunden das Segment nachhaltiges Leben noch | |
nicht begriffen". Eine Auflage von je 10.000 Exemplaren in Österreich und | |
Deutschland helfe auch nicht. Und dann sei ja auch noch Krise. Trotzdem | |
gibt sie sich professionell optimistisch: "Wir werden das mit Sicherheit | |
über die Hürde rüberheben." Heft 10 ist für Mitte August angekündigt. | |
Biorama-Leser sind im Schnitt 35 Jahre alt, studieren oder sind | |
berufstätig, gut ausgebildet, achten auf gesunde Ernährung und haben ein | |
Bewusstsein für soziale, ökologische und ethische Fragen. Dass es sich | |
vorwiegend um Frauen handelt, ist für nachhaltige Lebensstile derzeit noch | |
konstituierend. Im Prinzip handelt es sich um behutsame, | |
harmonieorientierte Sinnsucher aus der bürgerlichen Mitte. Zum Beispiel: | |
"Leute, die zwei Jobs machen oder einen nicht sehr anspruchsvollen Job, | |
weil ihnen etwas anderes wichtiger ist", sagt Tesselaar. Hintergrund ist | |
die veränderte Arbeitswelt, aber auch der Zusammenbruch des westlichen | |
Nachkriegs-Lebensglückmodells. | |
Die Leute wollen auf dem Fahrrad gut aussehen, gute Produkte kaufen, wobei | |
sich das "gut" auf Geschmack, Herstellung, Style und Moral bezieht. Sie | |
wollen auch mal ein Sauerteigbrot selbst backen oder lesen, wie das geht. | |
In dieser Hinsicht überschneiden sich Interessen oder Vorstellungen von | |
sich selbst mit den Lesern des Erfolgsmagazins Landlust über "die schönsten | |
Seiten des Landlebens". | |
Stricken, kochen, Rüben anpflanzen: "Das Selbermachen hat wieder einen | |
Wert", sagt Tesselaar. Global, digital und naturnah leben und basteln? Da | |
weht ein Hauch von Schwarz-Grün. Sind es Verwandte jener | |
"Teils-teils-Grünen", von denen der Politologe Franz Walter spricht, ganz | |
zufriedene Postmaterialisten, die es nicht oder nicht mehr "radikal" mögen | |
oder brauchen? | |
Dafür sind sie zu jung. Eigentlich. | |
Sind Ihre Leser politisch motiviert oder eigenbezogen, Herr Tesselaar? "Sie | |
können politisch sein, müssen es aber nicht." | |
Sehr wahrscheinlich sind sie sowohl als auch. | |
7 Aug 2009 | |
## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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