# taz.de -- Debatte Symbolpolitik in Südafrika: Frauentag am Kap | |
> In Südafrika gehört das Gedenken an den Widerstand von Frauen gegen die | |
> Apartheid zur Staatsraison. Ihre aktuelle Lage aber ist fatal. | |
Die ANC-Regierung hat den 9. August zum nationalen Frauentag in Südafrika | |
erklärt. Damit gedenkt sie der größten Demonstration, die es bis dahin in | |
der Geschichte des Landes gegeben hat: Am 9. August 1956 zogen über 20.000 | |
Frauen in einem friedlichen Protestmarsch vor das Parlamentsgebäude in | |
Pretoria, um gegen den Zwang für Nicht-Weiße zu protestieren, zu jedem | |
Zeitpunkt ein umfängliches Passbuch bei sich zu tragen. | |
Dieses Passbuch enthielt neben einem Foto und dem Geburtsort, neben | |
Zeugnissen des Arbeitgebers sowie der Polizei, gegebenenfalls eine | |
Erlaubnis, dass sich die InhaberIn von ihrem Wohnort wegbewegen durfte. Die | |
Kriminalisierung von Mobilität für Nicht-Weisse gemeinsam mit der | |
Zwangsumsiedlung von schwarzen Alten und Frauen in abgelegene Wohngebiete | |
mit katastraphaler Infrastruktur, hatte schwerwiegende Folgen: Viele | |
hunderttausend Wanderarbeiter, die in den Gold- und Kohleminen schufteten | |
und von weißen Vorarbeitern drangsaliert wurden, konnten nicht mehr mit | |
ihren Familien zusammenleben. Den Ehemann ohne amtliche Erlaubnis zu | |
besuchen, wurde so zur Straftat ebenso gefährlich wurde Jobsuche etwa als | |
Haushaltshilfe jenseits des Wohnortes. Zudem wurden die Frauen gezwungen, | |
sich pseudo-traditionellen Autoritäten in den Homelands zu fügen, so | |
genannten Chiefs. Diese waren vom Apartheidregime eingesetzt worden. | |
Beginn einer Frauenbewegung | |
Auch wenn der Protestmarsch der Frauen weder die Pässe verhindern noch die | |
Homelandpolitik aushebeln konnte - er machte Frauen zum Teil der | |
Widerstandsbewegung gegen das südafrikanische Apartheidsystem. Als Anfang | |
der 1990er Jahre die erste demokratische Verfassung in Kraft trat, hatten | |
Aktivistinnen durchgesetzt, dass in dieser Frauenrechte festgeschrieben | |
werden und Frauen als vollwertige Rechtspersonen gelten. Diese | |
Gleichstellung versuchte der Dachverband der Chiefs zu verhindern. Auch | |
einige ANC-Politiker wollten die Chiefs aus politischem Kalkül nicht | |
verprellen. Sie waren der Ansicht, auf deren Unterstützung bei | |
Kommunalwahlen angewiesen zu sein. Dennoch erreichten die | |
Frauenrechtsaktivistinnen nach zähem Ringen ihre Ziele. | |
Der nationale Frauentag schafft einen Anlass, um auf das historische Erbe | |
im Kampf gegen die Apartheid zurückzublicken und gleichzeitig eine Bilanz | |
der ANC-Geschlechterpolitik fünfzehn Jahre nach den ersten demokratischen | |
Wahlen zu ziehen. Inwieweit also trägt die offizielle Erinnerungspolitik zu | |
einer realen Situationsverbesserung von Frauen und zur | |
Geschlechtergerechtigkeit überhaupt bei? Und: Wie ist die Frauenpolitik des | |
seit knapp einhundert Tagen amtierenden Präsidenten und ANC-Chefs Jacob | |
Zuma zu bewerten? | |
Auf den ersten Blick hat das Land am Kap heute gute Gründe zum Feiern: | |
Seine geschlechtergerechte Verfassung gilt weltweit als vorbildlich. Sie | |
schützt die Rechte von Frauen unabhängig von ihrem familiären Status, was | |
vor allem für Witwen, geschiedene Frauen und Teenager-Mütter wichtig ist. | |
Auch das Recht auf Gesundheit, der Schutz vor Gewalt, Frauenquoten in | |
politischen Gremien, Gender-Leitlinien für die öffentliche Verwaltung und | |
geschlechtergerechte Haushaltsplanungen sind beispielhaft. | |
Dennoch ist die Umsetzung der institutionellen Vorgaben und der | |
Verfassungsgrundlagen eine große Herausforderung, der sich Regierung und | |
staatliche Institutionen nur unzureichend stellen. Zwar wurde das Ehe- und | |
Erbrecht reformiert, aber in der Praxis wird oft gegen Frauenrechte | |
verstoßen. Zahllose Männer nehmen die Reformpolitik der Regierung als | |
Angriff auf ihr maskulines Selbstverständnis wahr und gehen weiterhin mit | |
Gewalt gegen Frauen vor. In den letzten Jahre fehlten Programme, um Männer | |
als Mitstreiter für gesellschaftliche Veränderungen zu gewinnen. Diese | |
jedoch wären notwendig gewesen, um gewaltgeprägte Männlichkeit - ein Erbe | |
der Apartheid - zu überwinden. Man darf ja nicht vergessen: Über | |
Generationen hinweg wurden schwarzer Männer von weißen Vorgesetzten nicht | |
zuletzt in ihrem Selbstverständnis als Mann gedemütigt. Gleichzeitig trug | |
die Militarisierung der gesamten Gesellschaft dazu bei, Gewalt als Mittel | |
der Interessendurchsetzung im Alltag zu verankern. | |
Massenhaft Vergewaltigungen | |
Heute ist Südafrika Spitzenreiter in den international vergleichenden | |
Vergewaltigungsstatistiken, wobei nur ganz wenige Fälle strafrechtlich | |
verfolgt werden. Auch die Tatsache, dass zahlreiche Vergewaltigunsopfer mit | |
HIV infiziert werden, führt nicht zu einem Umdenken. Diese bis heute nahezu | |
ungebrochene Kontinuität gewaltgeprägter Männlichkeitsbilder und die daraus | |
resultierende Lebensrealität von Frauen und Mädchen steht im eklatanten | |
Widerspruch zum offiziellen Gedenken an die Leistungen politischer | |
Aktivistinnen und die Bekenntnisse zur Geschlechtergleichheit. | |
Entsprechend skeptisch bleiben Frauenrechtsaktivistinnen auch bei der | |
Frage, inwieweit die neue ANC-Regierung unter Jacob Zuma diese Probleme | |
angeht. Einige ranghoher ANC-Politiker inszenierten sich im Wahlkampf und | |
nach ihrem Wahlsieg mit sexistischen Äußerungen, der höchst umstrittene | |
Freispruch von Zuma von einer ihm zur Last gelegten Vergewaltigung tat sein | |
Übriges. Auch die Einrichtung eines neuen Frauenministeriums, das | |
gleichzeitig für Jugendliche und Behinderte zuständig ist, sorgt für | |
Irritation. Viel wichtiger als eine neue Behörde wäre es ja, die Umsetzung | |
der Verfassungsrechte anzugehen. Der Aufbau einer Parallelstruktur zu | |
bestehenden Institutionen hingegen erinnert an Rückgriffe auf Modelle aus | |
den 1980er Jahren, die in anderen afrikanischen Ländern | |
Geschlechterhierarchien de facto verstärkt haben. | |
Viele Südafrikanerinnen sind zu Recht stolz auf ihre Mitwirkung an der | |
Überwindung der Apartheid. Doch für die Zahllosen, die nach wie vor in | |
Armut und Gewalt leben, gibt es am nationalen Frauentag nicht viel zu | |
feiern. Um so beachtlicher sind die Basisinitiativen von Frauen, die | |
Strukturprobleme kritisieren und nicht müde werden, den Schutz vor Gewalt | |
einfordern. Gerade weil sie die offizielle Erinnerungspolitik und die neue | |
Verfassung als Maßstab für die ANC-Entscheidungsträger anlegen, sind sie | |
die eigentlichen Heldinnen des Tages. | |
7 Aug 2009 | |
## AUTOREN | |
Rita Schäfer | |
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